Am Mittwoch bekommt Österreichs größter Medienkonzern ORF ein neues Gesetz mit einer Haushaltsabgabe ab 2024, mit Streaming und Offenlegung von Gehältern. Den Politikeinfluss beschränkt das neue Gesetz nicht.

Die 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen ab 2024 Gehälter und Nebeneinkünfte offenlegen. Die Verpflichtung steht im neuen ORF-Gesetz.
Heribert Corn

ORF-Beitrag ab 2024

Ab 2024 wird der ORF-Beitrag von monatlich 15,30 Euro für Hauptwohnsitze und Firmen fällig. Die neue ORF-Finanzierung über einen Beitrag von allen, unabhängig von Empfang und Empfangsgeräten, wird am Mittwoch im Nationalrat mit Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen beschlossen. In zwei Wochen geht das Gesetz noch durch den Bundesrat.

Angriffe aus mehreren Richtungen könnten aber sehr bald wieder ein neues ORF-Gesetz – oder zumindest Anpassungen – nötig machen.

FPÖ gegen Beitrag

Die FPÖ will den Beitrag bei Regierungsbeteiligung nach den nächsten Wahlen wieder abschaffen; der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle – mit deutlich gekürzten Mitteln – aus dem Bundesbudget finanziert werden. Das würde die Politikabhängigkeit des ORF jedenfalls nicht erhöhen. Die SPÖ fordert eine soziale Staffelung des ORF-Beitrags.

Politeinfluss unverändert

SPÖ und Neos vermissen in dem Gesetzesentwurf eine Reform der ORF-Gremien, die den Politikeinfluss auf den ORF reduziert. Die SPÖ stellte nach den bestehenden Besetzungsregeln für den Stiftungsrat als Kanzlerpartei über Jahrzehnte selbst die größte Fraktion in den ORF-Gremien.

Nun hat die ÖVP als Kanzler- und vielfache Landeshauptmannpartei mit diesem Besetzungsmodus die alleinige Mehrheit im ORF-Stiftungsrat. Änderungen der Beschickung – die etwa auch Koalitionspartner Grüne befürwortet – lehnte sie ab.

Höchstgericht am Zug

Das SPÖ-regierte Burgenland hat zum Regierungseinfluss auf die ORF-Gremien einen Prüfantrag an den Verfassungsgerichtshof gerichtet. Das Höchstgericht dürfte noch heuer entscheiden. Hebt es die Bestimmungen über die Besetzung ganz oder teilweise auf, könnte es dafür gleich wieder ein neues ORF-Gesetz brauchen.

Für die blauen Pläne – Abschaffung des Beitrags und eine Budgetfinanzierung, gespeist aus allgemeinen Steuern – bräuchte es eine neue Mehrheit für ein ORF-Gesetz.

Rufe nach EU

Private Medienunternehmen und ihre Verbände haben die EU-Kommission aufgefordert, den neuen ORF-Beitrag gründlich zu prüfen. Staatliche Beihilfen dürfen den Wettbewerb in der Union nicht verzerren. Neue Beihilfen müssen entsprechend von der EU geprüft und genehmigt – "notifiziert" – werden. Die Republik Österreich argumentiert, der Beitrag sei keine grundlegende Änderung gegenüber den bisherigen GIS-Gebühren, die die EU 2009 unter der Bedingung genauer gesetzlicher Regelungen für den ORF und seinen Auftrag akzeptiert hat.

Zeitungsverband VÖZ und Privatsenderverband VÖP argumentieren in Schreiben an die Kommission, der Beitrag sei eine wesentliche, zu prüfende Veränderung. Er bringe wesentlich mehr Mittel für den ORF, ein direkter Staatszuschuss komme dazu, außerdem werde der Auftrag wesentlich um Streaming erweitert. Und die Republik habe schon die EU-Anforderungen aus dem Jahr 2009 nur ungenügend umgesetzt. Das erfordere ein genaues Notifikationsverfahren.

Christian van Thillo, Vorsitzender des European Publishers Council, zeigt sich in einem Brief an Kommissionsvizepräsidentin Margarete Vestager "sehr besorgt über das Vorhaben Österreichs, die Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF zu erhöhen". Er warnt vor "massiven Wettbewerbsverzerrungen".

