Hand mit Taschenlampe leuchtet auf Person, die einen Bücherstapel trägt
"Plagiatserkennungsprogramme" sind unentbehrliche Hilfsmittel. Doch nicht alles, was sie erkennen, ist ein Plagiat.
Illustration: Armin Karner

Als jemand, der institutionell mit wissenschaftlicher Integrität befasst ist, lassen mir die Plagiatsvorwürfe gegen Alexandra Föderl-Schmid keine Ruhe. Silvia Ettl-Huber von der FH Burgenland hat in ihrem Gastkommentar im STANDARD schon zu Recht betont, dass Plagiatsvorwürfe von Fachleuten untersucht gehören. Wir erleben gerade auch in den USA, wie Plagiatsvorwürfe gezielt als Waffe zur Diffamierung prominenter Personen und von deren Institutionen eingesetzt werden. Dabei dienen sie keinesfalls der Verbesserung der wissenschaftlichen oder journalistischen Qualität und Integrität, wie Jonathan Bailey in seinem Artikel über "Weaponization of Plagiarism" in "Plagiarism Today" Anfang Jänner feststellte. Was besonders bedenklich ist: Ungeprüfte Plagiatsvorwürfe basierend auf Befunden einer "Plagiatssoftware" entwickeln sich zum Geschäftsmodell für Vorverurteilungen.

Angesichts dieser Entwicklung ist es mehr denn notwendig, sich klarzumachen, was denn eigentlich ein Plagiat ist. Darüber entscheidet keineswegs die "Plagiatssoftware", auf deren Trophäen sich die Jagd nach Plagiaten allzu oft beschränkt. Damit ich nicht missverstanden werde: "Plagiatserkennungsprogramme" sind unentbehrliche Hilfsmittel für Plagiatsüberprüfung und -vermeidung. Was sie erkennen, ist allerdings kein Plagiat, sondern eine Ähnlichkeit oder Gleichheit mit schon bestehenden Texten, auf die zugegriffen werden kann. Die Beurteilung, ob eine Textübereinstimmung nun ein Plagiat ist, bedarf der fachspezifischen Analyse nach Kriterien, die durch das Urheberrechts- und das Universitätsgesetz definiert sind und vom Gegenstand des infrage stehenden Textes abhängen.

"Die Paraphrasierung, also die sinngemäße Wiedergabe eines fremden Texts in eigenen Worten, mit korrekter Quellenangabe ist kein Plagiat."

Zunächst geht es um das Kriterium, ob die Übereinstimmung mit einer anderen Quelle eine Aneignung fremden geistigen Eigentums darstellt. Ist die ursprüngliche Quelle richtig zitiert, ist das Urheberrecht der Autorinnen und Autoren der Quelle gewahrt. Nach dem Universitätsgesetz (§ 51) liegt ein Plagiat vor, "wenn Texte, Inhalte oder Ideen übernommen und als eigene ausgegeben werden. Dies umfasst insbesondere die Aneignung und Verwendung von Textpassagen, Theorien, Hypothesen, Erkenntnissen oder Daten durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle und der Urheberin oder des Urhebers." Dies zu beurteilen erfordert ein fundiertes Verständnis eines Forschungsgegenstands in seinem gegenwärtigen Stand der Entwicklung, welches nur Expertinnen und Experten im jeweiligen Fachgebiet aufweisen.

Nicht jede Textübereinstimmung, die ein "Plagiatserkennungsprogramm" aufspürt, verletzt das Urheberrecht, selbst wenn keine Quelle angegeben wird. In vielen – nicht nur wissenschaftlichen – Bereichen haben sich Phrasen und formelhafte Wendungen entwickelt, die schon tausendfach für die Beschreibung bestimmter Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten verwendet wurden. Solche Textpassagen, Allgemeinwissen und das etablierte Standardwissen in einer wissenschaftlichen Disziplin unterliegen nicht dem Urheberrecht, weil ihnen die persönlich-kreative und originelle Schöpfungshöhe (Gestaltungshöhe) fehlt, die einen Urheberrechtsschutz begründen würde.

Liberale Verwendung

Die Paraphrasierung, also die sinngemäße Wiedergabe eines fremden Texts in eigenen Worten, mit korrekter Quellenangabe ist kein Plagiat. Ob sie sinnvoll ist, um der Erkennung durch eine "Plagiatssoftware" zu entgehen, ist eine andere Frage. Eine defensive Auffassung der Plagiatsvermeidung besagt allerdings, dass fremde Texte auf jeden Fall umformuliert werden sollten. Diese Forderung wird mittlerweile kritisch gesehen. Die Physikerin und Wissenschaftsjournalistin Sabine Hossenfelder sagt etwa: "Es ist ganz und gar überflüssig und schade um die Zeit, den gegenwärtigen Stand eines Forschungsgebiets immer wieder und wieder in eigenen Worten wiedergeben zu müssen, wenn kleine Aktualisierungen genügten. Wir müssen daran arbeiten, in der wissenschaftlichen Literatur zu einem Modell des 'Modular Writing' zu kommen."

Darunter wird eine liberale Verwendung von Textbausteinen anderer Autorinnen und Autoren verstanden, die bei sorgfältiger Quellenzitierung zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Bei der Beschreibung von Sachverhalten, Methoden und Verfahren, die etabliert und schon vielfach publiziert sind, ist eine Umformulierung nicht sinnvoll, sondern könnte bei unbeholfener Paraphrasierung sogar zu einer Verfälschung des Sachverhalts führen.

Redlichkeit und Respekt

Die Vermeidung von Plagiaten und Urheberrechtsverletzungen gehört zu den zentralen Anliegen der guten wissenschaftlichen Praxis. Sie ist jedoch eine komplexe Aufgabe, die in die Hände einer Prüfkommission gehört, deren Mitglieder die erforderliche Fachkenntnis und persönliche Integrität besitzen. Die öffentliche Zurschaustellung ungeprüfter Plagiatsvorwürfe erweist der Sache einen denkbar schlechten Dienst, da sie den Prinzipien der Redlichkeit und des gegenseitigen Respekts widerspricht, die zu den Grundsätzen der wissenschaftlichen Integrität zählen. (Peter Holzer, 13.3.2024)