Szene auf der Straße, eine Aktionskünstlerin in einem Käfig, Frauen mit Transparenten
Wien in den frühen 1970er-Jahren. Künstlerin Erika Mis-Swoboda protestiert gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen.
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Am 29. November jährt sich der erste Beschluss zur Fristenlösung im österreichischen Nationalrat bereits zum 50. Mal. Die Debatte zu Schwangerschaftsabbrüchen hat sich seither aber kaum weiterentwickelt. Das zeigt auch die Auseinandersetzung in Vorarlberg, wo man im Herbst darüber stritt, Abbrüche in einem Landeskrankenhaus zuzulassen.

Schwierige Debatte

Dass die Körper der Frauen zum Politikum gemacht werden, ist freilich nicht neu. Es überrascht jedoch, dass dies noch immer mit gleicher Brisanz vonstattengeht, ohne eine breite Empörung über den Stand der Menschenrechte hervorzurufen. Warum ist das so? Warum bleibt die Debatte seit 50 Jahren zwischen Selbstbestimmung und Zurechtweisung stecken? Warum muss sie bis zur schieren Erschöpfung geführt werden, ohne Aussicht auf eine wirkliche Verbesserung der vorhandenen Strukturen? Ein Blick in die Dynamik der Debatte ist hilfreich.

In Österreich kommt die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche entweder durch Beschlüsse in anderen Ländern oder durch einzelne Aufforderungen auf. Sie hält sich jedoch nie lange in der Öffentlichkeit. Ob es um die Register zu den Motiven der abtreibenden Personen geht oder um die Rolle der Krankenhäuser bei der Durchführung von Abtreibungen, die Weichen werden ähnlich gestellt. Die konservativen Stimmen aus Politik und Kirche werden laut, argumentiert wird mit Moral und Kinderrechten. Die Frauenorganisationen sowie jene, die sich generell um Rechte der schwangeren Personen kümmern, machen darauf aufmerksam, dass viele Mythen kursieren und es ein differenziertes Bild braucht. Die Betroffenen, die ungewollt Schwangeren, werden dabei kaum gehört. Der Blick ist umso trüber, als die Forderungen zwar auf dem Tisch liegen, aber von der Politik gemieden werden. Als wollte man die Fristenlösung nicht.

Radikal umdenken

Ein radikales Umdenken ist notwendig. Die Abtreibung muss entkriminalisiert werden. Eine bundesweite Regelung zu Abbrüchen in Krankenhäusern würde vielen Personen das Leben erleichtern. Eine umfassende Sexualerziehung an den Schulen ist unerlässlich.

Ungewollt Schwangere sollen in einem sicheren Umfeld entscheiden können, was mit ihrem Körper passiert. Es ist ein Armutszeugnis, dass sich ungewollt Schwangere auf eigene Faust Informationen zum Schwangerschaftsabbruch aneignen müssen – in einer Situation, in der meist schnell entschieden werden muss. Es braucht eine reproduktive Gerechtigkeit, die Wissen bietet, ungeachtet der moralischen Vorstellungen der regierenden Elite. Reproduktive Gerechtigkeit geht über die Forderung eines legalen Schwangerschaftsabbruchs hinaus. Sie bedeutet auch, Leben frei von Angst und Gewalt in die Welt zu setzen.

Die Abtreibung bleibt nämlich ungerecht. Sie ist nur jenen möglich, die genug Ressourcen aufbringen können. Wie unsere Studien zeigen, ist Abtreibung teuer, braucht Zeit sowie unterstützende familiäre Strukturen. Manche nehmen verzweifelt das Günstigste, was sie finden. Alle werden in der Grauzone der Fristenlösung alleingelassen.

Problematische Beratung

Die Abtreibung wird von Unwissen geprägt. Dass Frauen wissen sollen, was sie tun, wird oft als Argument vorgebracht, um die Abtreibung zu problematisieren. Es gibt Hilfsorganisationen, die Beratung anbieten, aber deren Hintergrund bleibt unklar. Frauen fühlen sich dann betrogen, zeigt unsere Studie, weil sie – anstatt ein Gespräch über Optionen zu führen – von Pro-Life-Organisationen vereinnahmt werden, die sie zur Adoption drängen. Was als Beratung aufscheint, ist häufig schlichtweg eine Kampagne gegen Abtreibung. So sollte ein demokratischer Zugang zu Wissen nicht aussehen.

So bleibt die Debatte stecken. Die Politik muss sich klar von der Kirche absetzen; erst damit kann eine grundlegende Wissensvermittlung einhergehen – frei von Tabuisierung, frei von Stigmatisierung, frei von finanziellen und strukturellen Hürden, frei von Angst. (Anna Durnová, Sylvia Herzog, 29.11.2023)