Sie wühlt sich durch billigere Angebote, er rechnet größere Investitionen durch – so sieht die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen in finanziellen Angelegenheiten oft noch heute aus. 
Frauen schauen, wo das Gemüse billiger ist, Männer, wie das Haus finanziert wird, erzählt Larissa Kravitz.
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In unserer aktuellen "Feministischen Gewissensfrage" haben wir nachgefragt, warum Frauen oft noch immer schwer einen Zugang zu Investitionen, Aktienmärkten und ETFs finden. Larissa Kravitz hat sich auf die Finanzbildung von Frauen spezialisiert und beobachtet noch immer gravierende Unterschiede bei der Arbeitsteilung bei Investitionen und Finanzen zwischen Männern und Frauen. 

STANDARD: Kümmern sich Frauen tatsächlich weniger um Finanzen, oder ist das ein Vorurteil?

Kravitz: Man muss bei Finanzen unterscheiden. Frauen kümmern sich oft um den Kleinkram und die Männer um die großen Entscheidungen. Während die Frauen schauen, wo sie das Biogemüse günstiger bekommen, und sich um das Management des Haushalts kümmern, schauen die Männer, wie sie investieren oder das gemeinsame Haus finanziert wird. Und sehr oft höre ich: Wenn Frauen anfangen zu investieren und mit ihrem Partner darüber sprechen, erfahren sie dann erst, dass er schon seit Jahren investiert.

Dass Geld Männersache ist, ist noch immer kulturell bedingt. In anderen Ländern ist es anders. In China zum Beispiel ist es normal, dass die Frau die gesamten Finanzen der Familie managt.

STANDARD: Warum gibt es diese verbreitete Scheu von Frauen vor größeren finanziellen Entscheidungen in Österreich?

Kravitz: Ein großes Thema ist die Finanzbildung, die ist in Österreich katastrophal. Es gibt jetzt zwar eine Initiative aus dem Finanzministerium, das ist super – nur hätte es das schon vor 30 Jahren gebraucht. Viele haben ganz zu Recht die Angst, an schlechte Berater:innen zu geraten, denn die meisten Menschen in Österreich können nicht einschätzen, ob eine Beratung gut ist oder nicht. Man muss zwar auch bei der Produktbildung ansetzen, etwa wie EFTs funktionieren. Aber eines der Kernthemen ist: Wie kann ich entscheiden, ob ein Anbieter gut ist oder nicht?

STANDARD: Und wie erkennt man das?

Kravitz: Da gibt es verschiedene Faktoren. Man muss etwa immer auf das Geschäftsmodell schauen. Es muss einem auch bewusst sein, dass Vermögensberater:innen ihr Geld mit Abschlussprovisionen verdienen. Ich bin derzeit die einzige Honorarberaterin in Österreich. Was die Produkte betrifft: Bei fondgebundener Lebensversicherung bin ich sehr skeptisch, dieses Produkt hat einfach zu viele versteckte Gebühren. 

Politisch ist ein Problem, dass in Österreich die neutrale Pensionsvorsorge von Parteien kaum beworben wird. Die Neos und die Grünen machen es ein bisschen – aber die SPÖ lehnt jegliche private Altersvorsorge ab.

STANDARD: Wie kann ich eine private Pensionsvorsorge machen, wenn das Geld gerade einmal bis zum Monatsende reicht?

Kravitz: Menschen im Niedriglohnsektor rate ich zuallererst, sich Arbeitgeber mit betrieblicher Vorsorge zu suchen, so wird dann zur staatlichen Pension vom Arbeitgeber dazugezahlt. Die Gewerkschaften haben schon angefangen, die betriebliche Vorsorge in Kollektivverträge hineinzureklamieren. Wir brauchen eine Gesamtdurchdringung aller Unternehmen mit betrieblicher Vorsorge. Das würde Geringverdiener:innen immens helfen.

Die Rendite bei den Betriebspensionen liegt im Schnitt bei 3,9 Prozent pro Jahr – wenn es ein schlechtes Jahr am Markt gibt, hat die betriebliche Vorsorge schlechtere Renditen. Dann beschweren sich alle, dass das so unsicher ist. Die betriebliche Vorsorge hat ein schlechtes Image, aber das ist ungerechtfertigt, und für die Zinspolitik können Betriebspensionen ja nichts.

