AfD Demonstration Politik Deutschland Dresden
In ganz Deutschland gehen Menschen gegen die AfD auf die Straße – so wie hier in Dresden Ende Februar.
Foto: IMAGO/Max Patzig

In den vergangenen Wochen erlebte Deutschland eine Welle von Demonstrationen. Enthüllungen über ein Treffen von Politikerinnen und Politikern der radikalen Rechten, insbesondere der AfD, und die dort diskutierten Pläne über Massendeportationen führten dazu, dass Millionen Menschen in ganz Deutschland auf die Straßen strömten. Die im Zuge der Proteste artikulierten Positionen reichten vom ermutigenden, aber vagen "Zivilcourage zeigen" über "Alle zusammen gegen den Faschismus" bis zu konkreten Forderungen wie "AfD verbieten!" sowie "Hebt Björn Höckes Rechte auf!". Die Demonstrierenden verwischten dabei die Grenzen zwischen politischen und rechtlichen Appellen. Ihre Einflussmöglichkeiten auf Rechtsprechung einerseits und Politik andererseits sind allerdings unterschiedlich groß. Was bewirken die Proteste?

Deutschlandkarte
Alle Demonstrationen gegen die AfD seit dem 11. Jänner 2024. Die roten Kreise stehen für Demonstrationen mit 50.000 oder mehr Teilnehmenden, orange Kreise für Demonstrationen mit 10.000 bis 50.000 Teilnehmenden, gelbe Kreise für Demonstrationen mit 1.000 bis 10.000 Teilnehmenden sowie grüne Kreise für Demonstrationen mit weniger als 1.000 Teilnehmenden.
Grafik: Michael C. Zeller, Daten: taz

In den Wochen nach den ersten Mobilisierungen wurden Hunderte von weiteren Demonstrationen organisiert. Die politischen Ziele waren dabei relativ eindeutig. Vor allem: "Wählt nicht die AfD!" Für das Superwahljahr 2024 mit Europawahlen sowie Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen spielt dieser politische Widerstand eine entscheidende Rolle.

Video: Zehntausende demonstrieren gegen den Rechtsruck in Deutschland
AFP

Potenzial der Proteste

Umfragen zeigen, dass die AfD seit Beginn der Demonstrationen einige Prozentpunkte an Unterstützung eingebüßt hat. Bei der kürzlich abgehaltenen Landratswahl im thüringischen Saale-Orla-Kreis musste der Kandidat der AfD eine unerwartete Niederlage einstecken, möglicherweise eine Auswirkung der Demonstrationen. Hier zeigt sich das Potenzial von Protesten, unangenehme Fragen, wie eben die, ob die AfD eine legitime, demokratische Partei ist, in der öffentlichen Diskussion zu verankern. Für die Partei wirkt das entmutigend.

Zusätzlich zu den politischen Zielen spiegelt sich auch die Forderung nach rechtlichen Instrumenten in den Protesten. Deutschland ist der Prototyp einer wehrhaften Demokratie: Indem politische Rechte in Sonderfällen gezielt eingeschränkt werden können, wird der Schutz der demokratischen Ordnung durch Gesetze und Institutionen gewährleistet – eine Lehre, die die Architekten der Nachkriegsverfassungsordnung aus der Erfahrung der NS-Zeit zogen. Eine Anwendung auf die AfD erfordert jedoch die Einhaltung der juristischen Logik der Gerichte.

Klare Ziele

Ein Parteiverbot (für das eine Initiative 800.000 Unterschriften sammeln konnte), die Grundrechtsverwirkung für einzelne AfD-Politiker (eine seit November bestehende Petition gegen Björn Höcke konnte bis dato 1,6 Millionen Unterschriften erzielen) oder ein Entzug der staatlichen Finanzierung erfordern eine Entscheidung des Verfassungsgerichts. Der gesellschaftliche Druck kann zwar dazu beitragen, die Regierung oder das Parlament dazu zu bewegen, gegen die AfD vorzugehen, aber das Gericht hat die Hürden für ein Parteiverbot berechtigterweise hoch angesetzt.

Die Anti-AfD-Bewegung ist eine Koalition. Um eine Wirkung zu erzielen, sollte sie sich auf klare, gemeinsame Ziele konzentrieren. Um wirksam zu sein, muss das Bündnis aber auch die Beschränkungen des Negative Campaigning überwinden. Lediglich gegen etwas zu argumentieren kann rhetorische Schwäche erzeugen, wie die erfolglose Kampagne gegen die ungarische Jobbik-Partei im Vorfeld der Wahlen von 2014 zeigt. Um diese Falle zu vermeiden, sollten sich Demonstrationen auch positiv auf Fragen der demokratischen Partizipation sowie Wahlbeteiligung beziehen.

Zwei Herausforderungen

Die Kampagne steht vor zwei Herausforderungen. Erstens ebbt die Welle der Demonstrationen bereits ab, was wiederum den gesellschaftlichen Druck und damit die potenzielle Wirkung verringert. Zweitens gab es dort, wo Proteste am nötigsten sind, nämlich in Ostdeutschland, weniger und zahlenmäßig kleinere Demonstrationen. Hier, wo die AfD am stärksten ist, könnte sie in diesem Jahr bei drei Landtagswahlen Mehrheiten erringen.

In der dritten Kalenderwoche war der Zustrom zu den Anti-AfD-Demos am stärksten.

Effektive Gegenmobilisierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Bekämpfung rechtsextremer Bedrohungen. Die Demonstrierenden sollten sich auf klare gemeinsame Ziele konzentrieren: die Wahlbeteiligung erhöhen, zur Wahl einer demokratischen Partei aufrufen, die Regierung auffordern, die Machbarkeit eines Entzugs der Staatsfinanzierung für die AfD zu prüfen sowie die Möglichkeit, Instrumente der wehrhaften Demokratie einzusetzen.

Grafiken
Demonstrationen gegen die AfD in den Wochen seit dem 11. Januar 2024.
Grafik: Michael C. Zeller

Die Diskussion rund um ein Parteiverbot der AfD ist gut. Rechtliche Maßnahmen wie diese existieren aus einem bestimmten Grund: zum Schutz des demokratischen Systems und der verfassungsmäßigen Ordnung. Es ist gesund für ein politisches Gemeinwesen, die Grenze zwischen innerdemokratisch akzeptablem Radikalismus und demokratiegefährdendem Extremismus zu debattieren. Restriktive legale Maßnahmen sollten sparsam und mit Vorsicht eingesetzt werden. Allein das Reden über deren Möglichkeit unterstreicht die Tatsache, dass die AfD eine rechtsextreme und keine normale demokratische Partei ist. (Michael C. Zeller, 6.3.2024)