ORF-Gesetz ist am Dienstag Thema im Verfassungsausschuss.
Das neue ORF-Gesetz ist am Dienstag Thema im Verfassungsausschuss.
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Wien – Am 14. Juni hat die Novelle zum ORF-Gesetz den Ministerrat passiert, am Dienstag geht sie durch den Verfassungsausschuss des Parlaments. Die Novelle bringt einen neuen ORF-Beitrag in Höhe von 15,30 Euro pro Monat (statt 18,59 Euro) in Form einer Haushaltsabgabe anstatt der gerätegekoppelten GIS-Gebühr. Dafür bekommt der ORF mehr digitale Möglichkeiten, im Gegenzug schärfere Transparenzbestimmungen und Beschränkungen für Textbeitrage auf ORF.at sowie für Werbung in Radio und Online.

Die Novelle zum ORF-Gesetz hat am Dienstag mit Stimmen von ÖVP und Grünen den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert. Kritik am Reformpaket kam erneut von der Opposition. Die SPÖ vermisst eine soziale Staffelung des Beitrags, während die FPÖ ein Aus für die Haushaltsabgabe fordert.

Die Regierungsparteien zeigten sich erneut zufrieden mit dem Vorhaben. Es sei "wirklich ein großes Stück gelungen", betonte die Grüne-Mediensprecherin Eva Blimlinger laut Parlamentskorrespondenz. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hob hervor, dass es für viele Menschen zu einer deutlichen Reduzierung des ORF-Beitrags kommen werde. Aktuell beträgt die GIS-Gebühr 18,59 Euro, zusätzlich allfälliger Landesabgaben. Die digitalen Möglichkeiten für den Sender werden erweitert, gleichzeitig kommt es zu einer Reduktion der Textmeldungen auf orf.at sowie stärkeren Werbebeschränkungen.

Initiatoren des GIS-Volksbegehrens nicht bei Sitzung

Ein Punkt auf der Tagesordnung im Verfassungsausschuss war auch das Volksbegehren "Gis Gebühr abschaffen". Das Volksbegehren wurde vergangenen Herbst von rund 364.000 Personen unterzeichnet. "Der Bundesverfassungsgesetzgeber möge die GIS Gebühr abschaffen. Die von einem großen Teil der Bevölkerung als solche wahrgenommene abnehmende Programmqualität, eine fragwürdige Erfüllung des öffentlichen Bildungsauftrags, parteipolitische Besetzungen der Führungspositionen und des Stiftungsrats sowie die Abschaffung wichtiger Sportübertragungen rechtfertigen die bestehende Gebühr aus Sicht der Initiatoren nicht. Eine streng zweckgewidmete Gebühr zur Finanzierung von Ö1 ist hingegen legitim“, hieß es damals im Text zum Volksbegehren.

Zu diesem Tagesordungspunkt sind im Verfassungsausschuss auch Experten, unter anderem Jurist Nikolaus Forgo oder Medienwissenschafter Leonhard Dobusch geladen, diskutiert wird über die Aufgaben und den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und auch die Organisation der ORF-Gremien. Die Initiatoren des Volksbegehrens nehmen an der Sitzung heute nicht teil. Das sei "demokratiepolitisch bedenklich" und "ignorant", sagt Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen. 

Leichtfried vermisst soziale Staffelung

 "Die SPÖ will einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und eine gesicherte Finanzierung des ORF. Die konkrete Ausgestaltung der türkis-grünen Haushaltsabgabe, wie sie heute im Verfassungsausschuss von ÖVP und Grünen beschlossen worden ist, lehnen wir allerdings ab", sagt SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried im Verfassungsausschuss. Vor allem fehle eine soziale Staffelung des ORF-Beitrags. "Egal ob eine Alleinerzieherin mit geringem Einkommen oder mehrere Spitzenverdiener in einer Villa – es wird jeweils nur der gleiche einmalige Betrag fällig. Die neue Haushaltsabgabe wäre aber die Gelegenheit gewesen, auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Haushalte abzustellen", so Leichtfried. 

Eine vertane Chance sieht der SPÖ-Mediensprecher auch in Sachen Gremienreform. "Als rot-weiß-rotes Leitmedium kommt dem ORF eine besondere Rolle zu. Eine Reform, die die Unabhängigkeit des ORF stärkt, wurde jedoch verabsäumt." Die Besetzung der ORF-Spitze müsse transparenter werden, die Strukturen sollten an aktuelle Herausforderungen angepasst werden. Für Leichtfried vorstellbar wäre etwa, Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft im Stiftungsrat eine stärkere Rolle zu geben.

Leichtfried spricht auch "arbeitsrechtlich problematische Sonderregeln wie etwa die 'Kettenverträgen'" an. "Diese Bestimmungen bevorzugen den ORF gegenüber anderen Medienunternehmen und führen zu prekären Arbeitsverhältnissen und einer 'Zwei-Klassen-Gesellschaft' im ORF. Kettenarbeitsverträge gehören endlich abgeschafft, aber auch diese Gelegenheit zur positiven Veränderung wurde von ÖVP und Grünen nicht genutzt", sagt Leichtfried.

Von einer "vergebenen Chance" sprach Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. "Gerade in Zeiten voller Desinformation und Fake News brauchen wir einen modernen, unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auf dessen Berichterstattung wir uns verlassen können." Wesentliche Fragen seien aber unbeantwortet geblieben, etwa was künftige Aufgaben des ORF betrifft oder das Verhindern von Interventionen bei Berichterstattung und Postenbesetzungen. "An einer Gremienreform führt kein Weg vorbei", so Brandstötter. "Denn ohne Entpolitisierung hat der ORF auf Dauer keine Zukunft."

FPÖ für ORF "Totalreform"

Der freiheitliche Mediensprecher Christian Hafenecker erneuerte am Dienstag im Verfassungsausschuss seine Forderung nach einer "Totalreform des ORF in Richtung eines modernen Medienunternehmens". "Es braucht keine auch nur irgendwie gearteten Zwangssteuern oder -gebühren, sondern ein Aus für verpflichtende Rundfunkbeiträge, wie das auch schon in vielen europäischen Staaten der Fall ist. Genauso muss wieder objektive Berichterstattung statt Bevormundung und Manipulation sichergestellt und damit letztlich ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk wiederhergestellt werden, der für seine Zuseher da ist und nicht zum bloßen Selbstzweck!" Er kritisiert, dass der ORF den Livestream des Expertenhearings zum ORF-Gesetz in der Sitzung des Verfassungsausschusses an Dienstag nicht übertragen habe. 

"Diese manipulative Vorgangsweise zeigt auch, welche skurrile Prioritätensetzung die Chefetage am Küniglberg betreibt. Denn erst am Samstag wurde die 'Pride-Parade', die nur eine kleine, aber laute Minderheit der Österreicher interessiert, sogar live auf ORF 1 übertragen, während das Expertenhearing zum neuen ORF-Gesetz, mit dem alle Bürger zu Zwangssteuerzahlern gemacht werden und das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf deren Kosten zusätzliche 70 Millionen Euro pro Jahr in die Kassa spült, de facto totgeschwiegen wird", so Hafenecker.

Den Weg ins Plenum genommen hat auch eine von der Regierung vorgeschlagene Novelle zum Privatradiogesetz. Diese sieht künftig mehr DAB+-Programme pro Anbieter und Versorgungsgebiet vor, DER STANDARD berichtete. So soll die Limitierung von derzeit zwei Programmen auf sechs angehoben und damit der digitale Wandel forciert werden. Dieser Gesetzentwurf wurde einstimmig angenommen.(red, APA, 20.6.2023)