Licht, Dunkelheit
Licht ausschalten oder nicht, das ist hier die Frage.
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Pro

Früher, als ich mit den Meinen noch in einer windschiefen Köhlerhütte hauste, draußen, im dunklen Wald, da hieß es: Licht sparen, abends früh zu Bette gehen. Kaum war der Herd erloschen, der letzte Rest Hirsebrei aus dem Napf gekratzt, spazierten wir in unsere Schlafgemächer. Was scherte uns das Dunkel, das uns umfing: wenn wir doch ohnedies gleich in Schlummer sinken würden!

Das Schicksal meinte es gut mit uns. Die Glücksfee beschenkte uns mit einer Villa: Auffahrt mit Freitreppe, ein ausgedehnter Park. Doch es schien, als ob mir der plötzliche Reichtum zu Kopfe gestiegen wäre. Meine Frau schalt mich wegen meines Jähzorns. Schließlich verließ sie, an jeder Hand eines meiner Kinder, das Haus. Ich war mutterseelenallein. Jetzt beschlich mich allabendlich ein Unbehagen. Jedes Knacken eines Astes ließ mich ängstlich zusammenfahren. Anstatt ein Auge zuzumachen, entzündete ich im Haus alle elektrischen Lichter, die ich finden konnte. (Als ich aus dem Albtraum hochfuhr, brannte die Lampe auf dem Nachtkasten. Ich hütete mich, sie zu löschen.) (RONDO, Ronald Pohl, 12.10.2023)

Kontra

Ja, man mag das brennende Licht im Vorzimmer als liebevolles Zeichen des Partners oder der Partnerin deuten, wenn man abends später und angeheiterter als gedacht nach Hause kommt. Schön, dass du daheim bist, so könnte man es interpretieren, hier wartet jemand auf dich! Aber machen wir uns nichts vor. Nach 22 Uhr ist die brennende Deckenlampe im Vorzimmer ein stiller Vorwurf. Wenn du schon so spät heimkommst, dann stolpere bitte wenigstens nicht wieder laut fluchend über den Schirmständer, UND WECK MICH BLOSS NICHT AUF, will man uns damit subtil sagen. Als wäre das schon jemals passiert!

Noch eine Interpretation gefällig? Das Anlassen des Lichts ist ähnlich verschwenderisch wie unser Lebensstil. Obendrein ist es für die Uhrzeit unnötig hell – so unnötig wie der letzte Drink, den man jetzt schon bereut. Die Situation zwingt einen dazu, sich in diesem Zustand auch noch im Garderobenspiegel zu mustern – huch – und leise Besserung zu geloben, während man sich ins Bett kuschelt. War noch was? Verdammt, das Licht ist immer noch an. (RONDO, Franziska Zoidl, 12.10.2023)