Durchwachsene Werte für GIS-Akzeptanz und ORF-Leistungen in der STANDARD-Umfrage: Roland Weißmann führt den ORF seit 1. Jänner als ORF-General.

Foto: APA / Roland Schlager

Linz/Wien – Die GIS oder eine vergleichbare ORF-Abgabe wird spätestens 2024 auch für das bisher gebührenfreie Streaming fällig: Das entschied der Verfassungsgerichtshof, und die Medienministerin tüftelt gerade am künftigen Bezahlsystem für den ORF für alle wesentlichen Nutzungsmöglichkeiten.

Aber wie akzeptiert ist die GIS, und wie sehen die Österreicherinnen und Österreicher ab 16 Jahren die Gegenleistungen des ORF für die Rundfunkgebühr? DER STANDARD ließ das Linzer Market-Institut die Einstellung zum öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Rundfunk erheben.

Fünfer von FPÖ-Wählern

Fragt man FPÖ-Wähler, ob die Leistungen des ORF das Geld wert seien, das sie mit der Rundfunkgebühr zahlen, so bekommt man eine eindeutige Antwort: Zwei Drittel geben dem ORF dann auf der fünfstufigen Schulnotenskala einen Fünfer. Selbstverständlich fragte das Market-Institut im Auftrag des STANDARD nicht bloß Freiheitliche, sondern eine für die österreichischen Wahlberechtigten repräsentative Stichprobe – aber da hagelte es auch 36 Prozent "Nicht genügend" und weitere 19 Prozent, die gerade noch einen Vierer vergaben.

"Keine Seligsprechung des ORF"

Diese Daten zeigen, dass die Beurteilung der Leistungen des ORF in hohem Maße von der politischen Einstellung abhängig ist – "aber insgesamt gibt es viel Luft nach oben, eine Seligsprechung für den ORF ist das nicht gerade", sagt Market-Institutschef David Pfarrhofer. Immerhin vergibt nur ein Fünftel aller Befragten die Noten Eins oder Zwei für den Wert der Leistungen des ORF.

Höchste Zufriedenheit bei Grün- und SPÖ-Wählern

Die relativ höchste Zufriedenheit bekunden Befragte, die bei einer Nationalratswahl die Grünen oder die SPÖ wählen würden.

Höhere Wertschätzung für Öffi-Funk als in Deutschland

Pfarrhofer unterstreicht aber, dass dieser Befund nicht als generelle Ablehnung des ORF gedeutet werden sollte – die Wertschätzung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist hierzulande sogar höher als in Deutschland, wo laut einer ähnlichen Umfrage für "Die Zeit" im Sommer 30 Prozent sagten, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei ihnen gar nicht wichtig. In Österreich finden ihn nur 17 Prozent gar nicht wichtig, ebenfalls 17 Prozent finden ihn sehr wichtig – die Polarisierung ist also nicht so stark wie im Nachbarland.

Grüne ORF-Fans

Auch bei der Frage nach der Wichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigen sich deutliche Unterschiede, wenn man die politischen Präferenzen der Befragten untersucht: Grünen-Wähler sind signifikant stärker von der Bedeutung des ORF überzeugt als die Wählerschaften anderer Parteien. Nicht ganz so stark ist die höhere Wertschätzung unter höher Gebildeten und in der städtischen Bevölkerung ausgeprägt.

Blaue für Budgetfinanzierung, Grüne für GIS

Die Frage, wie der ORF finanziert werden sollte, wird ebenfalls anhand dieser Muster beantwortet: Menschen mit niedriger formaler Qualifikation sprechen sich in höherem Maß für eine Finanzierung des ORF durch das Bundesbudget aus, ebenso Menschen mit Neigung zu FPÖ und MFG – Grüne dagegen stehen eher zur GIS-Gebühr.

FPÖ- und ÖVP-Anhänger sehen lieber mehr Werbung

Wer FPÖ oder ÖVP wählt, ist auch eher geneigt, mehr Werbung im ORF als Finanzierungsalternative zu befürworten. Die Gegenposition – dass es gut ist, dass der ORF nicht ausschließlich werbefinanziert ist – hat eine relative Mehrheit hinter sich, wiederum besonders in der Grünen-Wählerschaft, in der Pfarrhofer besonders viele konsumkritische Menschen vermutet.

"Tendenziell links" eingeschätzt

Die politische Dimension wird klar, wenn man die politische Ausrichtung des ORF abfragt. DER STANDARD ließ dazu die Statements vorlegen, dass ...

  • ... der ORF völlig objektiv sei – dies bekommt die Durchschnittsnote 3,38.
  • ... der ORF tendenziell links sei – was mit 2,74 eine höhere Zustimmung bekommt.
  • ... der ORF tendenziell rechts sei – das glaubt kaum jemand, Durchschnittsnote 4,03.

Besonders FPÖ-Anhänger, aber auch viele ÖVP-Gefolgsleute sind der Meinung, dass der ORF links stehe. Wähler von Grünen und SPÖ sehen die Berichterstattung dagegen in hohem Maße als neutral an.

Impfung und Regierungsnähe

Inhaltliche Kritik wird – vor allem aus der Wählerschaft von Oppositionsparteien – unter anderem daran festgemacht, dass in der Berichterstattung häufig die Regierungsposition und wenig Kritik daran wahrgenommen wird. Das erklärt Pfarrhofer mit Erinnerungen an die gehäuften Auftritte von Regierungspolitikern während der Corona-Pandemie: "Die Ansicht, der ORF bringe vor allem Regierungspositionen, wird besonders stark von Impfskeptikern und Impfgegnern vertreten. Rund 60 Prozent der Personen, die sich als weder gegen Corona geimpft noch genesen bezeichnen, sind völlig der Meinung, dass der ORF nur Regierungspositionen bringe – unter den vollständig Geimpften sind es nur 15 Prozent."

Anerkennung für Kulturproduktion

Gleichzeitig gibt es mehr oder weniger Anerkennung dafür, dass der ORF mit seinen Produktionen heimische Künstlerinnen und Künstler fördert (Note 2,74), dass er eine Alternative zu Privatsendern bietet (Note 2,95) – die Wirtschafts- oder Minderheitenberichterstattung bekommt deutlich weniger Zuspruch. Schließlich stimmt nur etwas mehr als ein Viertel der Befragten mit den Noten Eins und Zwei der Aussage zu, dass der gebührenfinanzierte ORF wichtig für die Identität des Landes ist.

Länderanteile an GIS wenig bekannt

Dass von den bezahlten Rundfunkgebühren rund ein Drittel an Bund und sieben von neun Bundesländern geht, ist übrigens nur etwa der Hälfte (52 Prozent) der Beitragszahler bewusst. 38 Prozent haben noch nie davon gehört.

Die Ausgangsstimmung für eine Haushaltsabgabe für den ORF, wie sie die Regierung als GIS-Nachfolgemodell planen soll, ist also schwierig. Jüngste Sparpläne beim öffentlich-rechtlichen Aushängeschild Ö1 – hier dürfte inzwischen ein Kompromiss gefunden sein – und Umbauideen für den Alternative-Kultursender FM4 sorgen für heftige Aufregung – mehr zu Baustellen und Themen des ORF unten im Infokasten. (Conrad Seidl, Harald Fidler, 12.10.2022)