ORF-Tag am Arbeits- und Sozialgericht Wien: Eine ORF-Managerin und eine ORF-Redakteurin haben Österreichs größten Medienkonzern wegen Benachteiligung geklagt – einmal geht es um sexuelle Belästigung, einmal um den Vorwurf von Politikeinfluss auf die Berichterstattung. Die Redakteurin ist inzwischen gekündigt, ihr Verfahren gegen Benachteiligung wurde am Freitag in Saal 15 nach wenigen Minuten unterbrochen, weil sie mit dem ORF nun ab 5. Dezember gegen ihre Kündigung prozessiert.

Arbeits- und Sozialgericht, Gang vor Saal 15
ORF-Tag am Arbeits- und Sozialgericht – in Saal 15 ging es um eine Versetzung einer inzwischen gekündigten ORF-Redakteurin.
Harald Fidler

Managerin gegen ORF

Das Verfahren der ORF-Managerin auf demselben Stock gegenüber in Saal 12 indes war bis zum späten Nachmittag angesetzt, die Managerin selbst sollte am Vormittag befragt werden, am Nachmittag war der ehemalige ORF-General Alexander Wrabetz geladen – der STANDARD wird berichten. In dem Verfahren geht es um den Vorwurf der Benachteiligung der Managerin bei Postenbesetzungen, den der ORF bestreitet; verbale sexuelle Belästigung durch einen inzwischen aus dem ORF ausgeschiedenen Manager und Vorgesetzten der Klägerin wurden in dem Verfahren ebenfalls thematisiert. Der Mann hat die Belästigung vor Gericht bestätigt. Mehrere Anläufe zu Vergleichen sind bisher gescheitert. Update: Man vertagte sich Freitagnachmittag schließlich auf Jänner 2024.

Redakteurin gegen ORF

Im am Freitag gleich wieder unterbrochenen Verfahren wollte die gekündigte ORF-Redakteurin ihre Benachteiligung darlegen. Anlass war nach ihrer Darstellung ein Interview mit Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), in dem sie in ihrer redaktionellen Eigenverantwortung andere Themen abfragte, als ihre Ressortleiterin mit der Pressesprecherin vereinbart hatte. Danach habe sie keine Diensteinteilung bekommen, sei dann nur noch für die Vorproduktion von Nachrufen eingeteilt worden – was ihrem Vertrag als leitender Redakteurin widerspreche.

Die Redakteurin legte gegen ihre Versetzung ins "Todesarchiv", wie die Nachrufproduktion auch bezeichnet wird, eine Beschwerde bei der KommAustria ein. Sie sei aufgrund ihrer internen Beschwerde versetzt worden, fasst die KommAustria im Bescheid den Vorwurf zusammen. Diese behauptete Schlechterstellung sei aber "nicht vom Schutzbereich des Paragraf 32 Absatz 1 ORF-Gesetz umfasst", heißt es im Bescheid.

KommAustria weist Beschwerde ab

Paragraf 32 regelt die Unabhängigkeit programmgestaltender Mitarbeiter, Absatz 1 lautet: "Der Österreichische Rundfunk und seine Tochtergesellschaften haben die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit aller programmgestaltenden Mitarbeiter sowie die Freiheit der journalistischen Berufsausübung aller journalistischen Mitarbeiter bei Besorgung aller ihnen übertragenen Aufgaben im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu beachten. Die journalistischen Mitarbeiter dürfen in Ausübung ihrer Tätigkeit insbesondere nicht verhalten werden, etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht. Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf ihnen kein Nachteil erwachsen."

Der ORF hat die Kündigung der Redakteurin mit Ende September 2023 nicht inhaltlich begründet, sondern nur auf den Kollektivvertrag verwiesen. Im Verfahren gegen ihre Kündigung dürfte es ab 5. Dezember dann um Kündigungsgründe gehen. Der ORF wirft der Redakteurin nach STANDARD-Infos vor, sie habe eine Firmenbeteiligung – im Bereich Immobilien – nicht gemeldet, auch ihre Beteiligung an einem Entwicklungshilfeprojekt in Kamerun soll Thema gewesen sein. Darum dürfte es in diesem Verfahren gegen die Kündigung ab Dezember vor dem Arbeits- und Sozialgericht gehen. Bis zur Entscheidung dort ist das Verfahren über die Benachteiligung/Versetzung unterbrochen, es kann auf Antrag der Prozessparteien dann wieder aufgenommen werden.

Nebentätigkeiten von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern wie Moderationen sollen ab 2024 grundsätzlich etwas transparenter werden: Laut neuem ORF-Gesetz müssen neben ORF-Bezügen – über 170.000 Euro pro Jahr namentlich – auch Einkünfte aus Nebentätigkeiten vom ORF publiziert werden. (fid, 17.11.2023)