Emma Stones Bella in
Emma Stones Bella in "Poor Things" ist das skurrile, freizügige Gegenstück zu "Barbie" - und gilt als ein Favorit im Preisrennen.
Searchlight Pictures via AP

Es war das Jahr der Puppen. Schon im Jänner ging es mit der Roboterpuppe M3gan los. Ihr schräger Tanz aus dem gleichnamigen SciFi-Horrorfilm wurde auf Tiktok und Co tausendfach kopiert. Der Low-Budget-Film kostete außerdem nur zwölf Millionen Dollar, nahm aber knappe 180 Millionen ein. Ein Riesenhit für die kecke Figurine aus dem Nichts.

Als M3gan noch trendete, stieg Barbies Stern bereits auf. Greta Gerwigs Metakomödie über die zeitgleich meistgeliebte und -gehasste Puppe der Welt war mit 1,44 Milliarden Dollar Einspielergebnis nicht nur der weltweit erfolgreichste Film des Jahres, sondern gilt auch als der vielversprechendste Kandidat für die Filmpreissaison, die am 7. Jänner mit der Verleihung der Golden Globes beginnt. Donnerstagnacht folgte die Oscar-Vorauswahl, die Nominierungen werden am 23. Jänner publik.

Publikumserfolge und Flops

Neun Golden-Globes-Nominierungen hat Barbie, dicht gefolgt von ihrem "nerdigen Bruder" Oppenheimer. Christopher Nolans Physiker-Biopic wurde im Schlepptau der Doppelpromotion "Barbenheimer" weltweit zum dritterfolgreichsten Film. 952 Millionen Dollar spielte der Dreistünder ein, den Nolan nur für Kinos konzipiert hatte, die analoges 70-mm-Imax-Format projizieren können – das sind die wenigsten.

Davon, dass das Publikum seine Spielzeuge auch auf der großen Leinwand liebt, zeugt der zweiterfolgreichste Film des Jahres. Nintendos Super Mario Bros. Movie spielte "nur" achtzig Millionen weniger ein als Mattels Barbie. Hinter den Erwartungen zurück blieben die Superheldenfilme von Marvel und DC. Teils weil das Publikum der ewigen Fortsetzungen vor digitalen Green-Screen-Kulissen müde geworden war, teils weil die privaten Probleme einiger Hauptdarsteller und -darstellerinnen Negativschlagzeilen gemacht hatten.

Emma Stones beste Rolle

Preischancen haben Superheldenblockbuster ohnehin nur, wenn sie, wie etwa Marvels Black Panther oder DCs Joker, den Zeitgeist treffen. Letzterer gewann auf dem Filmfestival von Venedig 2019 den Hauptpreis. Heuer hat Yorgos Lanthimos’ Poor Things am Lido Jury wie Kritik überzeugt.

Poor Things | Official Trailer | Searchlight Pictures
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Auch in der skurrilen Literaturverfilmung geht es um ein puppenartiges Frankenstein-Wesen. Emma Stone spielt Bella, ein Kind im Frauenkörper, das sehr langsam sprechen und laufen lernt und sehr schnell seine Sexualität entdeckt. Bellas Libido ist der Antrieb für ihre emanzipatorischen Ausflüge in Lanthimos’ steampunkig-bunte Filmwelt, die mindestens eine Set- und Kostümdesign-Nominierung verdient hat. Die Oscar-Shortlist jedenfalls hat Poor Things in diesen Kategorien Barbie vorgezogen. Auch die grandios-kommentierende Filmmusik von Jerskin Fendrix wurde in der Vorauswahl von der Academy berücksichtig.

Dass Bella die Rolle ihres Lebens ist, hat Stone bereits verkündet, und da das so ersichtlich ist, hat sie Aussichten auf einen Golden Globe und hoffentlich auch auf einen Oscar.

Immer wieder Hüller

Als scharfe Konkurrentin gilt Sandra Hüller, die gleich in zwei Filmen mit Preischancen brillierte: Justine Triets Anatomie eines Falls und Jonathan Glazers The Zone of Interest haben Palmen in Cannes gewonnen, weshalb Hüller dort der Schauspielpreis verwehrt blieb. Die US-Medien sind der "deutschen Cate Blanchett" jedenfalls gewogen, das Branchenblatt Hollywood Reporter hat sie schon zur "Actress of the Year" gekrönt.

Sandra Hüller als KZ-Kommandanten-Gattin Hedwig Höß in Jonathan Glazers eiskalter Literatur-Adaption
Sandra Hüller als KZ-Kommandanten-Gattin Hedwig Höß in Jonathan Glazers eiskalter Literatur-Adaption "The Zone of Interest"
AP

Und dann war da noch Martin Scorseses überlanger Indigenen-Krimi Killers of the Flower Moon, Bradley Coopers Bernstein-Biopic Maestro und Celine Songs bittersüße Romanze Past Lives, die die Herzen schmelzen ließ – alle drei ringen um einen Globe.

In die herzerwärmende Kategorie fällt auch Alexander Paynes The Holdovers, eine winterliche Internatsgeschichte über Außenseiter, die Mitte Jänner bei uns startet. Paul Giamatti spielt darin einen grummeligen Lehrer, Da’Vine Joy Randolph eine Köchin. Für beide dürften goldene Statuetten in Haupt- und Nebenrollen winken.

Focus Features

Jahr der Kämpfe

Mit 2023 geht aber auch ein Jahr der Hollywoodkämpfe zu Ende. Jüngst hörte man, dass sich nun die Studiodinosaurier Paramount und Warner Bros. Discovery zusammentun wollen, um der Konkurrenz Netflix und Disney die Stirn zu bieten. Die Stirn geboten haben den großen Studios bereits die Streikenden der Drehbuch- und Schauspielgilde. Die Puppen sind heuer rebellisch – und keine Marionetten. (Valerie Dirk, 22.12.2023)