Nebentätigkeiten von ORF-Journalistinnen und -Journalisten beschäftigten am Donnerstag – neuerlich – den ORF-Stiftungsrat. Jüngsten Anlass bot die Moderation von "ZiB 1"-Anchorwoman Nadja Bernhard bei der Interpol-Generalversammlung – ein Termin, der naturgemäß in der "ZiB 1" behandelt wird, wenn auch am Dienstag nicht Bernhard die Sendung präsentierte. Im Frühjahr 2024 müssen ORF-Mitarbeiterinnen laut neuem ORF-Gesetz ihre Gehälter und Nebentätigkeiten offenlegen, ab 170.000 Euro Jahreseinkommen auch namentlich.

Kritik an Moderation

"Warum muss das eine ORF-Journalistin moderieren?", fragte ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer (SPÖ) am Rande der Sitzung vor Journalisten und berichtete von ausführlichen Diskussionen über Nebentätigkeiten und neue Transparenzverpflichtungen im Stiftungsrat am Donnerstag. Lederer spricht von "Graubereichen", die es nun klar zu regeln gelte.

Eröffnung der Interpol-Generalversammlung 2023 in Wien, moderiert von Nadja Bernhard (ORF), mit Kanzler Karl Nehammer (links) und Innenminister Gerhard Karner (Zweiter von links).
Eröffnung der Interpol-Generalversammlung 2023 in Wien, moderiert von Nadja Bernhard (ORF), mit Kanzler Karl Nehammer (links) und Innenminister Gerhard Karner (Zweiter von links).
ORF TVthek Screenshot

Derzeit tagt eine international besetzte Ethikkommission im Auftrag von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, um neue Regularien für Compliance und Corporate Governance auszuarbeiten. Ihre Vorschläge sollen bei der nächsten Sitzung des Stiftungsrats im März vorliegen, hieß es zuletzt. Dabei geht es um Nebenbeschäftigungen wie Moderationen ebenso wie um den Auftritt in Social Media.

Ab kommendem Jahr muss der ORF laut derzeit geltendem ORF-Gesetz veröffentlichen, wie viele seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in welche Gehaltsklassen fallen. Besserverdiener ab 170.000 Euro pro Jahr müssen ihre Einkünfte namentlich offenlegen. "Das muss man sich datenschutzrechtlich noch einmal anschauen", sagt Lederer am Rande der Sitzung, "dass man da niemanden an den Pranger stellt." Aber: "Ich bin sicher, dass jeder und jede dieser Mitarbeiter das verdient, was er oder sie bekommt."

Lederer fordert Limit für Einkünfte aus Nebenjobs

Auch Einkünfte aus Nebentätigkeiten müssen ab 2024 veröffentlicht werden. Lederer verweist auf seinen Vorschlag, Nebentätigkeiten von ORF-Mitarbeitern mit 50 Prozent ihres ORF-Einkommens zu begrenzen. Von diesen 50 Prozent wiederum solle rund ein Drittel an den ORF gehen und für die Aus- und Weiterbildung von jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verwendet werden oder auch – so vorhanden – zur raschen Kompensation prekärer Bezahlung von Mitarbeitern.

Die "ZiB 1" am Dienstag, moderiert von Tobias Pötzelsberger und Susanne Höggerl, widmete sich in einem Beitrag über Interpol insbesondere einer Anzeige gegen Interpol-Chef Ahmed Naser al-Raisi, in der ihm Folter vorgeworfen wird. In der ORF-TVthek findet sich ein einstündiges "Spezial" mit der Eröffnung der Interpol-Konferenz.

Auf der Konferenz sprachen zur Eröffnung Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP). Das zum Innenministerium ressortierende Bundeskriminalamt organisierte die Konferenz der internationalen Organisation zur Verbrechensbekämpfung. Bernhards Moderation soll ordnungsgemäß vom ORF genehmigt worden sein. Eine vom Organisator beauftragte Agentur habe sie angefragt, hieß es. DER STANDARD bat Bernhard um Stellungnahme, sie wird bei Vorliegen ergänzt.

Beantragt und genehmigt, nun wird nachgeschärft

Der ORF erklärte auf STANDARD-Anfrage dazu: "Die Moderation der General Assembly der Interpol in Wien war beantragt und genehmigt. Nadja Bernhard hatte keinerlei Einfluss auf die journalistische Berichterstattung über die Veranstaltung."

Aber, so ORF-Sprecher Martin Biedermann: "Die von Generaldirektor Roland Weißmann eingesetzte extern besetzte Ethikkommission hat jedoch zum Ziel, ebenjene Kriterien, auf deren Basis Nebenbeschäftigungsansuchen zu entscheiden sind, nachzuschärfen und zu vereinheitlichen. Vorschläge für neue, rechtlich eindeutige Entscheidungsparameter, die auch in der öffentlichen Wahrnehmung klar und verständlich sind, werden zurzeit erarbeitet und nach Beschluss transparent kommuniziert."

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann verwies nach der Sitzung auf die von ihm installierte Ethikkommission, die neue Regeln insbesondere für Nebenbeschäftigungen und Social-Media-Aktivitäten erarbeite. Sie tagt kommende Woche. Anfang 2024 werde man ein neues, transparentes Regelwerk erarbeiten. Der ORF müsse "auch ein Vorbildunternehmen für Transparenz und Corporate Governance sein", wenn er sich als "ORF für alle" definiert. (fid, 30.11.2023)