Auch das Schicksal hat seine schlechten Tage. An denen ist es garstig und rechthaberisch. Am ersten Tag der Donauabwärtsreise vom Othmar Pruckner, ein 25. April, hatte das Schicksal so einen Tag, an dem es lieber Lektionen erteilte, statt einfach gnädig zu sein.

Othmar Pruckner am Donauufer in Oberösterreich
Obwohl der Start der Reise etwas durchwachsen war – in Oberösterreich konnte Othmar Pruckner schon wieder gut lachen.
Othmar Pruckner

Pruckner machte sich mit dem Rad von Donaueschingen aus vierzig Kilometer und rund 400 Höhenmeter auf in Richtung Westen zur Bregquelle. "Die Breg, das zur Erklärung, ist der längere der beiden Donau-Quellbäche. Dort wollte ich hin, dort musste ich hin", wird er später in seinem Buch Donauabwärts festhalten – wie auch den Rest seiner Reise bis hinunter, wo die Donau ins Schwarze Meer mündet. Doch in der Minute, in der er aufs Rad stieg, fing es an zu nieseln. Aus dem Nieseln wurde rasch ein ordentlicher Regen, und bald mischten sich weiße Flocken zwischen die Wassertropfen.

Das Zeitkorsett

Das Schicksal rieb sich die Hände, als Pruckner rund acht Kilometer vor der Quelle ein Einsehen hatte und umkehrte. Er redete sich ein, dass den Ursprung der Breg zu besuchen ja ohnedies nur das Sahnehäubchen seiner Reise war. Auf diese Draufgabe musste er nun verzichten. Denn sein Zeitplan war so dicht, dass ein zweiter Anlauf am nächsten Tag nicht drinnen war. Heute weiß er: "Am Anfang meiner Reise hatte ich ein sehr enges Zeitkorsett – aber das muss man mir ja nicht unbedingt nachmachen."

Pruckner hat die Lektion des Schicksals sogar so weit verinnerlicht, dass er inzwischen die ganze Reise am liebsten noch einmal machen würde, "langsamer, in aller Ausgiebigkeit, mit Abstechern nach links und rechts, vielleicht zwei Jahre lang die Donau entlang runterfahren". Dann hält er kurz inne. "Ich übertreibe. Aber man kann schon eine sehr lange Reise aus der Tour machen."

Die Brücke der Freundschaft in Russe.
Die Brücke der Freundschaft in Russe.
Othmar Pruckner

Die Donau entlang flussabwärts zu fahren sei eine Reise, die jeder machen könne. Zumindest abschnittsweise. Man müsse ja nicht gleich die ganzen 3.300 Kilometer auf einmal in Angriff nehmen. Der Donauradweg gilt unter den Radfreaks als der einfachste der Welt, gibt Pruckner zu bedenken. Mehr noch: Es sei ein sehr schöner Radweg. "Überall", nicht nur in der Wachau, wo die meisten Menschen unterwegs sind.

Das richtige Tempo

Die Nachahmung empfiehlt er auch, weil mit dem Rad zu reisen auf viele Arten ideal ist. "Es ist eine langsame Art zu reisen, bei der man viel sieht, den Wechsel der Szenerie mitbekommt – aber man ist schnell genug, um an einem Tag 150 Kilometer zurücklegen zu können. Man bekommt ein gutes Gefühl für Entfernungen", sagt Pruckner. Als seine Tochter mit 13 Jahren wissen wollte, wie weit es von Wien nach Vrsar in Kroatien sei, ist er die Strecke mit ihr mit dem Rad gefahren. Und ähnlich entstand die Idee zur Donaureise.

"Ich wollte wissen, wie weit das wirklich ist, wie es ist, durch Rumänien oder durch Serbien zu fahren", und Pruckner kommt dabei sofort ins Schwärmen, erinnert sich an Bauten aus Zeiten des Osmanischen Reichs, an denen er vorbeikam, oder Versatzstücke aus der Römerzeit, die es beinah überall gibt.

der Blick von einer Brücke mit gelbem Eisengeländer
Die Reise führte Pruckner durch acht Staaten und zum eisernen Tor in Serbien.
Othmar Pruckner

"Serbien hat mich sehr überrascht", erinnert sich Pruckner und gibt zu, neben seinem 13 Kilogramm schweren Gepäck, das er in zwei Satteltaschen verstaut, und in Rollen am Oberrohr und am Lenker befestigt hatte, auch ein paar Vorurteile ins Land mitgenommen zu haben. "Novi Sad war gerade Kulturhauptstadt, als ich ankam und als normaler Reisender habe ich nur die Gastfreundschaft der Leute mitbekommen, aber nicht den Nationalismus."

