Von wegen Nachtschwärmer: Das Abendessen wird in Restaurants immer früher eingenommen. Viele Gäste kommen zwischen 18 und 19 Uhr.
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Abends um 20.30 Uhr auf eine Pizza und ein, zwei Gläser Wein ins Restaurant und dann weiter in eine Bar? Was vor einigen Jahren noch gängig gewesen sein mag, haben sich viele abgewöhnt. Nun werden einige einwenden: Österreich war noch nie Italien, wo nicht vor 21 Uhr getafelt wird. Das stimmt natürlich. Doch das Abendessen scheint sich in den Lokalen merkbar nach vorn verschoben zu haben.

Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben. Die Pandemie hat das Essverhalten der Menschen verändert, die Teuerung macht sich auf den Speisekarten bemerkbar, oft setzen Lokale auf zweistündige Time-Slots, auf die man sich am frühen Abend eher einlässt. Aber nicht nur das. Die Arbeitsmodelle sind flexibler geworden, wer Teilzeit arbeitet, besucht möglicherweise früher ein Lokal. Und dann wäre da noch die Generation Z, die am liebsten schon um 21 Uhr ins Bett geht. Eh klar, dass dann nicht um 20 Uhr ein Tisch im Lieblingslokal reserviert wird. Doch was ist wirklich dran an der Beobachtung? Wir haben uns bei österreichischen Gastronomen und Gastronominnen umgehört.

Ist der Aperitivo schuld?

Max Leyerer von der Pizzeria Riva in der Türkenstraße kann die Beobachtung bestätigen. Bei ihm essen Gäste heute tendenziell früher zu Abend als noch vor einigen Jahren. Beinahe täglich sei das Lokal bereits um 17.30 Uhr oder 18 Uhr gut besucht. Der Löwenanteil derer, die spontan vorbeikommen oder kurzfristig reservieren, komme zwischen 18.30 und 19 Uhr. Vor der Pandemie war das in der Pizzeria anders, damals war die erste Gästewelle zwischen 20 und 20.30 Uhr Standard. Heute hingegen wird es im Lokal um 20.30 Uhr schon wieder ruhiger, vor allem unter der Woche.

Leyerer vermutet, dass der Trend zum Aperitif am Nachmittag oder frühen Abend, der in Wien in den letzten Jahren massiv aufgekommen sei, Menschen eher dazu verleite, früher zu essen. Der relevanteste Faktor für das veränderte Verhalten sieht er in der Teuerungswelle: "Man merkt, dass viele Restaurantgäste bewusster konsumieren und der Verkaufsanteil an nichtalkoholischen Getränken gestiegen ist." Wenn früher nach einem Restaurantbesuch noch ein Barbesuch auf dem Programm stand, überlegen sich das viele mittlerweile sehr genau. Das sei ihm durch viele Gespräche mit befreundeten Bar-Inhaberinnen uns -Inhabern bewusst geworden. "Früher waren Restaurants für viele Besucherinnen und Besucher ein Zwischenstopp vor Bars und Clubs – das hat sich geändert."

Spätesser ausgestorben

Auch Paul Peters, der 2017 das Linzer Lokal Die Donauwirtinnen übernommen hat, bestätigt den Trend zum früheren Essengehen. In sein Lokal kommen mittlerweile viele Gäste schon um 17.30 Uhr. Seiner Einschätzung nach ist diese Entwicklung auf die Corona-Zeit zurückzuführen: "Spätesser sind quasi so gut wie ausgestorben." Das Lokal hat mittlerweile reagiert, die Öffnungszeiten wurden dahingehend verändert. Früher war die Küche bis 22 Uhr offen, heute kann bis 20.30 bestellt werden. Am Wochenende wird Pizza nur so lange serviert, bis diese aus ist: "An starken Tagen wird manchmal auch um vier schon zusammengeräumt." Ihm kommt diese Entwicklung entgegen. Das sehr späte Abendgeschäft sei bei den Donauwirtinnen nie wirklich eine Stoßzeit und damit gewinnbringend gewesen. Ein weiterer Vorteil: So sei man heute zu halbwegs humanen Zeiten mit der Arbeit fertig. Peters beobachtet, dass viele andere Lokale ihre Öffnungszeiten auch nach vorn verschoben haben, sich die Konsumenten und Konsumentinnen möglicherweise an die Vorgaben der Gastronomen gewöhnt und angepasst haben.

Woran es liegt, dass sich Nachteulen mittlerweile seltener in sein Lokal zum Essen verirren, darüber will er nur spekulieren. "Mir kommt generell vor, dass sich das Nachtleben seit Corona etwas nach vorn verschoben hat – ich hoffe, es liegt nicht nur daran, dass ich immer älter werde." Peters beobachtet aber auch, dass sich für viele die täglichen Routinen durch Homeoffice und Co gewandelt haben. Die gesteigerte Flexibilität ermögliche, den Tag freier zu gestalten. Ebenso spiele ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein hinein: "Wer hat schon große Lust darauf, mit einem Stein im Bauch schlafen zu gehen?" Was speziell in seinem Lokal außerdem entscheidend sein könnte: Viele Gäste zögen nach dem Essen noch weiter oder besuchten Kulturveranstaltungen.

Touristen essen später

Hans Schmid, Wirt des Innenstadtlokals Chamäleon, das vor allem für seine Fondue-Variationen bekannt ist, erwähnt im Gespräch mit dem STANDARD die Tatsache, dass seine Gäste seit Corona in der Regel früher kommen und sein Lokal auch wieder früher verlassen. Auf die Frage, warum das so sei, sagt er: "Ich habe keine Ahnung, aber mir soll es recht sein." Ein Vorteil dieser Entwicklung dürfte also darin liegen, dass auch Wirtsleute früher ins Bett kommen, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war.

Alexandra Domini vom Friedensrichter im zweiten Bezirk kann bei den einheimischen Gästen kein verändertes Reservierungsverhalten beobachten: "Die Öffnungszeiten mit 15 Uhr kommen bei unseren älteren Gästen sehr gut an, da sie nicht mehr so spät essen können oder möchten." Beim Friedensrichter wird zu 80 Prozent ab 19 Uhr reserviert. Nur eine Gruppe tickt anders, meint Domini: "Touristen kommen generell spät essen!" (red, 15.3.2024)