Wien – Wie entzaubert man in Fernsehinterviews Rechtspopulisten oder Rechtsextremisten, ohne gleich einen Faktencheck parat zu haben? Indem man sie mit konsequentem Nachfragen dazu bringt, ihre Antworten nicht nur in Wortgirlanden zu packen, sondern sie inhaltlich zu präzisieren und konkret Farbe zu bekennen. Jene von FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky ist bekanntlich Blau, und die Suppe ist sehr dünn. Davon konnten sich am Mittwoch die Zuseherinnen und Zuseher ein Bild machen, als Vilimsky zu Gast in der "ZiB 2" bei Armin Wolf war.

FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky
FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky war in Straßburg, aber auch in der "ZiB 2" bei Armin Wolf.
Screenshot/ORF-TVThek

Boote abdrängen?

Der ORF-Moderator wollte von Vilimsky wissen, wie er sich einen "absoluten Asylstopp" vorstelle, den sein Parteichef Herbert Kickl im Fall einer FPÖ-Regierung nach der Nationalratswahl angekündigt hat – dass also Österreich keinen einzigen Asylantrag mehr annehmen werde. Mit der "Obergrenze null", wie Kickl sagte. Wie wolle die FPÖ ihr Vorhaben umsetzen, ohne dass das mit österreichischem Recht, EU-Recht und dem Völkerrecht kollidiere, wollte Wolf wissen. Vilimsky brachte die australische Variante ins Spiel: "So einfach, wie es die Australier beispielsweise machen, indem sie ankommende Boote einfach abdrängen." Das würde zu einer Minimierung der Anreize führen, die Schutzsuchenden sollten Hilfe in der Region erhalten.

ZIB 2: FPÖ-EU-Spitzenkandidat Vilimsky zur EU-Wahl
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45.000 Polizisten für den Grenzschutz?

Nachdem Österreich leider nicht am Meer liegt und das Abdrängen von Booten womöglich nicht den gewünschten Erfolg bringen werde, brauche es wohl einen anderen Ansatz. Österreich habe – von Italien bis Tschechien – eine Außengrenze von 1.500 Kilometern, konkretisierte Wolf und rechnete vor, dass 45.000 Polizisten benötigt würden, um die Grenze rund um die Uhr zu bewachen, wenn die Polizisten in einem Abstand von 100 Metern postiert wären. "Wie machen S' des?" Etwa indem Europa keine Willkommenssignale mehr aussende, sagte Vilimsky. "Aber ich verstehe es noch immer nicht", sagte Wolf stellvertretend für das Publikum. "Einfach niemanden hereinlassen", konterte Vilimsky.

Orban als Vorbild

Die entscheidende Frage nach dem Wie wollte er umschiffen, denn ganz so "einfach" wird es nicht werden, hielt ihm Wolf entgegen. Immerhin brachte Vilimsky keine Reaktivierung des Kickl'schen Traums von den Polizeipferden ins Spiel oder die Taser-Variante, denn mit Elektroschockpistolen kennt er sich ja bestens aus. Nach mehrmaligem Nachfragen schwadronierte er schließlich von einer "Joint-Venture-Geschichte, wo ich Polizei und Heereskörper zusammenbringe und die Grenzen Europas sichere". Österreich könne sich ein Beispiel an Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán nehmen, der die ungarische Grenze gut bewache. Wolfs Einwand, dass Orbán zehntausende Asylwerber etwa nach Österreich "durchgetrieben" habe, quittierte Vilimsky zwischendurch mit einem "Ja". Neben dem "Joint Venture" würde er aber noch auf Hilfe vor Ort und Marketingmaßnahmen setzen, dass niemand nach Europa kommen könne und "Europa nicht das Land (sic!) ist, wo Milch und Honig fließen".

