Ein Stahlarbeiter in Schutzausrüstung vor dem glühenden Hochofen.
Heiße Eisen nicht nur im Hochofen, sondern auch auf dem Tisch der Lohnverhandler.
APA/HANS KLAUS TECHT

Wien – Die Gewerkschaft macht Ernst. In den Verhandlungen für den Kollektivvertrag (KV) 2024 der Metalltechnischen Industrie gab es auch in der vierten Gesprächsrunde keine Einigung. Nach acht Stunden Gesprächen in der Wirtschaftskammer wurden die Verhandlungen gegen 19.30 Uhr abgebrochen und die Abhaltung von Warnstreiks ab Montag angekündigt.

Für Freitag würden alle weiteren Verhandlungstermine mit den anderen Metallbranchen abgesagt, erfuhr DER STANDARD in Verhandlerkreisen. Damit stehen auch Eisen- und Stahlindustrie, Fahrzeugindustrie, Nicht-Eisen-Metalle, Gießereien und Gas-/Wärmeerzeuger ohne Lohnabschluss da. Auch deren Unternehmen werden ab Montag bestreikt – um den Druck auf die Metallverarbeiter zu erhöhen, wie Insider sagen.

Das komme einer Erpressung gleich, heißt es auf Arbeitgeberseite. Dabei habe man von Anfang an klargemacht, dass die Abgeltung der maßgeblichen Inflation von 9,6 Prozent angesichts der Rezession nicht machtbar sei.

Video: Keine Einigung nach 4. KV-Runde, Warnstreiks ab Montag.
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Schuldzuweisungen

Die Gewerkschaft habe einen Abschluss verhindert, sagte Arbeitgebersprecher Christian Knill, der Fachverbandsobmann der Metalltechnischen Industrie. Das Angebot der Arbeitgeber sei zuletzt bei zehn Prozent plus 1.500 Euro Einmalzahlung über einen Zeitraum von 24 Monaten gelegen. Man bedauere den Abbruch der Gespräche. Man habe sich deutlich bewegt, aber die Forderungen der Gewerkschaft seien angesichts der Rezession nicht realitätskonform. "Mit Warnstreiks kann man die Realität nicht wegstreiken", sagte der Obmann der Metalltechnischen Industrie.

Die Arbeitgeber haben nach eigenen Angaben eine durchschnittliche Lohn- und Gehaltserhöhung von 8,42 Prozent angeboten. Diese bestehe aus einer Erhöhung der Entgelte um 2,5 Prozent zuzüglich eines monatlichen Fixbetrags von 100 Euro. Dazu käme eine Einmalzahlung von 1.050 Euro.

Zu wenig, zu unsicher

Im Detail sei der Abschluss über zwei Jahre differenziert zu sehen, halten die Gewerkschafter und Betriebsräte dagegen. Rückwirkend mit 1. November würden die Löhne und Gehälter um sechs Prozent erhöht, zuzüglich einer steuer- und abgabenbefreiten Einmalzahlung von 750 Euro. Am 1. November 2025 würden die Entgelte um vier Prozent steigen – so hoch wird die Inflationsrate 2024 von den Wirtschaftsforschern erwartet –, und oben drauf kämen erneut 750 Euro in Form einer Einmalzahlung. Die wäre aus derzeitiger Sicht allerdings nicht mehr befreit von Steuern und Abgaben, weil die Ausnahmeregelung nur mehr heuer gilt. Von den 750 Euro blieben damit im Herbst 2024 deutlich weniger übrig als heuer.

Entsprechend harsch fiel der Kommentar der Gewerkschafter aus. "Wir müssen mit der Vodoo-Mathematik und den Zaubereien der Arbeitgeber aufräumen", sagte Metallgewerkschaftschef Reinhold Binder am Abend. Die von den Arbeitgebern errechneten zehn Prozent Lohnerhöhung seien ebenso lächerlich wie das zweite Modell, bei dem unverändert ein Plus von 2,5 Prozent angeboten wurde, das um einen Fixbetrag von 100 Euro und eine Einmalzahlung von 1050 Euro aufgestockt würde. Auch das sei weit unter der rollierenden Inflation seit dem Vorjahresabschluss und damit nicht fair, rechnete GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher vor.

Nächster Termin 9. November

Wiewohl von Montag bis Mittwoch Warnstreiks abgehalten werden: Der nächste Verhandlungstermin steht bereits fest, es ist Donnerstag, der 9. November.

Arbeitgebersprecher Knill beteuerte erneut, dass die Mitglieder der Maschinen- und Metallwarenindustrie entschlossen seien, nicht nachzugeben. Vor einem Streik fürchte man sich nicht, das werde man aushalten. Von der rollierenden Inflation als Basis für die KV-Gespräche müsse man sich endlich verabschieden.

Der Abbruch am Abend kam insofern überraschend, als die Stimmung am Donnerstag nicht so schlecht wie bei den drei vorangegangenen Lohnverhandlungsrunden war. Von "Verhandlungsmodus" berichteten Sitzungsteilnehmer. Das dürfte maßgeblich daran gelegen sein, dass die Arbeitgeber ein besseres Angebot in Aussicht gestellt hatten. Die im Gegenzug erwartete Modifizierung der Forderungen der Gewerkschaft blieb allerdings aus.

Video: Metaller-KV - Vierte Verhandlungsrunde bringt Durchbruch oder Streik.
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Mehrere Komponenten

Zur Erinnerung: Der Metallerabschluss im Vorjahr bestand ebenfalls aus zwei Komponenten: Ist-Löhne und -Gehälter wurden um 5,4 Prozent erhöht, oben drauf kam ein Fixbetrag von 75 Euro, und zwar dauerhaft. Das ergab eine Bandbreite der Erhöhung zwischen 8,9 und 6,3 Prozent, im Schnitt wurden Löhne und Gehälter der knapp 140.000 Beschäftigten in der Maschinen- und Metallwarenindustrie um 7,44 Prozent erhöht. Der Vorteil dieser Spreizung: Für die untersten Lohngruppen stiegen die Bezüge um 8,9 bis 8,0 Prozent – und sie waren damit nicht nur nah am geforderten Zehner vor dem Komma, sondern auch deutlich höher als die Lohnerhöhungen der oberen Besoldungsstufen, deren Bruttozuwachs auf 6,3 Prozent abschmolz. Unterm Strich hatten sich damit die (besser verdienenden) Industrieangestellten solidarisch mit den Beziehern niedriger Löhne der Arbeiterschaft gezeigt. (Luise Ungerboeck, 2.11.2023)