Larissa Kravitz (38) ist Vermögensberaterin und betreibt den Podcast
Larissa Kravitz (38) ist Vermögensberaterin und betreibt den Podcast "Investorella". Kravitz hat Bank- und Finanzwirtschaft und Finance studiert und 20 Jahre für verschiedene internationale Banken, Immobilienfonds und Energiekonzerne gearbeitet. Seit 2019 ist sie auf die Finanzbildung von Frauen spezialisiert.
Nadine Studeny

2022 war ein schlechtes Jahr für die Pensionskassen. Überall war zu lesen, dass es bei den Betriebspensionen 17 Prozent Kürzungen gibt. Doch wie stark die Kürzungen letztendlich ausfallen, ist unterschiedlich. Erst wurde über extrem hohe Kürzungsrisiken berichtet, doch dann gab es kein Follow-up zu den tatsächlichen Kürzungen. Das war auch in den Vorjahren so.

Die durchschnittliche Betriebsrente lag 2022 bei 450 Euro, 2021 bei 446 Euro zusätzlich zur staatlichen Pension. Zudem kosten sie die Betriebe wenig. Die Niederlande, Schweden und die Schweiz haben die Betriebsrenten bereits fest verankert.

STANDARD: Sie sagen, Frauen hätten einen biologischen Vorteil zu investieren. Wie meinen Sie das?

Kravitz: Die Handelsräume in den USA und England schauen mittlerweile stark auf das ausgewogene Geschlechterverhältnis. Erhebungen zeigen etwa, dass bei den Privatdepots Frauen ein besseres Risikoverständnis haben. Es gibt auch einige Studien, dass weibliche Fondmanager besser veranlagen als männliche – und das hat mit Testosteron zu tun. Um langfristig gut zu investieren, ist es in erster Linie wichtig, dass man große Verluste meidet – das tun Männer nicht. Andererseits ist es aber auch ein Problem, dass Frauen oft zu risikoavers sind und manchmal einfach zu lange warten.

Doch mit einem Anstieg des Bildungsgrades verschwinden die Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei finanziellen Entscheidungsprozessen zunehmend. Sie gleichen sich etwa mit dem Bildungsgrad Master of Finance an. Intuitive Entscheidungen werden weniger, und man hält sich an das, was man in der Ausbildung gelernt hat.

STANDARD: Der Gender-Pension-Gap liegt in Österreich bei 41 Prozent. Welche Möglichkeiten haben Frauen, diesen zu verringern?

Kravitz: Die böse Antwort wäre: kein Kind bekommen. Denn wir haben eigentlich keinen Gender-Pay-Gap, sondern einen Motherhood-Pay-Gap. Der reine Gender-Pay-Gap zwischen Männern und kinderlosen Frauen ist gering und liegt bei etwa sieben Prozent. Doch diese Antwort passt natürlich nicht in die Lebensplanung der Menschen. Und es ist auch brutal, dass Frauen weniger Lebenseinkommen haben, nur weil sie ein Kind bekommen – und ihnen damit wesentlich weniger Pension blüht. Vonseiten der Politik frage ich mich, wo das automatische Pensionssplitting mit einer Opt-out-Option bleibt, das im Regierungsprogramm angekündigt wurde. Das wäre ein erster wichtiger Schritt. Egal, ob man verheiratet oder in keiner Beziehung ist, wenn das Kind zur Welt kommt. Das würde enorm vielen Frauen etwas bringen. Bei der jetzigen Opt-in-Option nutzen es die Frauen nicht, sondern vor allem Männer mit gutverdienenden Partnerinnen.

Es gibt sicher viele sozialversicherungsrechtliche Aspekte, die man beachten muss, und ich verstehe, dass es komplex ist. Aber es würde den Gender-Pay-Gap reduzieren.

STANDARD: Ein Argument gegen das Pensionssplitting lautet, dass dann Frauen erst recht vom Arbeitsmarkt fernblieben und sich auf das Einkommen des Kindsvaters verließen.

Kravitz: Das ist ja eigentlich ein Argument des Drucks. Wenn es zum Beispiel um die Zuverdienstgrenze bei Arbeitslosen geht, dann gibt es auch einen riesigen Aufschrei, aber wenn es darum geht, Mütter kleiner Kinder unter Druck zu setzen, bleibt es ruhig. Ich bin absolut für den Ausbau der Kinderbetreuung, aber so etwas darf nicht mit Druck gemacht werden, vielmehr mit Pull statt mit Push. Es soll nicht jedes Kind mit einem Jahr in die Betreuung müssen. Kinder sind unterschiedlich, gerade bei kleinen Kindern sind ein paar Wochen für Entwicklungssprünge manchmal wichtig, manche sind erst mit eineinhalb oder zwei Jahren so weit.

STANDARD: Die andere Option wäre, dass endlich mehr Männer daheimbleiben, oder?

Kravitz: Eine Studie hat gezeigt, dass Männer eher daheimbleiben, wenn die Frau gut verdient. Da fängt es also schon an. Es ist auch eine logische ökonomische Entscheidung, wie man daran sieht. (Beate Hausbichler, 13.7.2023)