"Ich habe vor 15 Jahren mit Myspace – gibt es das überhaupt noch? – und Youtube begonnen. Es war eine geile Zeit, man konnte Videos mit einer simplen Webcam aufnehmen. Die schlechte Qualität war egal. Heute ist der Anspruch an die Produktion ein völlig anderer. Ich achte darauf, dass ich richtig verkabelt bin, damit der Ton stimmt. Stelle drei Scheinwerfer auf, um optimal ausgeleuchtet zu sein. Ich habe gehört, dass der Algorithmus den Content schlechter bewertet, wenn die technischen Komponenten nicht perfekt passen. Das heißt, den Usern werden die Videos dann kaum angezeigt.

Einige meiner Influencer-Kollegen und -Kolleginnen haben mir von Gesprächen mit Meta erzählt. Laut dem Unternehmen hinter Instagram und Facebook sind Stories, also der temporär aufrufbare Content, in Zukunft wurscht. Die Reels genannten Kurzvideos seien hingegen der heiße Scheiß. Um gute Reichweite zu erlangen, muss man aber ein fixes Veröffentlichungsintervall einhalten. Das mag der Algorithmus anscheinend. Das war früher anders. Da hat man ab und zu ein Video rausgehauen, das war im besten Fall ein absoluter Hit, und alles war super. Heute geht das nicht mehr. Die Algorithmen zwingen einen, den Feed regelmäßig zu füttern.

Michi Buchinger ist seit 15 Jahren als Influencer auf diversen Social-Media-Plattformen präsent
Michael Buchinger ist seit 15 Jahren als Influencer auf diversen Social-Media-Plattformen präsent.
Dominik Pichler

Das taugt mir nicht, weil es sich wie ein fremdbestimmtes Arbeitsverhältnis anfühlt. Dabei habe ich mich doch bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Im Zweifelsfall pfeife ich auf die Regelmäßigkeit und mache nur dann Videos, wenn ich eine lustige Idee habe. Die Videos, die ich auf Instagram und Tiktok rausballere, dauern circa 30 bis 60 Sekunden.

Youtube hingegen hat sich meines Erachtens zu einer Plattform entwickelt, wo man längere und gut recherchierte Videos konsumiert. Ich kenne viele Leute, die machen dort jetzt 20- oder sogar 40-minütige Shows. Das ist sehr aufwendig in der Produktion. Vielleicht mach ich deshalb keine Youtube-Videos mehr. (lacht) Aber die Leute, die das gut beherrschen, haben dann auch mehrere Hunderttausend oder sogar über eine Million Klicks. Das ist dann auch monetär spannend. Bei mir hat das sicher vier oder fünf Jahre gedauert, bevor ich mit der Tätigkeit tatsächlich Geld verdient habe.

Lukrativer Content

Auf Youtube hat man die Möglichkeit, in seinen Videos an bestimmten Stellen Werbung zu platzieren. Auf Youtube habe ich auf diese Weise früher ungefähr 2.000 Euro im Monat verdient. Der Vorteil ist, man wird nicht direkt mit der Marke assoziiert. Aber man kann sich die Unternehmen auch nicht aussuchen. Bei mir wurden zum Beispiel Spots der FPÖ eingespielt. Eher unpassend. Auf Instagram und Tiktok verdiene ich Geld mit bezahlten Kooperationen.

Früher gab es die Faustregel: pro zehntausend Follower mindestens 100 Euro. Ich würde sagen, jetzt sind es mindestens 200 Euro. Es gibt aber noch weitere Faktoren, die man bei der Berechnung einbeziehen muss. Ich habe mir kürzlich die Haare abrasiert, das Gratisblatt "Heute" hat darüber geschrieben. (lacht) Wenn also ein Kooperationspartner die Chance hat, in der Klatschpresse zu landen, muss man das auch einpreisen.

Influencer Michi Buchinger
Der Influencer nutzt seine Reichweite auf Social Media als Sprungbrett für andere Tätigkeiten.
Dominik Pichler

Newcomer haben es da natürlich schwerer. Ich bin meinem früheren Ich dankbar für die ersten Schritte auf Social Media – obwohl es am Anfang mit einem Gefühl der Peinlichkeit verbunden war. Wenn ich jetzt im Jahr 2024 mit lustigem und lifestyligem Content ankäme, würde das niemanden interessieren. Das wäre keine neue, originelle Perspektive. Damals war es in Österreich leichter aufzufallen. Ich zehre heute noch davon, so früh begonnen zu haben. Bei meinen Kabarettauftritten etwa erzählen mir Gäste, wie lange sie meine Inhalte schon konsumieren. Ich habe da einfach einen guten Vorsprung.

Meine Tätigkeit auf Social Media war in gewisser Weise auch ein Sprungbrett für andere Herzensprojekte. Als ich endlich 100.000 Abonnenten auf Youtube geknackt hatte, habe ich meine fertigen Konzepte für Bücher aus der Schublade gezogen und sie an verschiedene Verlagshäuser geschickt. Reichweite erleichtert die Umsetzung gewisser Projekte. Mit dem Thema Kabarett werde ich für längere Zeit pausieren. Es stört mich, dass ich ganz genau weiß, wo ich in drei Monaten an einem Dienstagabend sein werde. Mein Vorsatz für 2024 ist ja eigentlich, nicht zu arbeiten. (lacht) Natürlich meine ich das nicht so drastisch, wie es klingt, aber ich brauche eine Verschnaufpause nach den Jahren der Überzahl an Projekten, Kooperationen und Events.

Geschenke und Hass

Manchmal schicken mir Firmen ungefragt Produkte zu. Das finde ich komisch. Ich habe beispielsweise drei Kaffeemaschinen zu Hause stehen. Es ist ironisch, man bemüht sich lange Zeit, von dem, was man gerne tut, leben zu können. Und wenn man sich dann tatsächlich manche Dinge leisten könnte, bekommt man sie geschenkt. Ich bekomme auch Einladungen von Restaurants oder Hotels. Aber die nehme ich ungern an, weil sich die dann entsprechenden Content von mir erwarten. Es soll nicht arrogant klingen, aber eine Story kostet bei mir 1.500 Euro. So teuer kann kein Abendessen sein. Das zahl ich mir lieber selbst. Dann gibt's keine vermeintlichen Verpflichtungen. Wenn ich Einladungen annehme, weise ich das aber immer in meinen Stories und Beiträgen aus.

Ich habe das Gefühl, meine Seele nicht verkauft zu haben. Trotzdem ist man als Influencer mit mehr Hass und Kritik konfrontiert als Menschen mit anderen Berufen. Es liegt vielleicht auch an dem Wort "Influencer". Das klingt so ein bisschen danach, als wären die Follower eine Herde Schafe, die unreflektiert alles tun, was ich sage. Natürlich sind die Menschen in Wahrheit aber nicht so beinflussbar. Für mich ist Influencer aber kein Schimpfwort. Die ganzen anderen Begriffe wie Content Creator oder Talent verwende ich nicht. Für die Zukunft hoffe ich, dass der Trend auf Social Media in Richtung Authentizität geht." (Michael Steingruber, 28.1.2024)