Das Demox-Institut stand mehrfach im Fokus des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses.
APA/EVA MANHART

Schon wieder ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aufgrund von Meinungsumfragen, die von ÖVP-geführten Ministerien in Auftrag gegeben wurden. Schon wieder steht der Verdacht im Raum, dass mit Steuergeldern bezahlte Studien nicht den Ministerien dienten, sondern der ÖVP zugutekamen. Und schon wieder kam es deshalb zu Hausdurchsuchungen. Die neueste Umfragenaffäre, die die ÖVP am Mittwoch heimsuchte, wirft einige Fragen auf. DER STANDARD beantwortet die wichtigsten davon.

Frage: Die ÖVP ist also mit einer neuen Umfragenaffäre konfrontiert. Worum geht es da genau?

Antwort: Die WKStA wirft drei ÖVP-geführten Ministerien vor, mit Steuergeldern Umfragen bezahlt zu haben, von denen nicht die Ministerien selbst, sondern die ÖVP als Partei profitiert haben soll. Konkret sollen in den Jahren 2021 und 2022 Mittel aus dem Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Verteidigungsministerium zugunsten der Volkspartei missbraucht worden sein. Beauftragt wurden die Umfragen in den Jahren 2021 und 2022 beim ÖVP-nahen Demox-Institut.

Frage: Und aufgrund welcher Delikte ermittelt die WKStA nun?

Antwort: Die Behörde hat Mittwochmittag in einer Presseaussendung bekanntgegeben, dass der Verdacht der Untreue, des Betrugs und der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Raum steht. Ermittelt wird gegen fünf namentlich bekannte Beschuldigte und eine unbekannte Person. Drei weitere Personen werden als Angezeigte geführt.

Frage: Und wer sind die Beschuldigten?

Antwort: Um welche Personen, für die die Unschuldsvermutung gilt, es sich handelt, ist bislang nicht bekannt. DER STANDARD fragte allerdings bei einigen Menschen nach, um die es sich handeln könnte. Demox-Geschäftsführer Paul Unterhuber wollte auf Anfrage keine Auskunft geben. Die im Mai des Vorjahres zurückgetretenen ÖVP-Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck werden nicht als Beschuldigte geführt, lassen die beiden wissen. Sie waren in jenem Zeitraum, den die WKStA untersucht, Landwirtschafts- beziehungsweise Wirtschaftsministerin. Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zählt nicht zu den Beschuldigten, heißt es aus dem Ministerium.

Frage: Welche Ermittlungsschritte hat die Staatsanwaltschaft bereits gesetzt?

Antwort: Bestätigt wurde seitens der WKStA, dass Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen an mehreren Standorten durchgeführt wurden. Bekannt ist bislang nur, dass es am Dienstag beim Demox-Institut mit Sitz in Wien zu einer Hausdurchsuchung gekommen ist. In den drei betroffenen Ministerien soll es keine Razzien gegeben haben, heißt es auf STANDARD-Anfrage von Sprecherinnen und Sprechern des Ressorts. Daneben sollen laut WKStA noch weitere, nicht näher definierte, Ermittlungsmaßnahmen gesetzt werden.

Frage: Wie kam es dazu, dass Ermittlungen aufgenommen wurden?

Antwort: Ausgangspunkt war wie so oft eine Anzeige, diesmal von der SPÖ. Das Demox-Institut stand nämlich auch mehrfach im Fokus des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses. Der rote Fraktionsführer Kai Jan Krainer witterte in diesem Zusammenhang bereits im Juni des Vorjahres eine weitere Umfragenaffäre der ÖVP – und brachte mehrere Sachverhaltsdarstellungen ein, die die Ermittlungen ins Rollen gebracht haben. Krainer sieht sich nun jedenfalls in seiner Kritik bestätigt und ortet einen weiteren "Beweis, dass die ÖVP korrupt ist".

Frage: Worum geht es thematisch bei den Umfragen?

Antwort: Inhaltlich geht es um Umfragen, die thematisch wenig bis gar nichts mit der Arbeit der Ministerien zu tun haben. So legte Krainer im U-Ausschuss etwa eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Umfrage vor, in der die Einstellung zum 1. Mai – Themenpunkt: "1.-Mai-Kampfrhetorik" – abgefragt worden sein soll. Außerdem wurde erfragt, welche einzelnen Politikerinnen und Politiker, darunter auch Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP), mit welchen Corona-Hilfsmaßnahmen assoziiert wurden. In einer Studie für das Verteidigungsministerium wurde gefragt, ob man seine Stimme eher dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) oder seinem Vize Werner Kogler (Grüne) geben würde.

