Seit Jahresbeginn ist der ORF-Beitrag für alle in Kraft, die Jahresvorschreibungen für bisherige GIS-Sparer ohne Abbuchungsmandat für die ORF-Gebührentochter sind unterwegs oder schon eingelangt. Am Montag beschäftigt die neue Haushaltsabgabe für alle den Verfassungsausschuss im Parlament - da geht es um soziale Staffelung (SPÖ), Abschaffung (FPÖ) und große ORF-Reform (Neos). In Abwesenheit von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), moniert Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter im Gespräch mit dem STANDARD.

ORF-Augen-Logo vor ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg.
Der ORF und sein Beitrag von allen beschäftigt am Montag den Verfassungsausschuss des Nationalrats.
Harald Fidler

"Echte" ORF-Reform

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats ist auch zuständig für Medienfragen - und tagt recht selten, betont Neos-Abgeordnete Henrike Brandstötter. Umso mehr verärgert sie, dass die ressortzuständige Medienministerin Raab nicht zu diesem Ausschusstermin angekündigt sei, obwohl es um ORF-Themen geht.

Von Brandstötter stammt ein Entschließungsantrag der Neos mit dem Titel "Endlich echte ORF-Reform umsetzen!" Sie fordern eine "Schärfung" des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags. "Durch die Marktmacht und den Programmauftrag des ORF muss er für Qualität sorgen, egal ob Quotenhit oder Nischenprogramm, und darf nicht das lineare Fernsehen für alte amerikanische Serien bleiben", heißt es dort. Der Antrag verlangt zudem eine Ent(partei)politisierung der ORF-Gremien mit einem "unabhängigen Aufsichtsrat" und einem Dreiervorstand für den ORF statt eines Alleingeschäftsführers. Die Neos wollen das Informationsrecht der Landeshauptleute über Kandidaten für ORF-Landesdirektoren abgeschafft wissen, sie fordern öffentliche Hearings für ORF-Führungsfunktionen, "echte Konsequenzen" bei Compliance-Verstößen, mehr Rechte für die ORF-Redaktionsvertretung. Der ORF soll sich zudem von seiner Beteiligung an den Österreichischen Lotterien trennen: "Förderung von Glücksspiel ist sicherlich nicht Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags", heißt es im Entschließungsantrag der Neos.

Die Neos verlangen aber auch "nachhaltige, unabhängige Finanzierung" für den ORF. Wörtlich heißt es im Antrag: "Um das zu garantieren, müssen wir auch diskutieren, ob die Haushaltsabgabe weiterhin das richtige Finanzierungsinstrument ist oder ob eine andere Finanzierungsform die Interessen der Steuerzahlenden besser abdeckt." Der Antrag lässt offen, wie diese aussehen könnte. Übliche Finanzierungsvarianten für öffentlich-rechtliche Anstalten sind entweder Gebühren beziehungsweise Beiträge, zweckgewidmete Steuern oder Budgetfinanzierung.

Die FPÖ, deren erklärtes Ziel eine Abschaffung des ORF-Beitrags, Kürzung des ORF-Budgets und Finanzierung aus dem Staatsbudget ist, hat einen selbstständigen Antrag gestellt "betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der ORF-Zwangssteuer, mit dem das Bundesgesetz über die Erhebung eines ORF-Beitrags 2024 (ORF-Beitrags-Gesetz 2024), BGBl. I Nr. 112/2023, aufgehoben wird". Auch er steht auf der Tagesordnung des Verfassungsausschusses.

Die SPÖ und ihre Mediensprecherin Muna Duzdar wiederum hat im STANDARD-Interview eine soziale Staffelung des ORF-Beitrags und eine Befreiung aller Menschen bis 24 von der Beitragspflicht gefordert, auch der Antrag darüber wird im Verfassungsausschuss behandelt.

Die Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen hat das ORF-Gesetz mit dem Beitrag 2023 beschlossen. Die Anträge der drei Oppositionsparteien dürften also aktuell wenig Chancen auf Realisierung haben. Bis Ende März muss die Republik die Besetzung der ORF-Gremien neu Regeln. Der Verfassungsgerichtshof hat mit dieser Frist einen Teil der Bestimmungen für ORF-Stiftungsrat und ORF-Publikumsrat wegen verfassungswidriger Regierungsnähe des Bestellungsmodus aufgehoben. Medienministerin Raab ließ zuletzt verlauten, sie wolle einer Reform dieser Bestimmungen Zeit geben - was Spekulationen nährte, dass sie offenbar die Neuregelung einer nächsten Regierung überlassen wolle.

Zum Verfassungsausschuss angekündigt haben sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und der für Digitalisierung und Telekommunikation befasste Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) - es geht in der Sitzung insbesondere auch um das Informationsfreiheitsgesetz.

Brandstötter kritisiert Raabs Absenz im Ausschuss: "Medienministerin Raab scheut einmal mehr den Diskurs – und das bei Themen, die ihr eigenes Ressort betreffen. Einmal mehr zeigt die ÖVP hier, wie sie das Parlament und parlamentarische Prozesse missachtet. Raab sollte sich ja auch um die Reparatur des ORF-Gesetzes kümmern. Auch hier hat sie schon angekündigt, dass dies in dieser Legislaturperiode sicher nicht mehr passieren wird. Sie hat also offensichtlich beschlossen, die Arbeit komplett einzustellen. Das hat sich die Medienlandschaft ebenso wenig verdient wie die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land!" (fid, 21.1.2024)