Eric Frey kommentiert im STANDARD, dass in der FPÖ – "obwohl ursprünglich ein NS-Sammelbecken" – die Tradition der bürgerlichen Honoratiorenpartei, die sie "lange Zeit" gewesen sei, noch immer nachwirke. Es muss wohl die Periode gewesen sein, für die FPÖ-Kurzzeitobmann Norbert Steger den Begriff der "Kellernazis" prägte. Damit meinte er 20 Prozent der FPÖ-Basisfunktionäre Ende der 70er-Jahre, die von NS-Ideologie infiziert waren. Später wollte die FPÖ-Spitze Steger deswegen ausschließen, verzichtete aber aus naheliegenden Gründen darauf.

Bis heute ziert das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft die Parteiprogramme der FPÖ – mit einer Unterbrechung zwischen 1997 und 2011. In Deutschland war die zentrale Bedeutung des Ideologems der "Volksgemeinschaft" einer der wichtigsten Argumentationsstränge im Verbotsverfahren gegen die neonazistische NPD. In Österreich hat man die Wiederaufnahme des Bekenntnisses zur deutschen "Volksgemeinschaft" 2011 mit einem Schulterzucken abgetan: ist doch eh nur für die alten Nazis zu deren Beruhigung.

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"Der Albtraum des Dr Steger" – wie der legendäre Karikaturist Manfred Deix die FPÖ einmal gesehen hat.
Illustration: Manfred Deix, Der Albtraum des Dr. Steger, 1980 © Manfred Deix/Karikaturmuseum Krems

Ich bin nicht der Meinung, dass die FPÖ "zumindest äußerlich eine demokratische Kraft innerhalb des Verfassungsbogens" sei, wie Frey schreibt. Zum einen, weil der Verfassungsbogen ein politisches Konstrukt ist, dessen rechtes Ende der frühere ÖVP-Klubobmann Andreas Khol nach Belieben versetzt hat. Zum anderen, weil die FPÖ nicht erst seit Kickls Spruch, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, immer wieder zu erkennen gibt, dass sie die Verfassung in zentralen Punkten ebenso ändern will wie internationale Konventionen, die in Österreich Verfassungsrang haben.

Geeigneter Beleg dafür ist das Handbuch Freiheitlicher Politik, so etwas wie der freiheitliche Katechismus für Funktionäre. Da steht so ziemlich alles an Bösartigkeiten drin, die sich die AfD erst jetzt erarbeitet. Beispiele? Die FPÖ will seit 2013 eine "Minus-Zuwanderung", also die Deportation von Asylwerberinnen und Asylwerbern sowie Arbeitsmigranten. Was ist das anderes als "Remigration"? "Ziel muss es daher sein, nach dem Prinzip der ‚Minus-Zuwanderung‘ in Österreich aufhältige Ausländer wieder in ihre Heimat zurückzuführen. Jene, die kriminell geworden sind, Integrationsunwillen zeigen oder für die kein Platz am Arbeitsmarkt ist, sollen ihren Aufenthaltsstatus verlieren." Den Begriff der "Remigration" hat Martin Sellner damals noch nicht umgedeutet und vorgekaut für die FPÖ, aber natürlich hat die FPÖ auch schon 2013 darüber nachgedacht, dass man gewissen österreichischen Staatsbürgern die Staatsbürgerschaft aberkennen solle.

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AfD-Chefin Alice Weidel zu Gast bei der "Schwesterpartei" in Wien, Herbert Kickls FPÖ, im September 2023.
Foto: APA/Eva Manhart

Außerdem will die FPÖ soziale Rechte für Arbeitsmigrantinnen und -migranten abschaffen, die Arbeitslosenversicherung sowieso, weil bei Arbeitslosigkeit Abschiebung! Die rechtsextremen Bösartigkeiten der FPÖ waren schon 2013 wesentlich ausgefeilter als die Sellnereien vor AFD-Prominenz 2023!

Im "Weisenbericht", der im Jahr 2000 im Auftrag von 14 EU-Staaten erstellt wurde, um die Arbeit der schwarz-blauen Regierungskoalition unter Wolfgang Schüssel zu beurteilen, wurde die FPÖ als rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen charakterisiert. Keine schlechte Einschätzung für das Jahr 2000! Seither hat sich aber einiges getan in der FPÖ: der "Knittelfelder Putsch" 2002, die Abspaltung des BZÖ 2005, die Neuformierung unter Heinz-Christian Strache, die sich auf die deutschnationalen Burschenschafter stützte, und schließlich jetzt die FPÖ unter Herbert Kickl, in der es überhaupt keine Distanzierung vom, ja keinerlei Distanz zum offenen Rechtsextremismus gibt.

Keinerlei Distanz

Für FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sind die Sellner’schen Deportationspläne von Potsdam patriotische Handlungen von patriotischen Politikern, das Gebot der Stunde und überhaupt kein Anlass, sich zu distanzieren. Auf dieser klar rechtsextremen Spur bewegt sich auch Kickl, der die Kennzeichnung "rechtsextrem" wie einen Orden tragen will.

In Deutschland gehen derzeit hunderttausende Menschen gegen die rassistische und rechtsextreme Politik der AfD und gegen die menschenverachtenden Deportationspläne auf die Straße. Obwohl die FPÖ Journalistinnen und Journalisten pauschal als "Systemschreiberlinge" schmäht, versuchen viele, in der Partei bürgerliche Gene zu entdecken, auch wenn sie das ganze "System" wegfegen will. Die anderen Parteien verhalten sich selbst dann noch auffällig still, wenn sie als Einheitspartei des Volksverrats denunziert werden, der die FPÖ mit Fahndungslisten beikommen will. Was riet FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek 2018 der AfD? "Jedes Zurückweichen bedeutet, dass der Gegner das Gefühl hat, er kann uns aus dem Sattel heben." (Karl Öllinger, 24.1.2024)