Feld, Bauer, Traktor
Dem Krieg zum Trotz: ein Bauer auf seinem Feld in der Region Sumy in der Ukraine.
Foto: AP / Hanna Arhirova

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind inzwischen zwei Jahre vergangen. Dabei greift Russland weiterhin die Industrie und Infrastruktur der Ukraine an, und die Ukraine zeigt angesichts massiver und wirtschaftlicher Kosten weiterhin ihre Resilienz. Ende 2022 war das ukrainische BIP um zirka 30 Prozent gesunken, und die Inflation war steil von zehn Prozent auf 26,6 Prozent gestiegen. Es gab mehr als zehn Millionen ukrainische Vertriebene, und die Arbeitslosenquote lag in der Spitze bei 24,5 Prozent. Die ukrainische Notenbank hatte ihre Währung von 29 auf 36,57 Hrywnja pro US-Dollar abgewertet.

Doch seit diesem dunklen Anfangskapitel hat die ukrainische Währung Anzeichen der Resilienz und der Erholung gezeigt. Der Internationale Währungsfonds konstatierte im Dezember 2023, dass die makroökonomischen Kennzahlen der Ukraine "besser als erwartet" seien. Der IWF hat seine Prognose für das BIP-Wachstum der Ukraine von zwei Prozent auf 4,5 Prozent korrigiert und erwartet einen Rückgang der Inflation auf 5,5 Prozent. Angesichts der sinkenden Inflation hat die ukrainische Notenbank ihren festen Wechselkurs durch einen "gesteuerten flexiblen" Wechselkurs ersetzt, und die Zinssätze sind von 25 Prozent zu Jahresbeginn 2023 auf inzwischen rund 15 Prozent gesunken.

"Der Westen seinerseits muss die Ukraine weiterhin finanziell und militärisch unterstützen, und er sollte die Wirtschaftssanktionen verschärfen, um Russland die Ressourcen vorzuenthalten, die es zur Führung seines Angriffskrieges braucht."

Die russische Wirtschaft zeigt derweil Anzeichen der Belastung. Ein Bericht des US-Finanzministeriums stellt fest, dass Russlands Wirtschaft um fünf Prozent kleiner ist, als sie es gewesen wäre, wäre Präsident Wladimir Putin nicht in der Ukraine einmarschiert. Derselbe Bericht merkt an, dass die Sanktionen das Wachstum der russischen Wirtschaft tatsächlich begrenzt und zu höheren Zinssätzen (16 Prozent im Dezember 2023) und einer Abschwächung des Rubels geführt hätten. Der Wechselkurs stieg von 69 Rubel pro US-Dollar Anfang 2023 auf 100 Rubel pro US-Dollar im Oktober 2023.

Unsicherer Wechselkurs

Inzwischen hat sich der Wechselkurs zwischen 88 und 93 Rubel pro US-Dollar eingependelt. Das liegt an den Bemühungen der russischen Notenbank, die Währung durch Verhängung von Kapitalkontrollen zu stärken. Russische Exporteure in 43 Branchen sind nun verpflichtet, 90 Prozent ihrer eingenommenen Devisen in Rubel umzutauschen. Diese drastische und kurzfristig umgesetzte Taktik legt nahe, dass weiterhin eine Wolke der Unsicherheit über Russlands Finanzsystem schweben wird, die eine weitere Destabilisierung des Wechselkurses androht.

Die unmittelbaren Ursachen der jeweiligen wirtschaftlichen Herausforderungen der Ukraine und Russlands sind enorm unterschiedlich, obwohl sie alle letztlich aus Putins persönlicher Entscheidung herrühren, einen Krieg zu beginnen.

Standhaft geblieben

Für die Ukraine besteht die zentrale Tatsache darin, dass die Kämpfe fast ausschließlich auf ihrem Gebiet stattfinden, wobei Russland direkt ihre Produktionsanlagen, Verkehrswerte, Bildungseinrichtungen und zivile Infrastruktur angreift. Die durch russische Luftangriffe bedingten Schäden an der ukrainischen Energieinfrastruktur im Winter 2022 reichten deutlich über die zerstörten Vermögenswerte hinaus. Zusätzlich zu den 8,8 Milliarden US-Dollar an direkten Schäden kamen die Schäden für Kleinunternehmen, von denen viele gezwungen waren, ihren Betrieb zu schließen oder erheblich umzustellen. Diese Störungen hatten weitreichende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen; sie bargen laut Aussage des Vorsitzenden des finanz-, steuer- und zollpolitischen Ausschusses des ukrainischen Parlaments die Gefahr von wirtschaftlichen "Verlusten von mehr als 200 Millionen Dollar" pro Tag, an dem Stromausfälle auftraten.

