In seinem Gastkommentar wirft der Schriftsteller Ludwig Laher Licht auf den Komponisten der Salzburger Landeshymne.

Salzburger Glockenspiel, Detail einer der 35 Glocken
Hat in mehr als 300 Jahren vieles gesehen: das Glockenspiel auf dem Residenzplatz in der Salzburger Altstadt.
Foto: Picturedesk / APA / Barbara Gindl

Als die IG Autorinnen Autoren kürzlich öffentlichkeitswirksam eine Diskussion über von Nationalsozialisten, Kriegsverherrlichern und/oder radikalen Antisemiten verfasste beziehungsweise komponierte Landeshymnen anregte, reagierte Salzburgs Wilfried Haslauer (wie andere Landeshauptleute auch) sofort schroff ablehnend. Die von Ernst Sompek komponierte Landeshymne Land unsrer Väter sei "ein unverrückbares Identifikationssymbol für die Bevölkerung" und werde nicht angetastet.

Geehrte Komponisten

Das unter der Flagge der Salzburger Nachrichten firmierende Salzburgwiki weiß über Sompek kein kritisches Wort zu vermelden. Verstorben 1954, wurde er 1962 mit einer bislang unangetasteten Straßenwidmung im Stadtteil Riedenburg geehrt. Damals spielte es keine Rolle, dass mit Umbenennungen in dicht besiedeltem Gebiet zahlreiche Adressänderungen verbunden waren, heute eine beliebte Ausrede fürs Beharren auf höchst problematischen Straßennamen. Extra wurde nämlich ein Teil der Schwimmschulstraße umbenannt.

Sompek war bis zu dessen Tod ein enger Freund des 1938 zum NS-Ehrenbürger von Salzburg gemachten Komponisten, fanatischen illegalen Nazis und Trägers des goldenen Parteiabzeichens Josef Reiter (die Ehrenbürgerschaft wurde ihm erst 2014 aberkannt). Sompek dirigierte zum Beispiel ein Werk des Kollegen bei den "gereinigten" Salzburger Festspielen 1938 und auf Reiters persönlichen Wunsch mit dem Mozarteum-Orchester in Hitlers wie Reiters Geburtsstadt Braunau im Oktober darauf unter anderem Reiters Festmarsch Ein Volk, ein Reich, ein Führer.

In der NS-Presse dokumentiert

Wes Geistes Kind Sompek war, übrigens schon lange vor dem Anschluss, ist dereinst in der NS-Presse wiederholt dokumentiert worden. So stellte er unmittelbar nach Reiters Tod dem Salzburger Volksblatt stolz manch bedeutsamen Auszug aus ihrem langjährigen Briefwechsel zur Verfügung. Worüber sich die beiden 1927, also um die Zeit, als Sompek die Landeshymne komponierte, brieflich unterhielten, ist am 10. Juni 1939 in großer Aufmachung faksimiliert im Volksblatt nachzulesen. Professor Reiter schreibt da an Professor Sompek wörtlich: "Wenn ich ein Zauberer wäre, würde ich morgen früh an der Spitze von 200.000 Mann in Wien stehen: mittags wären dann schon alle Ringstraßenbäume mit aufgehenkten (sic!) Juden und deren Regierungssöldlingen geschmückt und für den Pöbel würde die Prügelstrafe eingeführt. Ja wann! wann! Wann wird sich das deutsche Volk auf sich selbst besinnen und seinen wahren Feinde erkennen? Gott bessere es! Aber bald!"

Neuer Satz

Der Völkische Beobachter wiederum vermeldet am 10. Oktober 1941 entzückt: "Am Donnerstag um 11 Uhr vormittags erklang zum ersten Mal im Salzburger Glockenspiel das Horst-Wessel-Lied. Ein Arbeiter hatte während eines Wehrmachtsurlaubes den Satz für die Glockenmechanik gesteckt, den Professor Ernst Sompek in Salzburg nach der üblichen Singweise beigestellt hatte." Und das Salzburger Volksblatt setzt Sompeks große Tat auch gleich sinnreich in Beziehung zum großen Ganzen: "Das alte Salzburger Glockenspiel will in der neuen Zeit nicht zurückbleiben (...) und spielt nun auch das Horst-Wessel-Lied. Es klang ja schon so oft vom Residenplatz auf aus den Reihen der jungen Nation zu den alten Glocken. Am gestrigen Donnerstag nun, es war um 11 Uhr, da gaben sie es zum ersten Mal zurück, in hellem und freudigem Klingen. So, als hätten sie schon die neuen stolzen Erfolgsmeldungen vorausgewußt, die der deutsche Rundfunk wenige Stunden später in einer neuen Sondermeldung von dem Schicksalsmarsche berichten konnte, den Horst Wessel mit seiner SA begonnen hatte und den nun die Kolonnen der deutschen Wehrmacht vollenden ..."

Schwülstiger Schollentext

Leuten wie Sompek und dem Kriegsverherrlicher Anton Pichler, der den schwülstigen Schollentext beisteuerte, in dem die Glocken den Reigen beginnen (womit wohl?), verdankt Salzburg also sein laut Haslauer unverrückbares Identifikationssymbol für die Bevölkerung, das Land unsrer Väter. Ob das Glockenspiel das Horst-Wessel-Lied technisch noch immer vorrätig hält?

Es wäre übrigens durchaus denkbar, dass die österreichische Bundeshymne heute nicht zur Melodie Mozarts gesungen würde, sondern zu jener von Sompek, der 1946 im Wettbewerb dafür den ehrenvollen fünften Platz errang ... (Ludwig Laher, 13.6.2023)