Noch vor dem Jahr 2030 werde das Elektroauto beim Kauf preisgünstiger als der Benziner sein, schreibt der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer in seinem Gastkommentar.

Schwarzes E-Auto von BYD
Der chinesische Autobauer BYD ist auf der Überholspur. Westliche Autobauer wachsen zu langsam.
Foto: Reuters / Toya Sarno Jordan

Die große Hiobsbotschaft kam Anfang April für Volkswagen. Erstmals seit den 1980er-Jahren ist die Marke VW auf dem größten Automarkt der Welt, China, nicht mehr die Nummer eins beim Absatz. Der Autobauer BYD hatte die Marktführerschaft in China übernommen. BYD baut ausschließlich batterieelektrische Autos und Plug-in-Hybride. Und wer in Europa einen Elektrobus sieht, sieht mit hoher Wahrscheinlichkeit einen BYD. BYD beherrscht das Elektroauto und die Batterie noch besser als Tesla.

Vor ein paar Tagen kam der nächste Tiefschlag. Stolz verkündete BMW seine Halbjahresergebnisse. Gleichzeitig stand fest, dass BYD die BMW Group weltweit beim Autoverkauf im ersten Halbjahr hinter sich gelassen hatte. Im Jahr 2021 hatte BMW weltweit noch mehr als dreimal so viele Autos verkauft wie BYD. Im Jahr 2022 ist der BMW-Verkauf um fünf Prozent geschrumpft, aber BYD um mehr als 150 Prozent gewachsen. Und im ersten Halbjahr ist BYD um knapp hundert Prozent gewachsen und BMW gerade einmal um fünf Prozent.

Neue Ära

BYD entwickelt sich noch schneller als Tesla. Beide wachsen exponentiell. Beide verändern die Welt und Europa. Und im Gefolge von BYD sind Marken wie MG, Great Wall, Geely, Nio, XPeng, die mit Elektroautos eine neue Ära des Autos einläuten. Das Auto wird elektrisch – egal, was die alten Maschinenbauingenieure lästern. Der Verbrenner ist ein Auslaufmodell.

In der neuen Welt des Elektroautos werden die Autofabriken vom Kopf auf die Füße gestellt. Porsche hatte vor 30 Jahren die Marketingmaxime: Sie können uns die Farbe des Nagellacks Ihrer Frau geben, und wir bauen in dieser Farbe Ihren 911. Die neue Welt des Autos erinnert an Apple oder Samsung-Smartphones. Nicht die Hardware macht den Unterschied aus, sondern die Apps, sprich 1000 und eine Farbe braucht kein Mensch. Software-Funktionen à la ChatGPT und autonomes Fahren, Reichweite und Ladezeiten der Batterie machen den Unterschied aus. Damit wird die Autoproduktion einfacher und kostengünstiger.

Musterbeispiel Tesla

Ein Musterbeispiel ist Tesla, wo das gesamte Heck und das Vorderteil jeweils in einem Arbeitsgang mit einer riesigen Gießmaschine produziert werden. Deshalb verdient Tesla Geld und kann sich große Preissenkungen erlauben. 95 Prozent aller weltweit verkauften Tesla-Fahrzeuge sind Model 3 oder Model Y. Gebaut in riesigen Fabriken, mit erheblichen Kostenvorteilen gegenüber der alten Autowelt. In diesem Jahr wird Tesla auf 1,8 Millionen Verkäufe kommen, mehr als doppelt so viele wie Škoda. Und wer durch Wien, München oder Amsterdam fährt, glaubt sich im Tesla-Land.

"Bei der Batterie sind immense Kostensenkungen möglich."

Die Batterie ist der Kern des Elektroautos. Bis zu 40 Prozent der Kosten entfallen auf die Batterie. Gleichzeitig gilt, dass bei der Batterie immense Kostensenkungen möglich sind. Eines der Themen ist etwa die Trockenbeschichtung der Elektroden in der Batterieproduktion. Die VW-Tochter PowerCo will das zum Durchbruch bringen und damit Kosteneinsparungen bis zu sieben Prozent realisieren. Lithium ist teuer. Aber BYD hat vor kurzem ein Auto auf den Markt gebracht, das den Strom nicht in einer Lithium-Ionen-Batterie, sondern mit einer Natrium-Ionen-Batterie speichert. Natrium – wir alle kennen das vom Kochsalz – ist Lichtjahre billiger und fast unendlich verfügbar. Diese Batterie ist zwar schwerer als die Lithium-Ionen-Batterie, aber sie macht preiswerte Elektroautos möglich. Noch vor dem Jahr 2030 wird die Feststoffbatterie industriell verbaut werden. Nicht mehr ein flüssiger Elektrolyt lässt dann die Ionen wandern, sondern ein Kunststoff erlaubt schnelles laden, höhere Speicherdichten und garantiert einhundert Prozent Brandschutz.

Teure Verbrenner

Die Preise vom Elektroauto sinken mit jeder Innovation, während der Verbrenner durch seine CO2-Belastungen teurer wird. Weltweit wird CO2 besteuert. Damit steigen die Benzin- und Dieselpreise zusätzlich zu den neuen Abgasreinigungsvorschriften, die einen Verbrenner zu einer teuren Chemiefabrik machen.

Das Elektroauto verdrängt aber nicht nur den Verbrenner, sondern es schafft eine völlig neue Autoindustrie. BMW wird nie mehr mit seinen Verkäufen an BYD vorbeiziehen können. Dazu wächst BMW viel zu langsam, auch die anderen halten nicht mit. Wer schnell wächst, besitzt in der neuen Welt den Skalenvorteil, also die Kostenvorteile durch große Produktionszahlen. BYD und Tesla haben das heute schon. Neue Chinesen rücken nach. Die Pläne von Tesla-Chef Elon Musk lauten, um das Jahr 2030 weltweit zwanzig Millionen Autos jährlich zu verkaufen. Das ist doppelt so viel wie Toyota oder VW. Die Pläne von BYD dürften nicht weniger anspruchsvoll sein. Das zeigt, in welche Sandwichpositionen die westlichen Autobauer mit ihren Verbrennern kommen.

"Die Komplexität eines Verbrennungsmotors braucht man in der Zukunft genauso wenig wie eine mechanische Armbanduhr. Die Oldschool-Ingenieure aus der Verbrennerwelt wollen das nicht wahrhaben."

Extreme Dynamik und exponentielles Wachstum treibt das neue Auto, und das ist beim Pkw das batterieelektrische Auto. Noch vor dem Jahr 2030 ist das Elektroauto beim Kauf preisgünstiger als der Benziner, abgesehen von den deutlich niedrigeren Wartungs- und Verbrauchskosten. Die Komplexität eines Verbrennungsmotors braucht man in der Zukunft genauso wenig wie eine mechanische Armbanduhr. Die Oldschool-Ingenieure aus der Verbrennerwelt wollen das nicht wahrhaben. Aber das ist nicht schlimm, denn sie spielen in der Zukunft ohnehin keine Rolle mehr. (Ferdinand Dudenhöffer, 8.8.2023)