Im Jahr 1996 zu Ö3 gekommen, führte Georg Spatt die Cashcow des ORF mehr als 20 Jahre als Senderchef. Erfolgreich und umstritten. Jetzt übergibt er das Zepter an Michael Pauser – DER STANDARD berichtete. Über seine berufliche Zukunft hüllt sich Spatt noch in Schweigen. Die Entscheidung werde im Herbst fallen. Dass er in anderer Funktion beim ORF bleibt, schließt er allerdings aus.

STANDARD: Als Sie im Mai 2023 Ihren Rückzug angekündigt haben: Welche Rolle hat dabei die geplante Neuaufstellung der ORF-Radioflotte gespielt und Ihr Verhältnis zu ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher?

Langzeitchef Georg Spatt nimmt Abschied von Ö3.
Streitbar, umstritten, erfolgreich: Langzeitchef Georg Spatt nimmt Abschied von Ö3.
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Spatt: Es hat zur Zäsur gepasst. Ich mache den Job schon sehr lange und erfolgreich. Es ist normal, dass man sich mit einer neuen Geschäftsführung austauscht und die Meinungen teilweise verschieden sind. Das ist aber nicht automatisch ein Konflikt, sondern eine Frage, die sich bei mir immer wieder gestellt hat – auch bei den Geschäftsführungen davor. Es ist kein Geheimnis, dass ich mich selbst für die Radiodirektion interessiert habe. Dass man im Zuge der Zusammenarbeit zum Schluss kommt, dass der Zeitpunkt ein guter ist und man sagt: Okay, dann lasse ich es bleiben. Diese Überlegung gab es in den letzten Jahren immer wieder.

STANDARD: Sie sind im Jahr 1996 zu Ö3 gekommen, als es gerade einmal zwei private Konkurrenzsender gab. Jetzt ist der Radiomarkt komplett fragmentiert.

Spatt: Ich gehöre zu der glücklichen Generation, dass mein Radio-Berufsleben ein wilder Ritt, verbunden mit sehr viel Innovation und Veränderung ist. Ich habe begonnen, Radio zu machen, als der ORF das Radiomonopol hatte. Ich war dann bei sogenannten Piratensendern aus Ungarn und der Slowakei, um gegen den ORF zu spielen. Ich bin dann nach einer kurzen Phase in der Werbebranche als Selbstständiger mit der dualen Phase zum ORF, zu Ö3, gegangen.

Ö3 ist nach Heiligenstadt gezogen mit der strategischen Devise der Geschäftsführung, Ö3 marktfit zu machen und für den Wettbewerb auszurichten. Das war der Beginn einer großen Markengeschichte, die immer sehr umstritten, aber sehr erfolgreich war. Das war eine tolle, intensive, aber auch sehr streitbare Zeit, weil Ö3 als Sender ganz klar ein Wettbewerbsprodukt ist. Ich habe das sehr gemocht.

STANDARD: Liegt das in Ihrem Naturell, und braucht man das, um sich als Ö3-Chef behaupten zu können? Ö3 ist ja seit jeher Feindbild der privaten Konkurrenz.

Spatt: Na ja, das Streitbare ist wohl in Verbindung mit Konkurrenz ein Teil dieser Aufgabe. Ob das in meinem Naturell liegt? Wahrscheinlich auch ein bisschen, aber das muss man eher andere fragen. Manche sagen, ich sei streitbar, andere sagen das Gegenteil, dass ich autistisch agiere. Da habe ich in den letzten 20, 25 Jahren verschiedene Zuschreibungen gehört. Wahrscheinlich stimmen die alle ein bisschen (lacht).

"Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten 25 Jahren Ö3 und wie der Sender geführt wird nicht kritisiert wurden. Das gehört zum Job."

STANDARD: Im Zuge Ihres Abgangs gab es auch viele Beschwerden bezüglich Ihres Führungsstils.