Rohdiamanten

Auch Russe in Bulgarien hat den Radreisenden beeindruckt. "Die Geburtsstadt des Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti, wegen der vielen Gründerzeitbauten auch als Little Vienna bekannt, ist kein funkelnder Edelstein, aber ein Rohdiamant." Überhaupt sei die Landschaft entlang der bulgarischen Donau auf weiten Strecken "Terra incognita", wie Pruckner es nennt. Man sehe den Kommunen an, dass sie unter der sozialistischen Ära gelitten haben.

Wenn man es weiß, meint man in den Erzählungen Pruckners zu erkennen, dass er neben Deutsch auch Geografie studiert hat. Pruckner arbeitete als AHS-Lehrer, viele Jahre lang als Journalist, ist heute Autor von Sach- und Reisebüchern "und passionierter Alltags-, Rennrad und Radtourenfahrer", der sowohl gern in der Gruppe, aber auch sehr gern allein fährt. "Für so lange Distanzen", sagt er, "braucht man Leute, mit denen man sehr gut zusammenspielt".

Das Rad am Strand von Sulina.
Am Ende der Reise, am Strand von Sulina.
Othmar Pruckner

Die 33 Tage dauernde Reise die Donau entlang absolvierte er darum bis Budapest mit zwei weiteren Fahrern, ab da allein. "Acht Stunden allein auf dem Rad, das kann ich sehr genießen", sagt Pruckner, auch wenn er weiß, dass er solch lange Distanzen manchmal ein wenig spürt. Tagesettapen mit 150 Kilometern sind für ihn aber keine große Hürde. "Wenn man ein wenig im Training ist und keine 5.000 Höhenmeter dazwischenliegen, dann geht sich das schon gut aus", ist er überzeugt. "Andere fahren viel verrückter, 220 Kilometer am Tag etwa, wie Freunde von mir. Aber ich wollte die Reise ja nicht als extreme Tour anlegen, sondern es sollte Platz für ein vielschichtiges Programm sein."

Am Tag bevor er am Ende seiner Tour in Sulina in Rumänien ankam, landete dort auch ein Dauerschwimmer. "Andreas Fath", der deutsche Chemieprofessor und Extremschwimmer, "ist von Ulm bis ins Schwarze Meer geschwommen, auch um mit seinen Begleitbooten die Belastung der Donau mit Mikroplastik zu erforschen. Das ist viel extremer", versucht Pruckner seine Reise als etwas längeren und sehr schönen Ausflug darzustellen. Sehr schön auch deswegen, weil die Schandflecke auf der Reise viel seltener waren als die Schönheiten.

Donauaufwärts

"Das Kraftwerk unterhalb von Bratislava ist wirklich nicht schön, aber sonst ist die Donau in einem besseren Zustand als vor 20, 30 Jahren", sagt Pruckner. "Die Donau ist kein toter Fluss. Unterhalb des Eisernen Tors wird sie sogar sehr breit und darf ungezwungen fließen – dort hat sie noch Platz zum Leben."

Für die Heimfahrt hat Pruckner dann sogar die Perspektive gewechselt und ist nicht neben, sondern auf dem Wasser zurück nach Österreich. Er habe zwar keine "übertriebene Sehnsucht", auf dem Wasser zu reisen, aber die Rückfahrt auf einem Kreuzfahrtschiff betrachtet er als luxuriöse Belohnung für eine glückliche Reise.

Das Rad von Othmar Pruckner an der Bregquelle.
Das Rad von Othmar Pruckner an der Bregquelle. Wie es dorthin kam, steht ihm Buch.
Othmar Pruckner

Die einzige Panne hatte er in der Nähe eines Radgeschäfts, geregnet hat es nur an drei Tagen, und im Buch erzählt er, wie er sich eines schönen Tages an der Bregquelle sogar mit dem garstigen Schicksal ausgesöhnt hat. (Guido Gluschitsch, 10.3.2024)