Fine Jonathan Weltmuseum KHM Verband Generaldirektor
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer präsentierte Jonathan Fine als neuen Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums. Der gebürtige New Yorker ist seit 2021 Chef des Weltmuseums und steigt nun eine Etage höher.
APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Jonathan Fine wird ab 1. Jänner 2025 neuer Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien und folgt somit Sabine Haag an der Spitze des Museumsverbands nach. Dies verkündete Andrea Mayer, Staatssekretärin für Kunst  und Kultur (nominiert von den Grünen), am Donnerstag. Für den US-amerikanischen Kunst- und Kulturhistoriker ist das kein unbekanntes Terrain: Seit 2021 steht er dem Weltmuseum Wien, das dem KHM-Verband angehört, als wissenschaftlicher Leiter vor. Ob diese Funktion ab 2025 neu ausgeschrieben oder er eine Doppelfunktion erfüllen wird, sei noch nicht gänzlich geklärt, hieß es bei der Pressekonferenz.

Mayer sprach bei der Verkündung des Direktionsposten von einem "bewegenden Moment" sowie einer "wirklich tollen Bewerbungslage". Fine hatte sich im Rennen um die KHM-Spitze gegen 19 Mitbewerbende vor allem aus dem internationalen – insbesondere deutschsprachigen – Ausland durchgesetzt. Insgesamt standen zehn Frauen und zehn Männer zur Auswahl, sechs davon kamen aus Österreich.

Fünf Personen wurden zum Hearing eingeladen, aus dieser Gruppe wählte die Findungskommission –  der unter anderen KHM-Kuratoriums-Vorsitzende Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Philipp Demandt, Direktor des Städel-Museums Frankfurt, angehören  drei Bewerber und Bewerberinnen aus und präsentierte diesen "ungereihten Dreiervorschlag” der Staatssekretärin (DER STANDARD berichtete). Mayer führte mit allen dreien Einzelgespräche und entschied sich schließlich für Jonathan Fine.

Multiperspektivischer Zugang

Seine Bewerbung habe sie auf allen Ebenen überzeugt, wie Mayer sagte. "Er hat gezeigt, dass er das Haus gut kennt und in diesem Verband aber auch darüber hinaus extrem gut vernetzt ist. Ich halte das gerade in diesen schwierigen Zeiten, in denen auch die Museen mit großen Umbrüchen zu kämpfen haben, für sehr wesentlich." Außerdem habe Fine bewiesen, dass er die brennenden Themen, mit denen sich Museen heute auseinandersetzen müssen, nicht nur verstanden habe, sondern sich ihnen auch stellen wolle, so die Staatssekretärin. Sie lobte dessen multiperspektivischen Zugang, seinen persönlichen Auftritt sowie seine beeindruckende fachliche Vita.

Fine, 1969 in New York geboren, studierte in Cambridge Geschichte und Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaften in Yale und promovierte an der Princeton University am Department of Art and Archaeology. In den USA war er als Menschenrechtsanwalt tätig, wandte sich schließlich der historischen Museumsarbeit zu und arbeitete als Sammlungsleiter am Ethnologischen Museum Berlin. Inhaltlich sei seine Arbeit interdisziplinär geprägt, wie er betonte. In seiner erst kurzen Amtszeit am Weltmuseum zählte die Personale des Māori-Künstlers George Nuku zu seinen größten Projekten. Fine gilt als Experte für Provenienzforschung mit dem Schwerpunkt Benin und Kamerun und zeichnete sich mit der Errichtung einer Kommission zum Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten aus. Erst kürzlich legte er als Leiter der zugehörigen Kommission dazu der österreichischen Bundesregierung ein 24-seitiges Papier vor.

Offenes Ohr

Nun erwarten ihn andere Dimensionen: Das Kunsthistorische Museum gilt als das größte Bundesmuseum Österreichs, als Großtanker mit "elf Sammlungen für alle europäischen kunst- und kulturhistorischen Epochen vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sowie Ägyptens, des Vorderen Orients und des griechisch-römischen Altertums", wie in der Ausschreibung betont wurde. Dazu kommen acht "alle Kontinente umfassende Sammlungen des Weltmuseums" sowie sechs weitere des Theatermuseums "von der Barockzeit bis in die Gegenwart". Außerdem zählen auch die Wagenburg, die Schatzkammer sowie das Schloss Ambras in Innsbruck zum KHM-Museumsverband.

Nachdem sich Fine am Donnerstag für die Bestellung bedankte, dieses zu den "großartigsten Museen der Welt" zählende Haus ab 2025 leiten zu dürfen, wandte er sich an die Belegschaft, der er versprach, als künftiger Generaldirektor immer ein offenes Ohr für sie zu haben. "Die große Stärke des Verbands sind auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und ich freue mich auf die Zusammenarbeit", sagte er. Weiters strich er die Bedeutung der Sammlungsstärke hervor: "Der KHM-Museumsverband beherbergt Sammlungen mit absoluten Meisterwerken, die uns nicht nur das Beste des menschlichen künstlerischen Schaffens erleben lassen, sondern uns auch helfen, zu verstehen, wie unsere Welt zusammenhängt.“

In einem ersten APA-Interview verriet Fine bereits seine Stoßrichtung: "Ich glaube, wir müssen niederschwelliger werden. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass alle Wienerinnen und Wiener, alle Touristinnen und Touristen schon eingeweihte Kunsthistorikerinnen und -historiker sind. Wir müssen das, was hier ist, besser und intensiver vermitteln. Ich glaube aber auch, dass wir die Verbindungen zwischen den Museen stärken müssen."

Grundlage mit Ausbaupotenzial

Zu konkreten Plänen gab Fine aber noch keine Auskunft. Seine Arbeit im Weltmuseum bis Ende 2024 fortzusetzen und einen reibungslosen Übergang vorzubereiten habe im Moment Priorität. Sein Ziel sei aber klar: "Der Ausbau der internationalen und nationalen Bekanntheit dieser Museen." Die aktuelle Aufstellung des KHM-Verbands halte er für eine gute Grundlage. Zu seinem interdisziplinären Ansatz würde auch die Implementierung von Sonderausstellungsräumen im KHM gehören. Als Interner weiß er über das KHM und dessen Baustellen Bescheid, wie beispielsweise die anstehende Sanierung des gesamten Gebäudes oder Räumlichkeiten für Sonderausstellungen.

Vor allem ein moderner Zugang wird dem Haupthaus guttun. Inhaltlich vermisste man unter Langzeitdirektorin Sabine Haag in den letzten Jahren ein innovatives Programm, so manche Projekte gerieten etwas zu verstaubt. Die Kunsthistorikerin und Elfenbein-Expertin Sabine Haag wird dem KHM Ende 2024 insgesamt fast 16 Jahre vorgestanden sein. Eigentlich wäre ihre Amtszeit 2019 zu Ende gewesen, hätte Uffizien-Chef Eike Schmidt nicht kurzfristig das Handtuch geworfen und wäre in Italien geblieben. Haag bewarb sich damals erneut und blieb weitere fünf Jahre. Anfang 2023 gab die 61-Jährige bekannt, sich um keine Verlängerung zu bewerben –und machte das Feld frei.

Andrea Mayer bedankte sich bei Sabine Haag im Namen der Republik für ihren Verdienst, den prägenden Einfluss auf das Kunsthistorische Museum und auch dafür, dass sie Jonathan Fine 2021 nach Wien geholt hat. Mit ihm bricht ab 2025 eine neue Ära an. (Katharina Rustler, 29.6.2023)