Ein Kreuz mit Barbie-Puppe und Aufschrift beim Protest für sichere Abtreibungen am 28. September 2023 in Bregenz
Ende September wurde in Bregenz eine Mahnwache für sichere Abtreibungen abgehalten. Zu sehen war auch diese Barbie am Kreuz.
Foto: Janosch Amann

In den letzten Tagen haben uns Spitzenpolitiker (Gendern hier obsolet) ein ehrliches frauenpolitisches Update geschenkt. ÖVP-seitig überrascht da wenig: die übliche klienteltreue Hodenträgerpolitik. Weder die Tatsache, dass der Kanzler keinen Tau davon hat, wie schwer es – dank tüchtiger ÖVP-Mithilfe! – ist, Kinder und Job zu vereinen, noch, dass er Kinderarmut auf die stinkfaulen, teilzeitarbeitenden Frauen schiebt, holt uns hinter dem Ofen hervor. Wenn ihn dann (Burger sei Dank) ganz Österreich auf der Schaufel hat und er dennoch drauf bleibt: geschenkt!

Im heiligen Westen lässt die ÖVP aktuell keine Chance aus, den Frauen die körperliche Souveränität abzusprechen und sie der Mutterkirche vor die Füße zu legen: Derzeit tut sie das, indem sie Abbrüche in Landeskrankenhäusern blockiert. Und dass die "Frauenministerin" den Kanzler in Sachen Teilzeit verteidigt, ist die Kirsche auf dem Kuchen, den sie sich schenken können. Was sind wir erleichtert, dass Susanne Raab zur Abtreibungsdebatte schweigt! Bitte in Deckung bleiben, will man ihr zurufen, es ist schon ohne Ihren Kommentar schlimm genug!

Im Grab umdrehen

Dass aber ein SPÖ-Landeschef in die dämliche Argumentationslinie der ÖVP, dass nämlich "die Strukturen unserer Krankenhausstandorte zu kleinteilig" seien, einschwenkt, ist neu. Hört der nicht, wie sich Johanna Dohnal und Bruno Kreisky im Grab umdrehen? Was soll der Mumpitz mit dem "Schutz der Privatsphäre"? Für wie blöd hält er die Burgenländerinnen? Gilt dort in den Spitälern etwa nicht der Datenschutz? Laufen dort alle Patientinnen und Patienten mit kleinen Schildern um den Hals herum, die den Grund ihrer Einweisung kundtun, damit sie einander baldige Gesundheit oder, im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs, das ewige Höllenfeuer an den Hals wünschen können?

Werden im Burgenland etwa Gynäkologinnen und Gynäkologen zur Durchführung von Abbrüchen gezwungen, im Gegensatz zum Rest Österreichs? Sind gynäkologische Abteilungen in kleinen Containern oder Schwesternwohnheimen untergebracht, wie es in Vorarlberg schon geplant war? Machen es nicht genau diese real existierenden Strukturen den betenden, feixenden und mit Plastikembryonen herumfuchtelnden Lebensschützern besonders leicht, betroffene Frauen zu drangsalieren? Ist das vielleicht erwünscht, als "gerechte Strafe"?

"Sozialdemokraten sollten von Konservativen unterscheidbar sein – nicht zuletzt anhand einer erkennbaren, aufrechten frauenpolitischen Haltung."

Die katholische Kirche hat was zu feiern. Wenn sogar die SPÖ frauenpolitisch im Liegen umfällt – schauen wir, was noch alles geht! Vielleicht mithilfe der FPÖ? Dass die Achse der Patriarchen, die sich moralisch mit den Unterleibsangelegenheiten der Frauen befassen, (groß)parteiübergreifend nun schon durch fast ganz Österreich verläuft, lässt uns träumen: von den guten alten Zeiten unter Johanna Dohnal. War da nicht ein frischer SPÖ-Parteivorsitzender? Könnte der nicht versuchen, die Alpha-Rüden feministisch zu briefen? Oder wenigstens aufklären, dass medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche Alltag in jedem Krankenhaus sind – und zwar ganz ohne kirchliche Einmischung und ohne Erlaubnis der Landeshauptmannschaft? Und traut sich vielleicht irgendwer sagen, dass der weibliche Wille gegen ein Kind genauso viel wiegen sollte wie eine medizinische Indikation?

Dieses Gesülze von Strukturen und Privatsphäre ist ganz einfach das erbärmliche Eingeständnis einer Überzeugung, dass die weibliche Selbstbestimmung sich der kirchlichen Sexualmoral unterzuordnen hat. Sozialdemokraten sollten von Konservativen unterscheidbar sein – nicht zuletzt anhand einer erkennbaren, aufrechten frauenpolitischen Haltung. In den Reihen der SPÖ-Frauen fragt man sich längst, wie glaubwürdig ein westlicher Landeschef ist, der seine Gewehre nicht im Waffenschrank und seine misogyne Zunge nicht im Zaum hat. Geht das jetzt im Osten so weiter? Was lassen wir uns von ideologisch wankenden Sozialdemokraten gefallen?

Verpasste Gelegenheit

Was hätte Hans Peter Doskozil dem Vorwurf, es gebe im Burgenland keine Möglichkeit, Abbrüche durchzuführen, entgegnen können? Fahrts halt nach Wien! Frauenpolitik ist mir wurscht! Oder aber: Ui, das hab ich, obwohl es doch mal sozialdemokratische Kernkompetenz war, ganz vergessen! Ich kümmere mich gleich darum!

Tja. Wieder mal eine Gelegenheit verpasst, sich mit Frauen solidarisch zu zeigen und es vielleicht sogar mit feministischem Populismus zu versuchen! Wo doch bald Nationalratswahlen anstehen könnten! Frauen stehen schon sehr lang am politischen Straßenrand und warten darauf, abgeholt zu werden, mit mutigen frauenpolitischen Wahlversprechen – abseits von Grünen und Neos.

Alte To-dos

Ob vielleicht die SPÖ unter Andreas Babler auf die Idee kommt, Frauen gezielt anzusprechen? Mit neuen Zuckerln oder gern auch mit der alten To-dos? Da wäre Verhütung auf Kasse – damit wir irgendwann auf EU-Niveau kommen. Oder: Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch. Oder irgendwas mit "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Oder, ganz mutig: eine Bildungsreform? Wenigstens Babler hat Signale ausgesendet und eine Petition für die Streichung des § 96 aus dem Strafgesetzbuch unterschrieben. Bleibt zu hoffen, dass er die Würde der ungewollt schwangeren Frauen genauso leidenschaftlich einfordert wie die warme Mahlzeit für Kinder. (Gertraud Klemm, 7.10.2023)