Spatt: Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten 25 Jahren Ö3 und wie der Sender geführt wird nicht kritisiert wurden. Das gehört zum Job. Sowohl von außen als auch innerhalb des ORF, wo es verschiedene Meinungen gibt. Auch was die strategische Ausrichtung, die Bedeutung und die Positionierung von Ö3 betrifft. Da geht es um die Ressourcenverteilung oder Personalentscheidungen. Das hat sowohl mit der Aufgabenstellung des Senders als auch mit mir als Person zu tun. Das kann man nach so langer Zeit nicht voneinander trennen.

STANDARD: Trotz des fragmentierten Radiomarkts kommt Ö3 immer noch auf Marktanteile von 30 Prozent und mehr – und dennoch fehlt oft die Wertschätzung, die im ORF eher Ö1 und FM4 bekommen. Schmerzt das?

Spatt: Das hängt sehr davon ab, wen man fragt und von wo man sich sein Feedback holt. Da kann und will ich mich nicht beklagen, auch wenn ich teile, was Sie sagen, dass in der medialen Wahrnehmung zu Recht Ö1 und FM4 viel Zuneigung und Wertschätzung bekommen. Vom Publikums- und Werbemarkt ist aber der Zuspruch für Ö3 sehr groß. Die Marktanteile und Reichweiten kann man nicht nur in Zahlen messen, sondern auch an den Reaktionen des Publikums.

Wir konnten mit Ö3 sehr viel bewegen. Ob in den Bereichen Service, Information, Unterhaltung oder Soziales. Da kommt viel Wertschätzung. Und hausintern habe ich nach meiner Verabschiedung gemerkt, wie sehr die Arbeit von Ö3 geschätzt wird – auch von Kolleginnen und Kollegen, bei denen man es nicht vermuten würde.

STANDARD: Inwiefern?

Spatt: Dass etwa die Arbeit von Ö3 im Bereich Information sehr geschätzt wird. In Studien wie dem Digital News Report ist Ö3 immer vorn dabei, wenn nicht sogar die führende Informationsmarke des ORF. Das hat sehr stark mit der großen Reichweite zu tun, aber auch damit, dass es uns gelungen ist, während der letzten Jahre unsere Images und Kompetenzen in puncto Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit zu pflegen und zu halten.

STANDARD: Ihr ständiger Wegbegleiter ist die Diskussion, dass Ö3 nicht öffentlich-rechtlich sei.

Spatt: Ö3 ist zutiefst öffentlich-rechtlich. Ich verstehe die Diskussion, ja, und ich habe sie streitbar sowohl nach innen als auch nach außen geführt. Ich gehöre stark zu jener Fraktion, die den öffentlich-rechtlichen Charakter des ORF über die Rechtsform definiert. Das heißt Qualität, Verlässlichkeit und die öffentlich-rechtlichen Aufträge, die definiert sind und für Ö3 genauso gelten. Es war insgesamt für eine Demokratie wie Österreich eine freiwillige Entscheidung zu sagen, wir wollen ein öffentlich-rechtliches Medienhaus. Dass Ö3 mit seiner Grundversorgung mit Information, Service, Emotionalität oder Unterhaltung ganz massiv für den öffentlich-rechtlichen Auftrag steht, halte ich für unbestritten.

"Ich glaube, dass es qualitativ und inhaltlich massive Unterschiede zwischen Ö3 und den Mitbewerbern gibt."

STANDARD: Das sehen die Privaten massiv anders. Sie argumentieren, dass sie genau das Gleiche leisten, aber ohne sich auf die Gebührengelder stützen zu können.

