Auf einer modernen Wohnungstüre neben einem altem schmiedeeisernen Torflügel ist ein Fotografierverbotsschild aufgehängt.
Im Zuge des Umbaus des Landesgericht für Strafsachen Wien treffen beim Großen Schwurgerichtssaal alte Baukunst und zeitgenössische Massenware aufeinander. Fotografiert werden darf beim BVT-Prozess immer noch nicht.
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Wien - Nachgerade musikalisch endet der Amtsmissbrauchsprozess gegen drei ranghohe Mitarbeiter des früheren Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und einen leitenden Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA). "Sie wollten im Konzert der Großen mitspielen!", wirft der Anklagevertreter von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Geheimdienstlern in seinem Schlussplädoyer vor. "Und beim Stichwort Konzert fällt mir ein Schlagertitel ein: 'Warum hast Du nicht Nein gesagt?'", prangert er das aus seiner Sicht aus einer Kooperation des BVT mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad entstandene "Schlamassel" um einen syrischen General an.

Zur Erinnerung: Aus Sicht der Anklagebehörde hat der General, der Regimegegner in einem syrischen Gefängnis gefoltert haben soll, im Jahr 2015 auf Wunsch der Israelis zu Unrecht in Österreich statt in Frankreich Asyl bekommen, da BVT und BFA ihre Befugnisse überschritten haben sollen. Selbst als die Vorwürfe möglicher Kriegsverbrechen konkreter wurden, hätten die Angeklagten den Mann geschützt, ist die WKStA überzeugt. Und schließlich hätten die Geheimdienstmänner auch noch unerlaubt Erkundigungen in den Niederlanden eingeholt, wo eine NGO, die den General suchte, residierte. 

Deutscher Schlager und James Bond

Der offenbar im deutschen Schlagergenre versierte Oberstaatsanwalt verdammt die vier erschienenen Angeklagten aber nicht in Grund und Boden. "Ich gehe auch davon aus, dass sie 99 Prozent ihres Berufslebens gut gearbeitet haben, aber dieser eine Fall ist schief gegangen." Das BVT hätte dem Mossad nie einen Asylstatus für den General zusichern dürfen, da es verwaltungstechnisch dafür nicht zuständig sei.

Und der BFA-Mann hätte in einem Mail nicht darauf hinweisen dürfen, dass der Akt des Generals auch einfach drei Monate liegen gelassen werden könnte, da dann automatisch Österreich und nicht mehr Frankreich zuständig sei. "Durch einen solchen Vorgang ist das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Verwaltung mit Füßen getreten worden!", prangert er an. Um am Ende James Bond ins Spiel zu bringen: Die Mitarbeiter des BVT "haben keine Lizenz zum Töten, sondern müssen sich an die Gesetze halten", appelliert er an das Schöffengericht unter Vorsitz von Petra Schindler-Pecoraro.

Mit Klaus Ainedter hat aber auch einer der Verteidiger durchaus musikalische Grundkenntnisse. Wie seine Anwaltskollegen kritisiert er vehement, dass sich die Anklage vor allem auf Annahmen stütze und verwendet dafür ein Sprachbild mit einem der ältesten Saiteninstrumente der Welt: "Es kam nur die alte Leier, dass es einen Tatplan gegeben haben soll, in den alle verwickelt waren. Das ist Humbug!"  

Beweissuche mit U2

Selbst der Vorgesetzte des angeklagten Asylbehörden-Mitarbeiters habe schriftlich und als Zeuge bestätigt, dass das Asylverfahren für den syrischen General rechtmäßig abgelaufen sei. Daher sei bereits die Grundannahme der WKStA - die zum Amüsement der Vorsitzenden von einem nicht am Prozess beteiligten Anwalt in einem Schreiben irrtümlich als Wirtschafts- und Korruptionsanstalt bezeichnet wird - es sei zu einem Amtsmissbrauch gekommen, falsch. Ebenso würden für weiter Vorwürfe konkrete Beweise fehlen. Also empfiehlt auch Ainedter ein Lied: "I still haven't found what I'm looking for." 

Der Schöffensenat berät fast eineinhalb Stunden, ehe Vorsitzende Schindler-Pecoraro das Urteil verkündet: Alle vier Angeklagten werden von den Vorwürfen freigesprochen. In der Begründung spart sie nicht mit Kritik an der Anklagebehörde: Die hätte nicht alle objektiven Umstände so berücksichtigt, wie der Senat es getan habe. Es habe keine illegale Anwendung des Asylrechts vorgelegen, stellt sie klar, sie kann auch kein Motiv erkennen. "Die Entscheidung zur Kooperationsvereinbarung fiel auf anderer Ebene, das einzige, was die Angeklagten davon hatten, war viel Arbeit." Da die Ankläger keine Erklärung abgeben ist das Urteil nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 10.7.2023)