Eine junge Frau trinkt Kaffee aus einem durchsichtigen Becher mit blau-weiß gestreiftem Papierstrohhalm
Auf spontan gekauften Kaffee für unterwegs zu verzichten fällt mittlerweile vielen Menschen schwer.
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Ab dem Jahr 2050 gibt es Hochrechnungen zufolge mehr Plastik in den Weltmeeren als Meeresfische. Seit einigen Jahren versucht man dem enormen Verbrauch dieser schwer abbaubaren Materialien Verbote entgegenzusetzen. Immerhin stellen Plastikverpackungen nicht nur für etliche Ozeanbewohner eine Todesfalle dar, es gibt auch etliche Studien zum möglichen Gesundheitsrisiko Mikroplastik. Mittlerweile gibt es eine breite Palette an alternativen Materialien: Der Kaffee to go und der sommerliche Cocktail werden in Trinkbechern und mit Strohhalmen serviert, die etwa aus Papier, Bambus oder Glas bestehen. Die Stoffe sollen möglichst biologisch abbaubar oder mehrfach zu verwenden sein.

Doch gelöst ist das Problem damit nicht. Auch diese Materialien können problematisch sein, wie auch aktuelle Studien zeigen. Damit sich etwa ein Papiertrinkhalm nicht sofort beim Kontakt mit dem Drink in Brei verwandelt, braucht es Beschichtungen, die ihn widerstandsfähiger machen. Eine Gruppe an Stoffen, die dafür bekannt sind, abweisend gegenüber Wasser und Öl zu sein, sind die sogenannten Ewigkeitschemikalien. Diese per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) lassen sich besonders schwierig zerstören und reichern sich daher in der Umwelt an, auch beispielsweise im Grundwasser und im menschlichen Körper. Hinweise auf mögliche gesundheitliche Risiken liefern mehrere Studien, lange Zeit wurde die Giftigkeit der ewigen Chemikalien verschwiegen. In der EU wird in den kommenden Jahren über ein Verbot der ganzen Stoffkategorie diskutiert, bisher dürfen nur einzelne Verbindungen nicht mehr produziert werden.

Strohhalme im Test

Erstmals ist nun eine europäische Analyse erschienen, die Strohhalme aus unterschiedlichen Materialien auf PFAS testete. Das Forschungsteam der Universität Antwerpen prüfte 39 Marken, die in Belgien beispielsweise in Supermärkten verkauft und in Fast-Food-Restaurants ausgegeben werden. Sie bestanden aus Papier, Bambus, Glas, Plastik und Edelstahl und wurden vor allem in Asien und Europa hergestellt. In einem Satz zusammengefasst: "Es wurde festgestellt, dass PFAS in fast allen Arten von Trinkhalmen enthalten sind, außer in jenen aus Edelstahl", schreibt das Team um Pauline Boisacq und Thimo Groffen im Fachblatt "Food Additives & Contaminants". Auch eine US-amerikanische Studie hatte Ewigkeitschemikalien in pflanzenbasierten Strohhalmen nachgewiesen.

Genauer gesagt fand die Forschungsgruppe 18 verschiedene PFAS-Verbindungen in 69 Prozent der Strohhalme. Das Ranking führten Papierhalme an, bei denen 18 von 20 Marken entsprechende Stoffe enthielten. Sie kamen auch in vier von fünf Bambusröhren und drei von vier Plastikhalmen vor. Selbst zwei von fünf der Trinkröhren aus Glas enthielten PFAS. Am besten schnitten die Metallhalme ab: In keinem der fünf Produkte fanden die Fachleute ewige Chemikalien.

Unklare Quelle

Es ist unklar, ob die Strohhalme im Produktionsprozess gezielt mit den Chemikalien behandelt oder unabhängig davon kontaminiert wurden. Das Forschungsteam zieht in Erwägung, dass etwa die pflanzenbasierten Materialien in Böden gewachsen sind, in denen die Chemikalien auftreten. Auch Wasser, das bei der Herstellung verwendet wird, könnte vorbelastet sein. Es sei aber wahrscheinlich, dass PFAS bei Papierhalmen zumindest teilweise als wasserabweisende Beschichtung aufgetragen werden, da sie bei so vielen der Papierprodukte auftraten. Am häufigsten wurde die Substanz Perfluoroctansäure (PFOA) nachgewiesen, die seit 2020 weltweit verboten ist. Auch sehr kurzkettige Stoffe kamen vor, bei denen die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie sich in Wasser lösen und in Getränken landen.

