Eigentlich lief beim Signa-Konzern rund um René Benko jahrelang alles bestens, zumindest sieht das Alfred Gusenbauer so. Wäre da nicht die Sache mit dem Handel gewesen – diese Expansion sei ein großer "Fehler" gewesen, sagte der Ex-Bundeskanzler, der Sitz und Stimme im Signa-Beirat hat und zudem Aufsichtsratschef der mittlerweile insolventen Kerngesellschaften Signa Prime und Signa Development ist, am Samstag im Ö1-Mittagsjournal.

"Weil man dachte, man kann es besser machen als andere", habe man sich neben den Immobilien auch auf den Handel konzentriert. "Da wurde sehr viel Geld versenkt, das heute als notwendige Liquidität für die Immobilien fehlt", meinte Gusenbauer. Alleine die Pleite von Signa Sports habe seines Wissens "800 Millionen Cash gekostet". Zudem hätten auch die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Inflation zu den Pleiten geführt.

Alfred Gusenbauer, der sein Mandat als Strabag-Aufsichtsratschef zurücklegt, weil die Diskussion über die Schieflage von Signa-Gesellschaften einen Reputationsschaden für den Baukonzern auslösen könnten, betonte, sich keiner Straftaten schuldig gemacht zu haben. Seine Einkünfte habe er alle ordentlich hierzulande versteuert.
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Ganz anders sieht das der deutsche Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein: "Die Hälfte der Mieteinnahmen der Signa-Gruppe kommt aus dem Handel, das sind 300 Millionen Euro. Die Mieten wurden in den Objekten ja tatsächlich erhöht, und das hat unter anderem all diese massiven Wertsteigerungen möglich gemacht", sagt Heinemann zum STANDARD. In der Tat haben sich manche Bewertungen in verhältnismäßig kurzer Zeit vervielfacht.

Kredite dank Aufwertung

"Eine solche Immobilienaufwertung gilt in weiterer Folge als Eigenkapital, und dadurch wurde es möglich, dass sich die Signa laufend neue Kredite beschafft. Ohne die Handelssparte wäre es nicht möglich gewesen, das Signa-Kartenhaus so groß aufzubauen", meint Heinemann. Herr Gusenbauer solle sich die Zahlen noch einmal genauer ansehen.

Dem Altkanzler zufolge seien die Immobilien immer ordentlich bewertet gewesen, das hätten mehrere Stellen und Ratingagenturen geprüft. Darauf habe er sich verlassen, denn er gehe davon aus, dass der Aufsichtsrat stets richtig informiert worden sei.

Beim österreichischen Handelsverband äußert man sich zu den Aussagen nicht. Man habe für diese "Signa-interne Causa" zu wenig Einblick. Außerdem spreche man für die ganze Branche und nicht einzelne Unternehmen, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will zum STANDARD.

Fertigstellung von Lamarr?

Neuigkeiten gibt es indes von einer der bekanntesten Benko-Immobilien in Wien. Die Stadt Wien rechne beim halb fertigen Kaufhaus Lamarr auf der Mariahilfer Straße damit, dass der thailändische Signa-Partner Central Group das Projekt wegen des Baufortschritts fertigstellen werde, zitiert die Kronen Zeitung Angaben der Stadt Wien.

Alfred Gusenbauer (li.) gibt der Europäischen Zentralbank eine gewisse Mitschuld an den Pleiten der Signa-Gruppe rund um René Benko. Die EZB drängte ab vorigen August nach entsprechenden Prüfungen Banken, Kredite an Signa zum Teil abzuschreiben.
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Kritik an EZB

Als Aufsichtsratschef und hochbezahlter Berater hat Gusenbauer seinem Ansinnen nach keine Fehler gemacht. Es sei eher die Europäische Zentralbank (EZB) und deren Verhalten, die für Gusenbauer zu hinterfragen sind. Die EZB habe binnen Jahresfrist die Zinsen um vier Prozent erhöht. "Das Verhalten, sich dann in einer Immobilienkrise auf ein Unternehmen zu fokussieren, entspricht meiner Meinung nach nicht ihrer regulatorischen Aufgabe und hat sicher nicht geholfen, die Krise zu bewältigen." Zur Erinnerung: Die EZB drängte seit August Banken dazu, Kredite an Signa zum Teil abzuschreiben.

Verspätete Bilanzen

Das Konstrukt Signa basiert(e) auf überbewerteten Immobilien, milliardenschweren Verbindlichkeiten, einem Geschäftsmodell, das auf Nullzinsen ausgelegt war in einem verschachtelten Firmengeflecht. So weit, so gut für Gusenbauer. Dass aber die Bilanzen stets zu spät gelegt wurden, habe auch ihm missfallen. Er habe den Vorstand aufgefordert, wegen der gesetzlichen Vorgaben diese Praxis einzustellen.

Eine Konzernbilanz für die Gruppe gab es nie, und die entsprechenden einzelnen Jahresabschlüsse kamen teilweise Monate zu spät. Die daraus resultierenden Geldstrafen zwischen 700 und 3600 Euro akzeptierte und zahlte man bei Signa anscheinend gern. Es sollen über die Jahre hunderttausende Euro an Strafen angefallen sein. Weil die Geldbußen laut internen Dokumenten als Personalkosten klassifiziert wurden, konnten sie auch noch von der Steuer abgesetzt werden.

Gläubigerversammlung

Am Montag wird es ein weiteres Mal spannend. Die erste Gläubigerversammlung der insolventen Signa Prime und Signa Development findet am Wiener Handelsgericht statt. Bis zuletzt gab es keine Informationen, ob die von Signa-Sanierungsvorstand Erhard Grossnigg bis 15. Jänner eingeforderten 350 Mio. Euro von Bestandsinvestoren noch nachgeschossen werden. Ohne zusätzliche Geldspritze ist ein Sanierungsverfahren offenbar nur schwer möglich.

Wenig überraschend wird diese Praxis im heurigen Wahljahr auch zum Politikum. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte am Sonntag, er wolle als Konsequenz des Signa-Skandals eine "massive Erhöhung" der Strafen, wenn Bilanzen nicht korrekt gelegt werden. Zudem müsse man auch das Unternehmensrecht dahin gehend schärfen, "dass von vornherein noch viel mehr offengelegt werden muss", sagt Kogler am Sonntag. (Andreas Danzer, 14.1.2024)