Die Ukraine blieb damals standhaft. Sie hat seitdem mindestens 62 Prozent der zerstörten Wärmekraftwerke, 68 Prozent der Wasserkraftwerke und 80 Prozent der Stromleitungen repariert. Doch bleiben russische Luftschläge eine akute Bedrohung in jenen Teilen des Landes, wo es an einer ausreichenden Luftverteidigung fehlt.

Eigenes Missmanagement

Die russischen Angriffe haben zudem die ukrainischen Exportaktivitäten gestört. Die Ukraine ist einer der weltweit wichtigsten Lieferanten von Getreide, und die Getreideexporte belaufen sich auf durchschnittlich zehn Prozent des jährlichen BIPs des Landes. Seit Ende Februar 2022 hat die russische Marine den Transport von 20 Millionen Tonnen Getreide durch das Schwarze Meer verhindert und "tausende Tonnen Getreide" zerstört, die in den Häfen der Ukraine lagerten.

Doch nachdem Russland sich im Juli 2023 aus dem von den Vereinten Nationen gestützten Schwarzmeer-Abkommen zurückzog, schaffte es die Ukraine, im folgenden Monat einen neuen Schifffahrtskorridor einzurichten. Bridget A. Brink, die US-Botschafterin in der Ukraine, berichtet, dass bis Mitte Jänner bereits 16,5 Millionen Tonnen Getreide entlang dieser Route verschifft wurden, während die vorherige von den UN vermittelte Vereinbarung über das Gesamtjahr hinweg lediglich zum Transport von 33 Millionen Tonnen geführt hatte. Die wirtschaftlichen Aussichten der Ukraine bleiben trotz russischer Bemühungen, sie zu trüben, gut.

Auf russischer Seite resultiert der größte Teil der wirtschaftlichen Verluste aus eigenem Missmanagement und den westlichen Sanktionen. Analysten verweisen darauf, dass Russland aufgrund militärischer Verluste und des Exodus von Männern, die vor der Zwangseinberufung flüchten, vor einer "demografischen Krise" steht. Darüber hinaus wurde die Wirtschaft durch sinkende Öl- und Gaseinnahmen und einen ständigen, lähmenden Mangel an im Westen produzierten Ersatzteilen und Werkzeugen geschwächt. Während die Wirtschaftssanktionen den Krieg nicht zu stoppen vermochten, haben sie die russische Wirtschaft erfolgreich belastet.

Russland hat sich all diese Probleme natürlich selbst zuzuschreiben. Es ist mit Sicherheit nicht im Begriff, den Krieg zu gewinnen – weder militärisch noch an der wirtschaftlichen Front. Die Ukraine ist dabei, sich von der ursprünglichen Erschütterung zu erholen, und wenn sich die robuste Unterstützung aus dem Ausland fortsetzt, wird sie in einem Abnutzungskrieg die Oberhand haben.

Stärkere Unterstützung

Doch machen wir uns nichts vor: Die Ukraine braucht dringend stärkere militärische Kapazitäten, um ihre Bürgerinnen und Bürger und ihre Wirtschaft vor russischen Luftangriffen zu schützen. Die von den USA, Norwegen, Deutschland und anderen Ländern zur Verfügung gestellten Luftverteidigungssysteme haben im letzten Winter eine unverzichtbare Rolle dabei gespielt, die russischen Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur zu neutralisieren. Darüber hinaus braucht die Ukraine größere Kapazitäten, um die Intensität der russischen Luftschläge durch Schläge gegen Russlands eigenen militärisch-industriellen Komplex zu verringern.

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ORF

Der Westen seinerseits muss die Ukraine weiterhin finanziell und militärisch unterstützen, und er sollte die Wirtschaftssanktionen verschärfen, um Russland die Ressourcen vorzuenthalten, die es zur Führung seines Angriffskrieges braucht. Sekundärsanktionen können eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung bestehender Beschränkungen für Russlands Handel und Finanzwirtschaft spielen. All diese Elemente sind nicht nur umsetzbar, sondern dringend erforderlich, um der Ukraine zu helfen, sich zu verteidigen. (Anastassia Fedyk, Yuriy Gorodnichenko, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 15.3.2024)