Frage: Was sagt Demox-Geschäftsführer Paul Unterhuber zu alledem?

Antwort: Dieser will zu den Ermittlungen und Vorwürfen keine Auskunft geben. Unterhuber war im Juni des Vorjahres auch als Auskunftsperson in den U-Ausschuss geladen. Damals erklärte er, für jeden einzelnen Auftrag seien "zahlreiche Leistungen" erbracht und "branchenübliche Honorare" verrechnet worden. Auch schloss er "vehement" aus, dass über sein Institut von der öffentlichen Hand finanzierte Studien für die ÖVP erbracht wurden. Verrechnungen von ÖVP-Umfragen an Ministerien habe es nicht gegeben, betonte Unterhuber, einst Direktor des Wiener Bauernbunds. Er war außerdem politisch in Hietzing tätig, wo der jetzige Kanzler Karl Nehammer die Bezirkspartei führte.

Demox-Geschäftsführer Paul Unterhuber war im Juni des Vorjahres auch als Auskunftsperson in den U-Ausschuss geladen.
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Frage: Und wie reagiert die ÖVP?

Antwort: Die Volkspartei reagiert so, wie sie oft auf Vorwürfe reagiert: Sie zeigt sich erbost, weist alle Vorwürfe zurück und sieht die Schuld bei anderen. Generalsekretär Christian Stocker betont, dass die Volkspartei in dem Verfahren "weder beschuldigt, noch beteiligt", sei und dass "alle Umfragen, die von der ÖVP beauftragt wurden, auch von der ÖVP bezahlt" worden seien. Stocker macht außerdem die SPÖ dafür verantwortlich, aufgrund ihrer Anzeige schuld an den Ermittlungen zu sein.

Frage: Und wie reagieren FPÖ, Neos und der grüne Koaltionspartner?

Antwort: Von FPÖ und Neos kommt scharfe Kritik. "Zwei Dinge in diesem Universum sind grenzenlos: das Universum selbst und die korruptiven Tendenzen in Teilen der ÖVP und deren Umfeld", kommentiert FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker die neuen Ermittlungen. Auch Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos spricht davon, dass die ÖVP "ein strukturelles Problem mit Korruption" habe. Öffentliche Reaktion vom grünen Koalitionspartner gibt es keine. Im Hintergrund schüttelt man den Kopf, gibt sich angesichts zahlreicher anderer publik gewordener Ermittlungsverfahren aber kaum noch überrascht.

Frage: Von welchen Ermittlungsverfahren ist die ÖVP oder ihr Umfeld denn noch betroffen?

Antwort: Die Liste an laufenden Ermittlungen ist lange. Das umfangreichste Ermittlungsverfahren betrifft eine andere Umfragenaffäre. Seit zwei Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft in der sogenannten Causa Beinschab. Hier sollen vom Finanzministerium bezahlte Umfragen vom Team Kurz für parteipolitische Arbeit verwendet worden sein. In diesem Zusammenhang geht es auch um Deals mit dem Boulevardblatt "Österreich", das frisierte Umfragen, in denen Ex-Kanzler Sebastian Kurz gut dasteht, im Gegenzug für Inserate, finanziert vom Finanzministerium, veröffentlichte. Im Zuge dieser Ermittlungen kam es im Oktober 2021 zu Hausdurchsuchungen in Kanzleramt und Finanzministerium. Die Affäre führte schließlich auch zum Rücktritt von Kurz. Die WKStA ermittelt gegen ihn und zahlreiche weitere Beschuldigte sowie drei Verbände, darunter die ÖVP selbst. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung. Bis dieses Verfahren abgeschlossen sein wird, dürfte es aber noch länger dauern. Neben der Causa Beinschab gibt es auch mehrere Fälle, in denen prominenten ÖVP-Politikern, etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Klubobmann August Wöginger, Interventionen rund um Postenbesetzungen vorgeworfen wird. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Frage: Und wie geht es jetzt weiter?

Antwort: Früher oder später werden wohl weitere Details zum Ermittlungsverfahren bekannt werden. Wir werden auf jeden Fall berichten. (Sandra Schieder, 24.8.2023)