Spatt: Es ist eine Grundsatzentscheidung, was eine Gesellschaft will. Das muss die Politik beantworten, und das hat sie auch mit dem neuen ORF-Gesetz getan. Ich glaube, dass es qualitativ und inhaltlich massive Unterschiede zwischen Ö3 und den Mitbewerbern gibt. Das soll jetzt kein wertendes Urteil sein, weil ich finde, dass der Markt hervorragende Arbeit macht. Ich schätze die Arbeit der Mitbewerber sehr. Wir empfinden eine Freude und Verantwortung, etwas für die Gesellschaft beizutragen. Und das auf eine Art und Weise und in einer Sprache, dass Ö3 innerhalb des ORF sicher die Marke und das Produkt mit der stärksten Ausrichtung für die junge Zielgruppe ist. Da ist uns sehr viel gelungen.

STANDARD: Wie schwierig ist dieser Spagat, die Jungen zu erreichen und dabei die Älteren nicht zu verlieren?

Spatt: Dieser Spagat oder diese Balance ist für Ö3 einerseits, aber auch für das Gesamtportfolio der ORF-Angebote das große Thema der letzten Jahre. Das war auch bei der Diskussion zum neuen ORF-Gesetz so, dass es um Zielgruppen geht und über welche Medien ich sie erreiche. Was der ORF alles machen soll und was nicht.

"Die Wettbewerbslast ausschließlich auf Ö3 zu haben, wie das in den letzten 20 Jahren der Fall war, wäre meiner Meinung nach für die nächsten Jahre ein schwieriger Weg."

STANDARD: Wo muss Ö3 hin im Kampf um junge Zielgruppen, wenn es sich gegen Konkurrenten wie Kronehit behaupten will? Ist Ö3 schon dort, wo es sein soll?

Spatt: Als nicht mehr dafür Zuständiger möchte ich nicht so sehr von der Outlinie mit klugen Ratschlägen dastehen, noch dazu weiß ich, wie schwer es ist. Die entscheidende Frage war und wird sein, das Thema Wettbewerb nicht nur über den einen Player Ö3 im Radio zu lösen, sondern eine Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Audioangeboten zu finden. Die Wettbewerbslast ausschließlich auf Ö3 zu haben, wie das in den letzten 20 Jahren der Fall war, wäre meiner Meinung nach für die nächsten Jahre ein schwieriger Weg.

STANDARD: FM4 etwa, das bei drei oder vier Prozent Marktanteil liegt, sollte zulegen?

Spatt: Das ist ein Punkt, der mir in den letzten Jahren viel Kritik eingebracht hat. Intern habe ich offen darüber kommuniziert, ich möchte aber nicht von außen mit einzelnen Schlagzeilen dazu beitragen. Das müssen die Verantwortlichen diskutieren. Wir haben das in den letzten Jahren debattiert und sind manchmal zu guten, manchmal aber auch zu nicht nachhaltigen Lösungen gekommen.

STANDARD: Öffentlich wollen Sie sich nicht dazu äußern?

Spatt: Ich möchte nichts zu einzelnen Sendern sagen. Das müssen die Verantwortlichen machen. Es werden aber sicher Entscheidungen fallen müssen, die nicht nur für Applaus sorgen werden. Diese Meinung habe ich auch in den letzten Jahren immer deutlich gesagt.

STANDARD: Ö3 hat laut aktuellem Radiotest in der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 40-Jährigen vier Prozentpunkte verloren und liegt jetzt bei 32 Prozent nach 36 Prozent ein Jahr davor. Ein Verlust, der zum Abschied schmerzt?

Spatt: Nein, das tut nicht weh. Das hat mich und uns als Ö3-Team auch in den letzten Jahren nicht geschmerzt, weil wir ja wissen, was hinter den Ergebnissen steht. Uns ist klar, dass wir in diesem Wettbewerbsumfeld Überreichweiten und Übermarktanteile haben, die so nicht zu halten sind. Das hat auch mit den technologischen Veränderungen zu tun, aber auch mit methodischen beim Radiotest. Beim Radiotest spiegeln sich viele verschiedene Entwicklungen wider. Das geht bis hin zu den Themen, die wir beim ORF-Gesetz diskutiert haben. Bis zur Diskussion, was soll der ORF an eigenständigen Audioprodukten anbieten dürfen und was nicht?