Politik für die "eigenen Leute"

Nachdem Europa ein Kontinent ist und Österreich nicht am Meer liegt, ging es weiter mit Fragen nach Viktor Orbán, dem großen Vorbild Vilimskys und der FPÖ. Dass Ungarn im weltweiten Ranking der Pressefreiheit nur auf Platz 72 liegt, dürfte der FPÖ möglicherweise ja noch gefallen, aber dass es 2023 eine Inflation von 18 Prozent gab, vielleicht weniger, oder? "Ja, Österreich hatte 15 Prozent", sagte Vilimsky, woraufhin er von Wolf ein "Entschuldigung, aber das ist doch ein Holler", erntete. Österreich hatte 7,8 Prozent. Aber was sind schon Fakten, wenn es der Propaganda hilft? Er bewundere an Orbán, dass er Politik für seine eigenen Leute mache, dass Budapest so sauber sei und dass er eine Familienpolitik mache, die mit den Werten der FPÖ kompatibel scheint.

FPÖ-Politik für die eigenen Leute

Apropos eigene Leute: An einer anderen Stelle des Interviews wollte Wolf wissen, warum drei FPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament gleich vier Verwandte von FPÖ-Politikern als Mitarbeiter beschäftigen, obwohl es im EU-Parlament verboten sei, eigene Verwandte anzustellen - der STANDARD berichtete darüber. Was solle man da machen, wenn sich weder Rote noch Grüne oder etwa gar Pinke für die FPÖ interessieren und man im eigenen Saft schmoren müsse? Und überhaupt, eine Spitze gegen den ORF scheint das Mantra freiheitlicher Interviews zu sein, denn im ORF gebe es etwa das "Dittlbacher-Ehepaar" oder Moderatorin Patricia Pawlicki, die Frau des Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter, wie Vilimsky sagte. Gut, dass das Wolf nicht so stehen ließ, denn die Kolleginnen und Kollegen hätten alle schon beim ORF gearbeitet, bevor sie zu Paaren geworden sind.

Zwischen Trump und Putin

Die FPÖ verortet Vilimsky in der Mitte der "geopolitischen Interessenlagen". Das Kooperationsübereinkommen mit der Partei Wladimir Putins habe die FPÖ bereits im Jahr 2016 abgeschlossen – zwei Jahre nach der Annexion der Krim. Die Russengeschichte sei im "Spiegel der damaligen Zeit" zu sehen, als Russland noch von österreichischen Politkern hofiert wurde, so Vilimsky. Angesprochen auf seine Ablehnung der Russland-Sanktionen und die gleichzeitige Forderung, alle Zahlungen an die Palästinenser einzustellen, sagte Vilimsky, dass er das nicht im Widerspruch zu seiner Auslegung der österreichischen Neutralität sehe. Er habe "in beiden Fällen einfach nur Frieden eingemahnt". Schade, dass ihm weder Putin noch die Hamas Gehör schenkt. Die Sanktionen gegen Russland würden nicht dazu führen, dass das Sterben ein Ende finde, sondern nur zu Wohlstandsverlust in Europa. Österreich solle eine Rolle als Friedensstifter spielen.

Warum er Trump mag

Vilimsky deklarierte sich weiterhin als Fan Donald Trumps. Was ihm so gut an Trump gefalle? Erstens hab es in dessen Amtszeit als US-Präsident keinen Krieg gegeben, und zweitens hab er Politik gegen "Globalisten und Internationalisten betrieben". Dass Trump mithilfe eines bewaffneten Mobs versucht habe, gegen das Wahlergebnis zu putschen, und zigfach angeklagt ist, tut der Begeisterung anscheinend keinen Abbruch. "Ich sehe keinen Putschversuch. Das ist Propaganda der Linken", sagte Vilimsky. Mit dieser Faktenresistenz erweist er sich als treuer Diener Trumps. Er würde ihn jedenfalls wieder wählen.

Die Liveschaltung nach Straßburg mitsamt Zeitverzögerung machte das Nachfragen etwas schwierig, und bei der Verabschiedung konnte Vilimsky nur ein angedeutetes "Danke" hervorwürgen, bevor er in den unendlichen Weiten des EU-Parlaments entschwand. Manchmal ist schnelles Abdrehen aber ohnehin kein Fehler. (Oliver Mark, 18.1.2024)