Blick in den ORF-Newsroom.
Das neue ORF-Gesetz mit einer Haushaltsabgabe für alle verzögert sich nach der Abstimmungspanne im Bundesrat um einige Wochen.
imago images/Martin Juenx

Andrea Michaela Schartel torpedierte die knapp kalkulierte Rechnung der Koalition. Die steirische FPÖ-Abgeordnete war überraschend doch rechtzeitig zur Abstimmung des ORF-Gesetzes am Mittwoch im Bundesrat. Und Schartel stimmte mit Nein zum Gesetz mit einem neuen ORF-Beitrag von allen statt der GIS.

Zwei Stimmen fehlten

Damit fehlte der Koalition plötzlich die nötige Mehrheit im Bundesrat, weil es Adi Gross (Grüne) aus Vorarlberg und Barbara Prügl (ÖVP) aus Oberösterreich nicht in die Länderkammer des Parlaments geschafft hatten. 

Damit stand es unentschieden 29 zu 29 Stimmen bei der Abstimmung über das Vorhaben. Und das ORF-Gesetz mit der neuen Haushaltsabgabe muss eine Ehrenrunde drehen. Korrektur: Es braucht allerdings keine neuerliche Abstimmung, wie hier zunächst berichtet, mit der Frist 31. August kann es kundgemacht werden.

Der Gleichstand an Stimmen im Bundesrat gilt nicht als Ablehnung, hieß es aus dem Parlament. Bei einem Nein müsste der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss treffen, den die Länderkammer nicht mehr verhindern kann.

Verfassungswidrig

Die koalitionäre Abstimmungspanne werde den ORF-Beitrag nicht verzögern, versicherte man bei der ressortverantwortlichen Medien­ministerin Susanne Raab (ÖVP) am Mittwoch.

Die Kundmachung des ORF-Gesetzes verzögert sich damit jedenfalls. Der ORF-Beitrag soll dennoch mit 1. Jänner 2024 die GIS ablösen – schon weil der Verfassungsgerichtshof die bisher eingehobene GIS-Gebühr für den ORF mit Ende 2023 aufgehoben hat.

Die ORF-Finanzierung dürfe nicht wesentliche Nutzungsmöglichkeiten auslassen, argumentierten die Höchstrichter in ihrer Entscheidung von Mitte 2022. Dass die GIS für empfangsbereite Radio- und TV-Geräte eingehoben wird, aber nicht für Streamingnutzung, sei verfassungswidrig, entschied der Verfassungsgerichtshof mit Wirkung von Ende 2023.

"Das Gesetz tritt wie geplant am 1.1.2024 in Kraft", versicherte man Mittwoch trotz der Verzögerung im Medienministerium.

SPÖ und FPÖ indes rechnen nach der Abstimmung im Bundesrat mit Verzögerungen beim ORF-Gesetz. SPÖ-Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann bekräftigte die Kritik der Sozialdemokraten: "Die Regierung hat die Chance verpasst, gerade in Zeiten der Teuerung auf die soziale Lage der Haushalte Rücksicht zu nehmen und eine soziale Staffelung einzuführen." Sie sieht zudem Verschlechterungen bei Gebührenbefreiungen.

ORF-Chef Roland Weißmann.
Der skeptische Blick von ORF-General Roland Weißmann galt noch der Debatte des neuen ORF-Gesetzes im Nationalrat. Wie hätte er erst am Mittwoch im Bundesrat bei der Koalitionspanne geschaut?
Foto: APA, Schlager

Höchstrichter prüfen

Für die Neos bietet der Aufschub eine "letzte Chance" für eine Entpolitisierung der ORF-Gremien – deren Besetzung die Gesetzesnovelle nicht verändert. ÖVP und Grüne sollten das "vermurkste ORF-Gesetz noch einmal gründlich überarbeiten", erklärte Neos-Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Der Verfassungsgerichtshof prüft gerade auf Antrag des Landes Burgenland, ob die Regierung zu viel Einfluss auf die Besetzung der ORF-Gremien hat, eine Entscheidung wird nun nach dem Sommer erwartet.

FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker kündigt neuerlich an, dass die FPÖ in Regierungsverantwortung den ORF-Beitrag gleich wieder abschaffen würde. Er bezeichnet das ORF-Gesetz als "missglückt", statt es "weiter zu beamtshandeln, wäre ein Neuwahlantrag angebrachter", findet er.

Der neue ORF-Beitrag

Der neue ORF-Beitrag wird von derzeit 18,59 Euro GIS-Anteil für den ORF auf 15,30 Euro pro Monat bis 2026 reduziert.

Bisher auf die GIS eingehobene Bundesabgaben wie die Mehrwertsteuer entfallen mit dem ORF-Beitrag. Neben Oberösterreich und Vorarlberg verzichtet ab 2024 auch Niederösterreich auf eine Landesab­gabe auf den Beitrag. Die übrigen sechs Bundesländer schlagen nach bisherigem Informationsstand weiter unterschiedlich hohe Landesabgaben auf.

Der ORF erhält laut dem Gesetz in den nächsten drei Jahren im Schnitt 710 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag, zudem weitere 70 bis 100 Millionen aus dem Bundesbudget. Damit wird insbesondere der Entfall des Vorsteuerabzugs abgegolten.

EU-Beschwerde

Private Medienunternehmen haben die EU-Kommission zur Prüfung des neuen ORF-Gesetzes aufgefordert. Sie argumentieren, der neue ORF-Beitrag und der Bundeszuschuss sowie die mit dem Gesetz erweiterten Möglichkeiten des ORF im Web bedeuteten massive Wettbewerbsverzerrung und eine existenzielle Bedrohung für private Medienunternehmen. (Harald Fidler, 12.7.2023)