Dass Ö3 neben der blauen Seite ein großes Thema war, verstehe ich. Das ist ein weiterer Teil der Wertschätzung für unsere und meine Arbeit der letzten Jahre. Das betrifft alle Medienhäuser, auch den STANDARD, dass sie ihr Produkt, ihre Marke übersetzen müssen für andere Formate und andere Technologien. Etwa, dass man sich auf Social Media so präsentiert, wie man dort präsent sein muss. Der Radiotest zeigt, wie massiv stark das Radio unverändert als Medium genutzt wird: steigende Reichweiten, steigende Hördauer. Das sind die wichtigsten Ergebnisse. Von einem aussterbenden Medium kann keine Rede sein.

"Ö3 ist jünger geworden, das ist uns gelungen. Ich kann mit der steigenden Reichweite bei sinkenden Marktanteilen sehr gut leben."

STANDARD: Dass die Marktanteile und die Reichweiten sinken, ist kein großes Drama, weil das Niveau so hoch ist?

Spatt: Die Reichweiten sinken gar nicht, sie steigen. Ich freue mich über den Radiotest, weil dahinter die Überlegungen stecken, die wir gemeinsam angestellt haben. Die Überlegung von Ö3 war, dass wir als Marktführer immer wieder durch Innovationen und Erneuerungen punkten und am frischesten auftreten, obwohl wir am längsten am Markt sind. Wir haben in den letzten zwei Jahren den Sender in der Musikprogrammierung, der Personalpolitik oder in der Aufstellung der Wortformate – etwa in der Information – sehr stark in Richtung Innovation getrimmt.

Das kostet automatisch auch Verlässlichkeit, weil man Stammhörerinnen und Stammhörer verschreckt. Das kennen alle Medienmacher und Medienmacherinnen. Neues wird gefordert, aber meistens im ersten Moment nicht wahnsinnig gemocht. Man erarbeitet sich damit aber auch neue Hörerschichten. Ö3 ist jünger geworden, das ist uns gelungen. Ich kann mit der steigenden Reichweite bei sinkenden Marktanteilen sehr gut leben.

"Ö3 ist im Vergleich zu den Privaten nicht nur weit vorn, sondern in einer anderen Dimension. Unser Wettbewerb greift nicht auf den Marktvorteil von mehr österreichischer Musik zu."

STANDARD: Apropos Musikprogrammierung. Es gibt seit vielen Jahren das Wehklagen, dass bei Ö3 heimische Musikerinnen und Musiker unterrepräsentiert sind. Zuletzt lag der Anteil der Austro-Musik bei 18 Prozent. Können Sie diese Kritik nachvollziehen? Hat Österreich nicht so viele gute Bands?

Spatt: Ich kann diese Kritik gut nachvollziehen, und es gibt wahnsinnig viel gute österreichische Musik. Das Schwierige an der Diskussion ist nicht die Qualität und Menge der österreichischen Musik, sondern die Bedürfnisse des Mediums Radio. Die Anforderungen, die das Publikum stellt, und die Angebote, die die Musik liefert. Es gilt, sie zusammenzubringen, dass daraus ein gutes Gesamtprodukt wird. Und das hat wiederum auch wieder mit der Aufstellung des gesamten ORF-Radioangebots zu tun.

Ö3 ist im Vergleich zu den Privaten nicht nur weit vorn, sondern in einer anderen Dimension. Unser Wettbewerb greift nicht auf den Marktvorteil von mehr österreichischer Musik zu. Ich will das nicht bewerten. Wir haben immer versucht, uns sehr stark mit der Branche auseinanderzusetzen. Bei allem Streit haben wir hinter den Kulissen sehr viel Gemeinsames geschafft.

