Wie vor Jahrzehnten schon bei Jörg Haider konzentriert sich das mediale Interesse auf die wohl bewusst provokativen Ansagen des Parteiobmanns, nunmehr also Herbert Kickl. Damals wie heute lohnt jedoch ein Blick auf programmatische Inhalte und das politische Umfeld der FPÖ. Damit ergibt sich ein deutlicheres Bild davon, wofür diese Partei steht. Das ermöglicht ein rationales Urteil über deren Regierungsfähigkeit oder vielmehr Regierungsunfähigkeit.

FPÖ Österreich Kickl Partei
Sorgt mit seinen Thesen für großes mediales Echo: der freiheitliche Parteichef Herbert Kickl.
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Der Leitantrag des FPÖ-Parteitages vom September 2023 verweist auf die Verteidigung der "nationalen Identität" Österreichs und auch auf das Parteiprogramm von 2011. Darin findet sich jedoch eine ausdrückliche Verortung der österreichischen Mehrheitsbevölkerung in der "deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft". Ein Bekenntnis, das die Partei mit rechtsextremen Gruppen der Gegenwart und Vergangenheit, wie auch der 1988 behördlich aufgelösten Nationaldemokratischen Partei (NDP), teilt. Ähnliche deutschnational motivierte Gleichklänge finden sich in der Zielvorstellung eines "Europa der freien Völker und Vaterländer" oder eines "Europa der historisch gewachsenen Völker und autochthonen Volksgruppen".

"Europa wird hier auch nicht als Gemeinschaft von Staaten, sondern 'Vaterländern' begriffen."

Die oben erwähnte NDP meinte dazu, sie wünsche die "Schaffung eines Europas der Völker". Für das deutschnationale Lager, dem sich die FPÖ programmatisch zuordnet, gewinnt diese Zielvorstellung eine besondere Bedeutung, verteilt sich die in diesen Kreisen als "Volk" begriffene deutschsprachige Bevölkerung doch auf mehrere Staaten Europas und würde in einem so gestalteten Europa deutlich mehr an Bedeutung gewinnen. Europa wird hier auch nicht als Gemeinschaft von Staaten, sondern "Vaterländern" begriffen – ein feiner, aber doch bemerkenswerter semantischer Unterschied.

Diese Vorstellungen führen zur Ablehnung alles Fremden dank, wie es im Leitantrag heißt, Verteidigung "der Interessen des Eigenen". In diesem Sinne wünscht das Parteiprogramm "eine geburtenorientierte Familienpolitik", da Österreich nach den Vorstellungen der FPÖ "kein Einwanderungsland" sei.

Eine Wiederannäherung

Gefährdet seien diese Vorstellungen entsprechend freiheitlicher Verschwörungserzählungen von den "Linken", die alles löschen wollten, "Kultur, Nationalität, Religion, Geschichte, bis alle gleich sind", und im Zuge dessen auch die "Zersetzung des traditionellen Ehe- und somit Familienbildes" betrieben, wie es im Leitantrag 2023 heißt.

War das deutschnationale Lager trotz gemeinsamer Ursprünge seit der Hinwendung der FPÖ zu liberalen Vorstellungen, die bereits unter dem ehemaligen SS-Mann Friedrich Peter aus taktischen Gründen begonnen hatte, zutiefst gespalten gewesen, kam es mit der Wahl Haiders zum FPÖ-Obmann 1986 zu einer deutlichen Wiederannäherung. Diese führte gemeinsam mit einer Reihe weiterer Faktoren, wie dem Generationenwechsel, über die Jahrzehnte seither zu einem einerseits starken Rückgang traditioneller rechtsextremer Organisationen, andererseits zu einer Hinwendung von deren Aktivisten und Kader zur FPÖ und Übernahme von Funktionen in der nunmehr wesentlich nach rechts gerückten Partei.

Rechtsextreme Medien

Gleichzeitig sind eine ganze Reihe von Neugründungen im Bereich rechtsextremer Medien zu verzeichnen. Insbesondere die Übernahme der Obmannschaft durch Kickl im Juni 2021 wurde von diesem Spektrum freudig begrüßt. Seither kam und kommt es zu einer Intensivierung der Kooperationen sowie zu einer Verharmlosung von rechtsextremen Aktivistengruppen wie den "Identitären".

Im Lichte dieser Annäherungen und Zusammenarbeit muss wohl die FPÖ-Forderung nach Abschaffung von Gesetzen, die vorgeblich die Meinungsfreiheit einschränken, zu sehen sein – nachzulesen im "Handbuch freiheitlicher Politik" 2016. Ob damit das NS-Verbotsgesetz gemeint war, sei dahingestellt. Jedenfalls stimmten deren Abgeordnete im Dezember 2023 im Nationalrat gegen die vorgelegte Novelle zum Verbotsgesetz, die in mehreren Bereichen Verschärfungen vorsieht.

Traditioneller Antisemitismus

Die FPÖ reiht sich gerne in die Reihen der Bekämpfer des Antisemitismus ein. Allerdings meint sie damit jenen aus den Reihen von Muslimen, keineswegs jedoch den traditionellen autochthonen österreichischen Antisemitismus sowie jenen in den Reihen der ihr nahestehenden Kreise deutschnationaler Burschenschaften – erwähnt sei die Liederbuchaffäre um die Burschenschaft, der der niederösterreichische Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer angehört – oder auch ihrer rechtsextremen Kooperationspartner, wie beispielsweise des Chefredakteurs von AUF1, der sogar gemeinsam mit dem gegenwärtigen Bundessekretär in den Räumen des FPÖ-Nationalratsklubs auftreten durfte.

Ideologie und Umfeld der FPÖ sind damit nur grob umrissen. Sie sollten aber doch berücksichtigt werden in der Beantwortung der Frage nach einer möglichen Regierungsfähigkeit dieser Partei. (Brigitte Bailer, 13.1.2024)