Kaum hatten ÖVP und Grüne am Mittwoch im Nationalrat das neue ORF-Gesetz mit einem ORF-Beitrag von allen beschlossen, da nahm eine Sachverhaltsdarstellung ihren Weg nach Brüssel: Der Zeitungsverband schickte 18 Seiten Wettbewerbsbeschwerde über das neue Gesetz, die neue Finanzierung und die verbotene, den Wettbewerb verzerrende Zeitungsähnlichkeit von ORF.at an die EU-Kommission. 

EU-Wettbewerbshüter sollen ein Auge auf den ORF richten, ruft der Zeitungsverband nach eingehender Prüfung des neuen Gesetzes.
APA/Eva Manhart

Ruf nach EU

Der Zeitungsverband VÖZ sieht in dem neuen ORF-Beitrag eine bei der EU anmeldepflichtige Beihilfe. Mit dem neuen ORF-Gesetz würden sowohl neue staatliche Beihilfen für den ORF eingeführt (100 Millionen 2024 aus dem Bundesbudget für entfallenden Vorsteuerabzug, ORF-Symphonieorchester und ORF Sport Plus) als auch der Auftrag erweitert, etwa um einen Online-Kinderkanal und weitere Streamingmöglichkeiten. Die EU-Kommission muss prüfen, ob staatliche Beihilfen den Wettbewerb verzerren. 

Die neue Finanzierung des ORF sei aus Sicht des Verfassungsdienstes aus mehreren Gründen jedenfalls mit dem Beihilfenrecht der EU vereinbar, hieß es aus dem Medienministerium im Bundeskanzleramt auf den Ruf von Verlegern und Privatsendern nach EU-Prüfung der neuen ORF-Finanzierung.

"Gezwungen, EU zu befassen"

"Diese Gesetzesnovelle ist dazu geeignet, den privaten Medienstandort Österreich in seiner Existenz zu gefährden. Der gesamte Medienmarkt befindet sich in einem dramatischen Umbruch. Private Medien stehen unter erheblichem wirtschaftlichem Druck, die ORF-Gesetzesnovelle bevorzugt den österreichischen Marktführer bei digitalen Nachrichtenangeboten und führt zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen", erklärte der VÖZ-Präsident und Vorstandsvorsitzende der Styria Media Group, Markus Mair, in einer ersten Reaktion.

Die Regierungsparteien hätten dieser Entwicklung keine Beachtung geschenkt und ein Gesetz beschlossen, das die Interessen aller Marktteilnehmer nicht mit ausreichender medienpolitischer Verantwortung berücksichtigt, erklärt Mair: "Vor diesem Hintergrund sehen wir uns gezwungen, umgehend die Europäische Wettbewerbskommission mit verschiedenen Fragestellungen in Zusammenhang mit dem ORF-Gesetz sowie dem ORF-Beitragsgesetz zu befassen. Insbesondere die Zeitungsähnlichkeit des ORF-Digitalangebots sowie die zusätzlichen finanziellen Mittel werden darin thematisiert", weist der VÖZ-Präsident auf eine Wettbewerbsbeschwerde hin, die der Verlegerverband einlegt.

"Schaden für Medienmarkt"

Eine Beschwerde an die EU-Kommission erwägt auch der Privatsenderverband, der in dem Beschluss eine "problematische Reform zum Schaden des gesamten Medienmarktes" sieht: Das Gesetz schädige "in erster Linie österreichische TV- und Radioanbieter, aber auch Zeitungen und Online-Medienangebote, die ihre Inhalte – trotz des Drucks von Google, Facebook und Co – in Zukunft nun auch gegen den verstärkten Angebotsdruck des ORF online refinanzieren sollen". Es sei zu befürchten, dass "private Medienanbieter wirtschaftliche Einschnitte vornehmen werden müssen".

"Besonders enttäuschend" ist laut Privatsenderverband, dass die "öffentliche Zusage der Bundesregierung, die Werbeflächen in den ORF-Kanälen im Werbegegenwert von 25 bis 30 Millionen Euro einzuschränken, nicht halten wird". (fid, prie, 5.7.2023)