STANDARD: Warum spielt Ö3 dann nicht mehr als 18 Prozent? Auch wenn man Gefahr läuft, vielleicht ein oder zwei Prozent Marktanteile zu verlieren, aber dafür junge Künstlerinnen und Bands pusht und ihnen zum Durchbruch verhelfen kann.

Spatt: Bei den 18 Prozent können wir diskutieren, wie viel an Förderung da schon drinnen ist. Das kann man je nach Standpunkt und Perspektive anders sehen, deswegen der Hinweis auf die Privaten. Wir investieren hier viel. Ich würde es aber nicht so formulieren wie Sie, dass wir das abgleichen und abtauschen mit Marktanteilen. Österreichische Musik vertreibt kein Publikum.

STANDARD: Bei FM4 sind es 40 Prozent. Wenn die österreichische Musik so gut ist und keine Hörerinnen und Hörer vertreibt, warum spielt man dann nicht noch mehr?

Spatt: Der Musikmarkt ist wie überall sehr verschieden. Es ist ein großer Unterschied, ob ich auf ein Konzert gehe, lege ich mir eine CD auf, mache ich mir eine Playlist auf Spotify oder höre ich Radio. Das Medium Radio wie es Ö3 und viele im Markt definieren, hat eine klare Erwartungshaltung. Die heißt nicht unbedingt, dass ich mich bewusst mit neuer Musik auseinandersetze, die ich nicht kenne. Das ist ein Spezifikum des Begleitmediums Radio, wie sich Ö3 versteht. FM4 versteht sich anders. Eher wie ein Magazin, das bewusst gehört wird. Selbst Menschen, die ein großes Interesse an ausführlichen Nachrichten haben, wären trotzdem nicht dafür, dass sie auf Ö3 Langformate bekommen.

Die Erwartungshaltung an Ö3 ist: Bitte informiere mich kurz, schnell, unabhängig und kompetent. Für die anderen Dinge habe ich eine Fülle an anderen Medienangeboten, wo ich mich zeitautark anderen Themen wie etwa der Justizreform in Israel widmen kann. Natürlich kann man auch sagen, dass Ö3 ausführlichste Hintergrundberichterstattung über Weltpolitik machen sollte. In der Aufgabenverteilung ist aber klar, dass in den Langformaten etwa Ö1 sehr gut ist.

"Würde man sich den Spotify-Konsum ansehen, wie viel österreichische Musik in Österreich gehört wird, sind wir wahrscheinlich bei unter einem Prozent oder so."

STANDARD: Und Ö3 andere Aufgaben hat?

Spatt: Meine Überlegung für Ö3 ist, es dem Medium gerecht und medienkonsumgerecht zu programmieren. Da kommen wir auf die Musikprogrammierung, und da gibt es gerade auch beim jungen Publikum einen riesigen, weltweit erfolgreichen Markt im Bereich der Pop- und Rockmusik, der einem quantitativ recht kleinen Angebot aus Österreich gegenübersteht. Das hat mit der Qualität nichts zu tun. Es gibt ein hohes Maß an Nachfrage nach dieser Musik, die kann Ö3 nicht auslassen, wenn es in dem Wettbewerb stehen soll. Das geht von 1967 von den Beatles und den Stones bis Taylor Swift heutzutage ziemlich unverändert. Ö3 steht auf dem Fundament des aus dem angloamerikanischen Raum kommenden Angebots aus Rock und Pop. Das ist eine Charaktereigenschaft von Ö3. Da steht ein Weltmarkt gegen den österreichischen Markt.

So gesehen sind diese von Ihnen zitierten 18 Prozent schon anders zuzuordnen. Würde man sich den Spotify-Konsum ansehen, wie viel österreichische Musik in Österreich gehört wird, sind wir wahrscheinlich bei unter einem Prozent oder so. Oder am Musikkaufmarkt. In den Jahrescharts kommt da wenig österreichische Musik vor. Das ist keine Kritik an der österreichischen Musik, sondern dem Weltmarkt geschuldet. Ich verstehe trotzdem die Kritik, dass man sich mehr wünscht. Und wir haben uns in den letzten Jahren darum bemüht.