Eine bunte Handvoll Strohhalme
Seit den Einschränkungen für Einwegstrohhalme aus Plastik versuchen viele Unternehmen und Privatpersonen, praktische und nachhaltigere Alternativen zu finden.
APA/dpa/Hauke-Christian Dittrich

Der Nachweis zeigt nicht, dass jeder Papierstrohhalm giftig ist: Die nachgewiesenen PFAS-Konzentrationen waren gering, außerdem verwenden die meisten Menschen nur gelegentlich Strohhalme. Zudem untersuchte die Studie nicht, ob die Substanzen beim üblichen Gebrauch von Trinkhalmen in den menschlichen Körper gelangen können. Umweltwissenschafter Groffen gibt dennoch zu bedenken, es sei möglich, dass "kleine Mengen an PFAS die bereits im Körper vorhandene chemische Belastung erhöhen".

Dass die Produkte aus Bambus und Papier derartige schwer abbaubare Verbindungen enthalten, steht Groffen zufolge im Gegensatz zu ihrem Anspruch, biologisch abbaubar zu sein sowie nachhaltiger und umweltfreundlicher als Plastikstrohhalme.

Probleme mit Bioplastik

Auch eine aktuelle Studie von der Universität Göteborg in Schweden liefert ein Indiz dafür, dass Einwegprodukte aus Papier "so toxisch sind wie Plastikbecher", schreiben die Umweltwissenschafterinnen Bethanie Carney Almroth und Alice Carle im Studientitel. Dabei beziehen sie sich auf die Larven von Zuckmücken: "Wir ließen Pappbecher und Plastikbecher einige Wochen lang in nassem Sediment und Wasser stehen und beobachteten, wie sich die ausgetretenen Chemikalien auf die Larven auswirkten", sagt Carney Almroth. Bei allen Bechern sei das Wachstum der Mückenlarven beeinträchtigt gewesen, führt das Team im Fachjournal "Environmental Pollution" aus.

Pappbecher, die für die Studie verwendet wurden
Pappbecher werden beispielsweise mit Bioplastik beschichtet, um dem flüssigen Inhalt länger standzuhalten.
Olof Lonnehed

Die Forscherin sieht ein Problem darin, dass sich die Bioplastikbeschichtung des Papiers in der Umwelt und im Wasser nicht effektiv abbauen würde. Beliebt sind hier sogenannte Polylactide (PLA, umgangssprachlich Polymilchsäuren), die etwa aus Mais oder Zuckerrohr hergestellt werden können und anstelle von Plastik aus fossilen Quellen heute in einem Großteil von Plastikverpackungen und anderen Produkten genutzt werden. Doch auch sie können sich negativ auf die Umwelt auswirken.

Derartige Arbeiten zeigen, dass nachwachsende Rohstoffe zwar einen Vorteil gegenüber endlichen fossilen Rohstoffen haben, davon abgesehen aber nicht unbedingt besser sein müssen. Die beteiligten Fachleute empfehlen, generell weniger Ressourcen zu verbrauchen und von der Wegwerfmentalität wegzukommen. "Als nach dem Zweiten Weltkrieg Einwegprodukte auf den Markt kamen, wurden große Kampagnen durchgeführt, um den Menschen beizubringen, die Produkte wegzuwerfen – dabei war das für uns unnatürlich", sagt Carney Almroth. "Es ist besser, einen eigenen Becher mitzubringen, wenn man Kaffee zum Mitnehmen kauft. Oder nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, setzen Sie sich hin, und trinken Sie Ihren Kaffee aus einer Porzellantasse." Groffen rät Konsumentinnen und Konsumenten basierend auf seiner Studie, Strohhalme aus Edelstahl zu verwenden – "oder ganz auf Strohhalme zu verzichten". (Julia Sica, 28.8.2023)