Gegen das neue ORF-Gesetz mit einer Haushaltsabgabe von allen ab 2024 und mehr Möglichkeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Web haben österreichische Medienhäuser Beschwerden bei der EU-Kommission eingelegt. Nun hat auch der deutsche Medienverband Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) eine Beschwerde über die deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten nach Brüssel geschickt. Sie verletzten, finanziert mit einer Rundfunk-Haushaltsabgabe, mit ihren Online-Angeboten Vorgaben der EU, die den Wettbewerb im Medienmarkt sichern sollen. Weitere EU-Beschwerden gegen öffentlich-rechtliche Angebote kommen aus Skandinavien.

ARD ZDF Mikros
EU-Beschwerde privater Medienhäuser auch gegen ARD und ZDF.
APA/dpa/Peter Kneffel

Verdrängungswettbewerb

Der deutsche Medienverband BDZV hat seine schon länger vorbereitete, 69-seitige Sachverhaltsdarstellung nun laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nach Brüssel geschickt. Der BDZV wirft ARD und ZDF vor, sie würden Vorgaben der EU aus einem früheren Wettbewerbsverfahren der EU gegen Deutschland nicht einhalten. Laut FAZ listet die Beschwerde eine Reihe von Beispielen auf, wo die mit öffentlichen Beihilfen "massiv ausgebauten" Online-Präsenzen nicht den EU-Vorgaben entsprächen.

Wie österreichische und skandinavische Medienverbände moniert auch die deutsche Beschwerde vor allem das umfangreiche Textangebot öffentlich-rechtlicher Anstalten, das vor allem textbasierten privaten Medienhäusern mit Verlagshintergrund Konkurrenz mache.

"Weder das gesetzliche Verbot noch die inhaltliche Konkretisierung durch die Gerichte konnte die Rundfunkanstalten jedoch davon überzeugen, nicht sendungsbezogene presseähnliche Berichterstattung zu unterlassen und ihre Angebote entsprechend zu ändern“, zitiert die FAZ aus der Beschwerde des BDZV. Die Textangebote der ARD-Sender würden in den publizistischen Wettbewerb eingreifen und hätten eine starke Verdrängungswirkung. Der Verband ließ Anwälte etwa das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks 2022 und 2023 stichprobenartig auswerten. Die Juristen kamen zum Schluss, dass es "in der Gesamtschau überwiegend von stehendem Text geprägt ist".

Der deutsche Medienverband beschwert sich auch über mangelnde Kontrolle der Vorgaben – in Deutschland sind die Gremien von ARD und ZDF selbst dafür zuständig. In Österreich liegen wesentliche Kontrollfunktion auch für den öffentlich-rechtlichen ORF bei der Medienbehörde Komm Austria.

Neuer ORF-Beitrag zu prüfen, verlangt VÖZ

Der österreichische Medienverband VÖZ sieht im neuen ORF-Beitrag eine bei der EU anmeldepflichtige Beihilfe. Mit dem neuen ORF-Gesetz würden sowohl neue staatliche Beihilfen für den ORF eingeführt (100 Millionen 2024 aus dem Bundesbudget für entfallenden Vorsteuerabzug, ORF-Symphonieorchester und ORF Sport Plus) als auch der Auftrag erweitert, etwa um einen Online-Kinderkanal und weitere Streamingmöglichkeiten. Die EU-Kommission muss prüfen, ob staatliche Beihilfen den Wettbewerb verzerren.

VÖZ-Präsident Markus Mair sah den Verband nach dem Beschluss des ORF-Gesetzes im Sommer "gezwungen, die Europäische Wettbewerbskommission zu befassen. Insbesondere die Zeitungsähnlichkeit des ORF-Digitalangebots sowie die zusätzlichen finanziellen Mittel werden darin thematisiert."

Das ORF-Gesetz sieht eine Reduktion der Textbeiträge auf der "Start- und Übersichtsseite" von ORF.at auf 350 Beiträge (nach ORF-Angaben zuvor rund 900) vor, die "nicht vertiefend" sein dürfen. In der "Überblicksberichterstattung" müssen 30 Prozent Textbeiträge und 70 Prozent Audio- und Videobeiträge ausmachen. Der ORF darf neu bis zu 80 News-Sendungen pro Woche von jeweils bis 20 Minuten eigens für Online produzieren.

Nächste ORF-Novelle

Die nächste Novelle zum ORF-Gesetz muss – unabhängig von EU-Verfahren – bis Ende März 2025 kommen: Der Verfassungsgerichtshof hat Regeln für die Besetzung der ORF-Gremien als zu regierungsnah aufgehoben und eine Frist zur Reparatur bis 31. März 2025 vorgegeben. (fid, 15.11.2023)