Wien – Das Satireportal "Die Tagespresse" hat erst kürzlich ORF.at mit einer Parte zu Grabe getragen und dafür den Verlegerverband VÖZ (Verband Österreichischer Zeitungen) verantwortlich gemacht. Allerdings wird die Kritik an den "zeitungsähnlichen Inhalten" auf der "blauen Seite" auch nach der Neuaufstellung und trotz "Nachrufs" nicht leiser. Ganz im Gegenteil. Der Verlegerverband spricht von einer "Mogelpackung" und könnte damit die Medienbehörde KommAustria befassen. Der ORF weist den Vorwurf mit dem Verweis auf das neue ORF-Gesetz zurück. Unterseiten seien von der eingezogenen Grenze nicht erfasst.

Die Startseite von ORF.at am Donnerstagnachmittag.
Die Startseite von ORF.at am Donnerstagnachmittag.
Screenshot/ORF.at

350 Meldungen pro Woche

Hintergrund ist das neue ORF-Gesetz, das mit 1. Jänner 2024 in Kraft getreten ist. Nicht zuletzt auf Betreiben des Verlegerverbands wurde die Textmeldungsanzahl auf ORF.at nun auf 350 pro Woche limitiert. 70 Prozent der Beiträge auf ORF.at müssen jetzt Videobeiträge sein. Viele Schlagzeilen auf ORF.at weisen am Ende der Zeile ein Icon auf. Am Donnerstagnachmittag war das beispielsweise bei 17 Artikeln der Fall, was rund der Hälfte der gesamten Meldungen entspricht.

Bei einem Klick auf diese Zeilen wird man automatisch auf die diversen Bundesländer-Unterseiten wie wien.ORF.at, tirol.ORF.at, die "gelbe Seite" sport.ORF.at oder auch science.ORF.at, religion.ORF.at sowie topos.ORF.at geführt. "In der Vergangenheit wurden diese Portallinks von der news.ORF.at-Redaktion journalistisch aufbereitet. Das ist nun nicht mehr der Fall. Daher wird im Sinne der Userfreundlichkeit nun durch ein Icon angezeigt, dass auf ein anderes Angebot gewechselt wird", schreibt der ORF auf STANDARD-Anfrage.

ORF: Links zählen nicht

Diese Links seien nicht Teil der 350 Meldungen pro Woche, argumentiert der ORF: "Textbeiträge auf anderen Seiten oder Links zu anderen Seiten, zum Beispiel science.ORF.at, wurden nicht beschränkt." Was sich auf diesen Unterseiten laut ORF-Gesetz finden darf, ist unterschiedlich. Auf sport.ORF.at gilt wie auf der Start- und Überblicksseite ORF.at seit neuestem eine Quote von 30 Prozent Text- zu 70 Prozent audiovisuellen Beiträgen. Eine Obergrenze gibt es auf der Sportseite im Gegensatz zu ORF.at nicht. Auch weitere Unterseiten wie science.ORF.at oder topos.ORF.at wurden nicht limitiert. Anders ist der Fall bei den neun Unterseiten der Bundesländer. Hier gilt bereits seit dem Jahr 2010 eine Beschränkung von 80 Meldungen pro Bundesland und Woche.

Der ORF darf nun mit dem neuen Gesetz bis zu 80 Newssendungen pro Woche zu jeweils bis zu 20 Minuten Dauer eigens für Streaming produzieren.

VÖZ ortet "Mogelpackung"

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VÖZ, meinte gegenüber der APA, dass die seit 2010 gesetzlich verwehrte "Zeitungsähnlichkeit" des Digitalangebots ORF.at nach wie vor bestehe. Das ORF-Gesetz sei eine "Mogelpackung", weil es die Vermengung von Überblicksberichterstattung und anderen Onlineaufträgen des ORF auf der "blauen Seite" zulasse und mehr als 350 Textmeldungen pro Woche ermögliche, wie der VÖZ auch gegenüber der Tageszeitung "Die Presse" anmerkte.

KommAustria soll prüfen

"Hier wird aber die KommAustria (Medienbehörde, Anm.) wohl noch damit befasst werden müssen, ob das Gesetz dies tatsächlich hergibt", sagte der VÖZ-Geschäftsführer. Der Verlegerverband wies laut Grünberger bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren auf eine "mangelnde Effektivität der Bestimmungen" hin und tritt weiter für "wesentlich umfassendere Beschränkungen" ein.(omark, APA, red, 4.1.2023)