Armin Wolf will nicht unhöflich sein. Aber es drängt sich für ihn doch gleich eine Frage auf. Und damit ist er nicht allein. Warum gleich Spitzenkandidatin? Sie hatte ja noch nie ein Mandat, hat noch nie einen Wahlkampf geführt. Wer der Meinung war, dass Lena Schilling den Fragen von Armin Wolf nicht gewachsen sei, irrte. Die 23-jährige Klimaaktivistin und bald Berufspolitikerin präsentierte sich in der "ZiB 2" am Montagabend eloquent, sympathisch. Und sie beantwortete Fragen (fast) ohne auszuweichen und ohne langes Herumgerede. Das kann man ja nicht von allen Politikerinnen und Politikern behaupten.

Was also war ihre Antwort auf Wolfs erste Frage? Sie habe jetzt die Chance, dorthin zu gehen, wo die Hebel sind, wo Gesetzgebung gemacht wird. Das sei eine einmalige Chance, sich für etwas einzusetzen. Sie will "eine junge Perspektive in das Parlament bringen" und zeigen, dass junge Menschen auch ganz vorne stehen können. Dass sie die Möglichkeit habe, sich für ein demokratischeres, klimagerechteres und feministischeres Europa einzusetzen, findet Schilling "ziemlich cool".

Zahnlose Wahlen und Berufspolitikerin

Ziemlich cool beantwortete Schilling auch weitere – durchaus kritische – Fragen, nervös wirkte sie nicht. Armin Wolf schonte sie nicht, konfrontierte sie mit Aussagen aus ihrem Buch "Radikale Wende", in dem sie Berufspolitiker kritisierte und schrieb, dass Wahlen relevant, aber zahnlos seien und die Demokratie nicht fördern würden. Wie also passt das mit ihrer Kandidatur zusammen? Hier verwies Schilling auf weitere Passagen am Ende ihres Buches, "wir müssen uns in Parteien und basisdemokratischen Bewegungen organisieren".

Sie sei "nicht von heute auf morgen plötzlich Berufspolitikerin" geworden, "ich bin weiter ein politischer Mensch", sie stehe auch jetzt für dieselben Ideale. Schilling: "Ich mache das jetzt dort, wo andere Hebel liegen." 8.000 Euro netto wird sie als EU-Abgeordnete verdienen. Wie sie, die kritisierte, dass Politiker zu viel Geld hätten, damit umgehen wird, will sie noch überlegen. "Wann verliert man die Lebensrealität und wann nicht?", fragt sie sich. Sie habe bis jetzt als Tanzlehrerin gearbeitet und auch das gut geschafft.

ZIB 2: Grünen-EU-Spitzenkandidatin Schilling zur EU-Wahl
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Ob sie weiterhin an Protestaktionen und Blockaden teilnehmen werde? Sie werde sehr wohl weiter Aktivistin sein, auch an Protestaktionen weiter teilnehmen. Die für sie spannende Frage sei: "Was muss man als Parlamentarierin, was kann man, und was heißt das für die Demokratie?"

Bei welcher Abstimmung im EU-Parlament sie in den letzten Monaten anders gestimmt hätte als die grüne Delegation, will Wolf wissen. Ihre Antwort ("Das kann ich pauschal nicht sagen") lässt er nicht gelten. "Sagen Sie es konkret", fordert er da. Hier kommt dann doch ein bisschen die künftige Berufspolitikerin durch, "ich mag lieber nicht über die Vergangenheit reden, sondern über die Dinge, die jetzt anstehen", sagt sie. Auch beim Thema Uno-Resolution zur Waffenruhe in Gaza "will ich mir nicht anmaßen, diese Entscheidung jetzt zu treffen", die Situation sei noch einmal neu zu bewerten. Zu allgemein für Wolf, er hakt zu Recht nach. Eine Enthaltung "wäre eher meine Position gewesen", kommt da dann immerhin.

Video: Lena Schilling ist Spitzenkandidatin der Grünen bei der EU-Wahl.
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Rechtsextremismus und FPÖ

Später im Gespräch geht es um die Definition der FPÖ als rechtsextrem ("Wenn man bereit ist, Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu deportieren, sie sich nichts zuschulden kommen haben lassen, kann man über diese Definition auf jeden Fall diskutieren"). Eine Debatte wie in Deutschland – dort wird ja über ein Verbot der AfD diskutiert und auch darüber, einzelnen AfD-Politikern Grundrechte abzuerkennen – brauche es hierzulande nicht, sagt Schilling. Sie verweist auf eine aktive Zivilgesellschaft, "die wir auch brauchen, die aufsteht, die mutig ist, die laut ist".

Mit welchem Wahlergebnis wäre sie zufrieden? Schilling antwortet hier mit dem Wunsch, das Vertrauen von möglichst vielen Menschen zu bekommen, spricht von einer "extrem großen" Aufgabe und davon, dass sie ihr Allerbestes geben wolle. "Sie sind noch gar keine Politikerin, aber das war eine richtige Poltikerinnenantwort", sagt Armin Wolf dazu. Schilling versucht es konkreter: "Die drei Mandate, die jetzt gerade bestehen, wären super, noch einmal zu erreichen." Immerhin.

"Einmal ausprobieren"

Später in der "ZiB 2" erzählt dann noch Österreichs Handballtormann Constantin Möstl recht erfrischend über sein Berufsrisiko ("Wenn man den Ball ins Gesicht bekommt oder untenrum hin, das tut dann schon mal weh, aber nach fünf Sekunden geht es dann auch wieder"). Und sorgt für einige Schmunzler, nicht nur bei Armin Wolf.

Video: Handballtorwart Möstl über die EM
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Beim Spiel gegen Deutschland am Samstag war ja mal die Torstange im Weg, für Zuschauerinnen und Zuschauer ein richtiger Autsch-Moment. "Es war schon eine unangenehme Situation", sagt Möstl da ganz nonchalant. Warum sich das jemand freiwillig antut? "Das ist eine extrem gute Frage", findet Möstl, er sei "schon immer ein bisschen verrückt" gewesen und habe sich nie Gedanken darüber gemacht, ob jetzt der Ball mit 100 km/h auf ihn zukommt. Oder 130. "Man muss es einmal probieren", ist sein Tipp. "Auf das werde ich verzichten", lächelt da Wolf. Verständlich, da sind wir ganz bei ihm. (Astrid Ebenführer, 23.1.2024)