Das Ziel, ältere Menschen länger im Arbeitsmarkt zu halten, gerät in Österreich endlich stärker in den Fokus. Dies geschieht momentan weniger aus Sorge um die Nachhaltigkeit der Finanzierung des Pensionssystems, obwohl die angesichts einer stark alternden Bevölkerung, einer weiter steigenden Lebenserwartung und eines deutlich wachsenden steuerfinanzierten Bundesbeitrags durchaus berechtigt ist. Vielmehr ruft der anhaltende Fachkräftemangel die Politik auf den Plan. So hat die Bundesregierung kürzlich verschiedene positive Anreize für ein längeres Arbeiten im Pensionsalter beschlossen, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen.

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Eine sehrentscheidende Baustelle für die Politik ist die Steigerung der Beschäftigungsquoten.
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Wer schon in der Pension ist und unselbstständig arbeitet, soll demnach auf Erwerbseinkommen bis monatlich 1000 Euro keine arbeitnehmerseitigen Pensionsbeiträge mehr zahlen. Und wer über das Regelpensionsalter hinaus erwerbstätig bleibt und die Pension später antritt, soll für jedes zusätzliche Erwerbsjahr einen Bonus von 5,1 Prozent statt wie bisher von 4,2 Prozent auf die Pension erhalten.

Solche Regeln machen es lukrativer, im Pensionsalter zu arbeiten. Dennoch sollte man sich davon keine allzu großen Beschäftigungszuwächse erwarten. Auch wenn inzwischen für viele zumindest die ersten Jahre im Ruhestand ein aktiver Unruhestand geworden sind, ist die große Mehrheit der Bevölkerung sehr wenig geneigt, ein fremdbestimmter "Pensi-Jobber" zu werden. Weil zudem das Versorgungsniveau bei den Pensionen in Österreich grundsätzlich gut ist, dürften die jetzt geplanten zusätzlichen finanziellen Anreize nur im Ausnahmefall stark genug sein, zumal die Lohnsteuer einen Teil davon wieder auffrisst. Schon heute ist ein Jahr Erwerbstätigkeit jenseits des gesetzlichen Pensionsantrittsalters in etwa doppelt so viel wert wie ein Erwerbsjahr vor der Altersgrenze. Trotzdem waren in Österreich letztes Jahr nur 88.000 Personen oberhalb der Regelaltersgrenze voll sozialversicherungspflichtig erwerbstätig, darunter weit überdurchschnittlich viele Selbstständige.

Größere finanzielle Vorteile

Allerdings haben stärkere finanzielle Anreize für das Arbeiten im Pensionsalter eine gewisse gleichstellungspolitische Dimension. Zum einen erhalten Frauen derzeit im Durchschnitt gut 40 Prozent weniger Pension als Männer. Für ein ausreichendes Einkommen und wirtschaftliche Eigenständigkeit im Alter sind sie daher stärker auf zusätzliches Erwerbseinkommen angewiesen. Zum anderen arbeiten Frauen viel häufiger als Männer bis zur Regelaltersgrenze. Letztes Jahr lag die Beschäftigungsquote der 59-jährigen Frauen bei 67 Prozent, bei 64-jährigen Männern dagegen nur bei 21 Prozent. Ein Bonus für einen späteren Pensionsantritt kann somit häufiger greifen – und bringt Frauen zudem wegen ihrer durchschnittlich höheren Lebenserwartung in Summe systematisch größere finanzielle Vorteile.

Die viel wichtigere Baustelle für die Politik ist jedoch die Steigerung der gerade genannten Beschäftigungsquoten. Auch wenn das faktische Pensionsantrittsalter in den letzten 20 Jahren um mehr als drei Jahre gestiegen ist, war es 2022 mit durchschnittlich 60,6 Jahren immer noch sehr niedrig.

Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Österreich lange am EU-weit niedrigsten gesetzlichen Pensionsalter für Frauen festgehalten hat. Erst im kommenden Jahr beginnt hier die bis 2033 dauernde schrittweise Anhebung von 60 auf 65 Jahre. Anderswo ist eine gleiche Regelaltersgrenze für beide Geschlechter längst Praxis, und die damit gemachten Erfahrungen lassen erwarten, dass in der Folge der Anteil der über 60-Jährigen im Erwerbsleben kräftig zulegen wird.

Aber damit allein ist es nicht getan. Um das faktische näher an das gesetzliche Pensionsantrittsalter heranzuführen, gehören auch andere Elemente des Pensionssystems auf den Prüfstand. So stellt sich die Frage nach der angemessenen Höhe der fälligen Abschläge für Beschäftigte, die in Frühpension gehen. Für gut verdienende und gesunde Fachkräfte bräuchte es wohl einen höheren finanziellen Malus, um zu erreichen, dass sie seltener vorzeitig den Arbeitsmarkt verlassen. Die Alternative, die Altersgrenzen bei Frühpensionen anzuheben, könnte Menschen mit belastender Arbeit schlechterstellen.

Arbeitgeber gefordert

Auch über die Altersteilzeit als teure, spezielle Form der Frühpension sollte die Politik nachdenken. Da Frühpensionen aufgrund schlechter Gesundheit das effektive Pensionsantrittsalter stark drücken, gilt es auch, aktiver vorzubeugen. Mehr Gesundheitsmanagement und altersgerechte Arbeitsplätze sind nötig, damit mehr Beschäftigte körperlich und psychisch in der Lage sind, bis ins höhere Alter zu arbeiten. Für Schwerarbeit Leistende sollten schon im mittleren Alter stärkere Brücken zu weniger belastenden Tätigkeiten gebaut werden. Hier sind in erster Linie die Arbeitgeber in der Pflicht, die von einer besseren Beschäftigungsfähigkeit Älterer direkt profitieren.

Wenn sich die Lücke zwischen effektivem und gesetzlichem Regelpensionsalter schließt, kann dieses dann so bleiben, wie es ist? Eine ehrliche, wenn auch unbeliebte Antwort lautet: auf Dauer nicht. Erfreulicherweise werden wir immer älter, und es geht sich nicht aus, wenn die Pensionsjahre zunehmen, die Beschäftigungsjahre aber gleich bleiben. Viele Länder haben darauf reagiert und das künftige Pensionsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung gekoppelt. So können sich die von der längeren Lebensarbeitszeit betroffenen jüngeren Beschäftigten schon heute darauf einstellen. Österreich täte gut daran, sich ebenfalls zu einem solchen Schritt durchzuringen. (Holger Bonin, 18.11.2023)