Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott
Zeigt sich alles andere als einsichtig: Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott.

Es war eine Meldung, die schnell für Aufsehen sorgte. "Russen-Spion Egisto Ott legte Geständnis ab", berichtete die "Kronen Zeitung" am 2. April in riesigen Lettern. Und fügte an: "Polit-Szene zittert". Das wäre wohl tatsächlich der Fall, hätte sich Ott zu den Vorwürfen gegen ihn bekannt: etwa jenem der mutmaßlichen Russland-Spionage. Nur erzählte der Ex-Verfassungsschützer nach seiner Festnahme Ende März durchaus etwas, aber mit einem Geständnis hatte das nichts zu tun.

Das betonten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Wiener Straflandesgericht umgehend, als die Boulevardgeschichte aufkam. Dem STANDARD liegt nun die gesamte Einvernahme Otts vor. Und das Bild deckt sich mit jenem der Justizbehörden. Ott spielte sich vielmehr als Investigativjournalist auf.

Dritter Geheimlaptop "bei einem Informanten"

Ott sagte am späteren Nachmittag des 30. März aus, dass es "nur um mich geht", nicht um seinen ebenfalls beschuldigten Ex-Schwiegersohn. Dessen Wiener Adresse tauchte in Chats rund um Jan Marsalek auf. Der flüchtige Ex-Vorstand der deutschen Wirecard soll dort im Juni 2022 unter anderem eine Übergabe von Smartphones an bulgarische Agenten orchestriert haben, um die Geräte weiter nach Russland zu lotsen. Ermittler nehmen an, dass es sich dabei um die gestohlenen Smartphones dreier österreichischer Spitzenbeamter handelte. Zumindest ein Beamter gab in seiner Einvernahme an, dass sich möglicherweise Staatsgeheimnisse auf seinem Handy befanden, zumindest "heikle Daten" aus einem Ministeriumsbüro.

"Es ist meine Sache", betonte Ott. Sein Ex-Schwiegersohn sei "hier völlig ahnungslos hineingeraten".

Ott hat laut eigenen Angaben einen Schlüssel zu der Wohnung. Er sei oft alleine dort, da er auf die Hunde aufpasse. Es könne nach Otts Erinnerung auch durchaus möglich sein, dass er bei den insgesamt drei Übergaben von Marsaleks Agenten alleine in der Wohnung gewesen sei.

An der Adresse der Wiener Wohnung soll im November 2022 auch ein sogenannter Sina-Laptop an bulgarische Agenten um Marsalek übergeben worden sein, die für Russland spionierten. Jene Geräte werden unter anderem beim deutschen Verfassungsschutz verwendet, da sie über eine besondere Verschlüsselung verfügen.

Der ehemalige Verfassungsschützer sagte aus, dass es insgesamt fünf solcher Sina-Laptops gebe. "Diese wurden von einem Investigativjournalisten in Österreich angeschafft und dienen der internen Kommunikation dieser Journalisten", erzählte Ott. Namen nannte er keine. Nur, dass er selbst drei solcher Geräte bekommen habe. Eines davon sei an seinem Wohnsitz in Kärnten sichergestellt worden, ein weiteres in Otts Wiener Wohnung. "Der dritte Laptop befindet sich bei einem Informanten im Ausland." Näher ins Detail ging Ott nicht. Jedenfalls sei der Laptop nicht ins Russland. Die Geräte vier und fünf sollen in den Händen eines Investigativjournalisten und seines Mitarbeiters sein.

"Keine geheimdienstliche Gruppierung"

Wie Ott vor Ermittlern festhielt: "Wir sind grundsätzlich keine geheimdienstliche Gruppierung." Sina-Laptops habe man verwendet, um Informanten zu gewinnen und mit diesen zu kommunizieren. Ott präsentierte sich und seine mutmaßlichen Komplizen in der Einvernahme sogar als Investigativjournalisten: "Wir decken, egal wo, einfach Schweinereien meistens mit nachrichtendienstlichem Hintergrund auf. Egal welcher Dienst oder welche Operation, von Ost bis West, also weltumspannend."

Die drei Smartphones österreichischer Spitzenbeamter, die über Marsalek in die Hände des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB geraten sein dürften, will Ott einst in einem Kuvert in seinem Briefkasten aufgefunden haben. "Von wem, ist mir nicht bekannt." Mit der Übergabe der Telefone an Russland habe Ott aus seiner Sicht nichts zu tun. Vielmehr will er sie an seinem Wohnsitz in Kärnten "physisch vernichtet" haben, wie er aussagt, "sprich mit dem Fäustel zugeschlagen". Danach habe Ott sie in der Mülltone entsorgt.

Ott bekundete schließlich, nachdem ihn Polizeibeamte von seinem Wohnsitz in Kärnten nach Wien überstellt hatten, dass er in einen Hungerstreik treten werde.

Die Ermittler stellten bei Ott übrigens nicht nur zwei Sina-Laptops sicher, sondern neben Datenträgern "dienstlicher Herkunft" und nachrichtendienstlichen Unterlagen interessanterweise auch eine folierte Fahrzeugkarte des Innenministeriums und ein dienstliches Blaulicht.

In der Causa Ott laufen dem Vernehmen nach aktuell acht Verfahren mit 30 Beschuldigten. Die Ermittler führten bereits an die 500 Einvernahmen und stellten etwa 5,5 Terabyte an Datenmaterial sicher. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 10.4.2024)