STANDARD: Umstritten ist auch Gerda Rogers mit ihren "Sternstunden". Eine Astrologiesendung mit Ratschlägen, die viele für bare Münze nehmen und sich bei ihren Lebensentscheidungen daran orientieren. Wie sehen Sie die Kritik?

Spatt: Die Kritik begleitet mich und den Sender schon lange. Dieses Thema habe ich ähnlich wie die Diskussion über die österreichische Musik bereits von meinem Vorgänger übernommen. Meine Meinung ist klar. Sowohl Frau Rogers als auch die "Sternstunden" sind österreichische Mediengeschichte. Wahnsinnig beliebt, wahnsinnig bekannt. Mit dem Zusatz, dass das eine Unterhaltungssendung ist. Das Thema Horoskope betrifft ja nicht nur Ö3, sondern alle Medien. Das ist der Unterhaltung zuzuordnen und wird auch so von uns präsentiert. Wenn es da zu Missverständnissen kommt, ist das eine Kritik, die ich nachvollziehen kann und der wir auch immer wieder nachgegangen sind.

STANDARD: Die Zuhörerinnen und Zuhörer können das richtig einordnen?

Spatt: Das ist im Journalismus eine der entscheidenden Fragen. Ich hoffe und glaube: Ja. Ich weiß um die Verantwortung, die eigene Arbeit immer wieder kritisch zu hinterfragen. Werde ich richtig wahrgenommen? Kommt unsere Absicht so an, und wird sie so verstanden?

STANDARD: Gelingt das Ihrer Meinung nach, und gibt es viele Reaktionen darauf?

Spatt: Ja, sonst hätte ich das in den letzten Jahren auch nicht verantwortet. Frau Rogers ist eine hervorragende Medienmacherin und wichtige Ö3-Mitarbeiterin. Die Sendung polarisiert sehr stark. Genauso wie markante, große Sendungen wie "Frühstück bei mir", Persönlichkeiten wie Robert Kratky oder die Samstagnachmittagssendung "Frag das ganze Land". Die vielen Reaktionen sind ein großer Teil der Wertschätzung, wobei ich aber nicht zynisch sagen möchte, dass mir die Art der Reaktion egal ist, Hauptsache, es wird reagiert. Wir schauen uns sehr genau an, wie das Feedback lautet. Und wir nehmen die Kritik ernst, das ist ein Teil der Erfolgsgeschichte.

STANDARD: Robert Kratky hat kürzlich angekündigt, seinen auslaufenden Vertrag bei Ö3 nicht verlängern zu wollen. Wie groß ist das Problem, wenn solche Persönlichkeiten, die der Sender aufbaut, gehen?

Spatt: Persönlichkeiten aufzubauen und sie zu haben, gehört zu den wichtigen und schönen Teilen meiner Arbeit der letzten 20 Jahre. Ö3 ist ein Sender, der sich seinen Erfolg auch über Namen und Marken erarbeitet hat. Das ist im Influencer-Markt derzeit ja ähnlich, dass einzelne Brands dazu beitragen, dass die Dachmarke eine Geschichte erzählt. Ein großer Teil meiner Aufgabe war es, neue Persönlichkeiten zu finden und aufzubauen. Teilweise funktioniert es, dann wieder nicht. Wichtig ist es, Raum für sie zu schaffen. Ihnen die Bühne zu geben, damit die Marke Ö3 und der "Ö3-Wecker" einen Abgang von Persönlichkeiten wie Robert Kratky in einigen Jahren möglichst unbeschadet überstehen und in die nächste Generation gehen. Wir haben zurzeit eine sehr starke, junge Mannschaft. (Oliver Mark, 2.8.2023)