Was bringt das ORF-Gesetz?

Die wichtigsten Änderungen für Österreichs größten und öffentlich-rechtlichen Medienkonzern ab 2024:

  • ORF-Beitrag von allen. Ab 2024 verlangt die ORF-Tochterfirma ORF-Beitrags Service GmbH monatlich 15,30 Euro statt bisher 18,59 Euro Kombigebühr für TV- und Radionutzerinnen und -nutzer. Wer nur Radio-GIS zahlte, für den oder die steigt der monatliche Beitrag auf mehr als das Doppelte. In Wien, Burgenland, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol kommen Landesabgaben auf den Beitrag dazu. Für Nebenwohnsitze wird kein Beitrag mehr eingehoben. Der ORF bekommt 2024 bis 2026 je 710 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag. Für das öffentlich-rechtliche Angebot meldete er für 2024 683 Millionen Euro Bedarf an, für 2025 705 Millionen und für 2026 743 Millionen Euro – im Schnitt ergibt das die vom Gesetz für die drei Jahre vorgesehenen 710 Millionen Euro.
  • Bis zu 100 Beiträge von Firmen. Unternehmen müssen pro Gemeinde, in der sie Betriebsstätten haben, ORF-Beitrag zahlen. Wie viele Beiträge anfallen, orientiert sich an der Lohnsumme; es können bis zu 100 pro Firma werden. Einpersonenunternehmen sind ausgenommen.
  • Bis zu 100 Millionen aus Budget. Die bisher auf die GIS eingehobene Mehrwertsteuer auf ORF-Beiträge entfällt mit 2024 – und mit ihr die Möglichkeit des ORF, Vorsteuerabzug geltend zu machen. Die Republik überweist dem ORF künftig zum Ausgleich 70 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kommen 2024 30 Millionen Euro aus dem Bundesbudget, damit der ORF das Radio-Symphonieorchester bis 2026 weiterführt und den Spartenkanal ORF Sport Plus als Fernsehprogramm. 683 Millionen Euro für 2024 plus 100 ergibt 783 Millionen im kommenden Jahr. 2025 und 2026 kommen je zehn Millionen Euro für RSO und ORF Sport Plus vom Bund.
  • Streaming. Das neue ORF-Gesetz erlaubt dem ORF, Audio- und Videobeiträge eigens für das Netz zu produzieren. Es gestattet bis zu 80 Nachrichtensendungen pro Woche für das Netz mit jeweils maximal 20 Minuten – mehr als alle großen ZiBs im TV zusammen. Das Gesetz schreibt dem ORF ein über den Beitrag finanziertes Streamingangebot für Kinder mit einem linearen Kinderkanal vor. Der ORF plant mit dem Gesetz zudem eigene Streamingangebote für jüngere Zielgruppen auf Plattformen wie Tiktok und Youtube – eine Kooperation mit dem ARD-ZDF-Angebot Funk ist da Thema. Der TV-Spartenkanal ORF Sport Plus soll von einem Sport-Streamingangebot abgelöst werden.
  • Textlimits für ORF.at. Reine Textmeldungen auf ORF.at werden auf 350 pro Woche reduziert. Gut doppelt so viele Audio- und Videonachrichtenbeiträge sind möglich – festgelegt sind 70 Prozent Video/Audio und 30 Prozent Textbeiträge online im Infobereich.
  • Offenlegung der Bezüge. Der ORF muss ab 2024 veröffentlichen, wie viele seiner (im Konzern) 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine von sieben Gehaltskategorien fallen – von unter 50.000 pro Jahr bis über 300.000. Nebeneinkünfte sind in fünf Kategorien zu veröffentlichen, bis "über 12.000 Euro". Für Jahreseinkommen über 170.000 Euro ist das Einkommen namentlich zu veröffentlichen, samt Einkünften aus Nebentätigkeiten. Gegen diese Verpflichtung könnte etwa der ORF-Betriebsrat Beschwerden einlegen. Der Rechtsweg wirkt auch vorgezeichnet für die Streichung von Zulagen und die Kürzung alter Abfertigungsregelungen.

(Harald Fidler, 5.7.2023)