Wien - Seit die 35 ORF-Stiftungsräte zuletzt bei einer Sitzung am Küniglberg zusammengetroffen sind, hat sich vieles geändert. So ersetzt etwa der ORF-Beitrag die GIS-Gebühr und hat der ORF mehr Möglichkeiten im digitalen Raum. Und es folgen weitere Veränderungen: In der Sitzung am Donnerstag wird ein Ethikkodex für ORF-Mitarbeiter behandelt. Eine Veröffentlichung von ORF-Gehältern ist für Ende März vorgesehen. Erstmals neu in der Runde ist Peter Westenthaler auf einem FPÖ-Ticket.

Am Donnerstag tagt der ORF-Stiftungsrat.
Am Donnerstag tagt wieder der ORF-Stiftungsrat.
Foto: imago images/SEPA.Media

Es ist in etwa ein Jahr her, dass ORF-Generaldirektor Roland Weißmann eine Ethikkommission unter Führung der früheren Generaldirektorin der European Broadcasting Union (EBU), Ingrid Deltenre, eingesetzt hat. Diese widmete sich als Reaktion auf Chataffären und umstrittene Auftritte von ORF-Mitarbeitern den Themen Compliance, Nebenbeschäftigungen und Social Media. Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im Stiftungsrat, erhoffte sich nun im APA-Gespräch "klare Regeln mit klaren Konsequenzen, damit sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher fühlen". So auch Sigrid Pilz, die für den Grünen-"Freundeskreis" spricht: "Es soll transparent dargelegt werden, was man außerhalb des Unternehmens legitim tun darf und was nicht."

Lederer fordert "massive Begrenzung" des Nebenerwerbs

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, kritisiert schon seit längerem die teils üppigen Nebenerwerbe von so manchem ORF-Mitarbeiter. Er fordert nun eine "massive Begrenzung". Man dürfe nicht mehr als 30 Prozent des Gehalts durch Nebenerwerb einnehmen - und davon müsse ein Teil in einen Sozial- und Weiterbildungsfonds im Haus fließen, so die Vorstellung des Stiftungsrats. Zudem sollten alle Anfragen über eine zentralisierte Plattform laufen und halbjährliche Transparenzberichte im Stiftungsrat vorgelegt werden. "Wir werden den Dagobert Ducks des ORF genau auf die Finger schauen", so Lederer, der ankündigte, die Zustimmung zum Ethikkodex zu verweigern, wenn er "nicht das Papier wert ist, auf dem er geschrieben steht".

Apropos Einnahmen: Das novellierte ORF-Gesetz sieht mit Ende März eine Veröffentlichung der ORF-Gehälter nach Gehaltsklassen vor. Ab 170.000 Euro brutto muss auch der Name angeführt werden. Der ORF-Betriebsrat geht wegen vermuteter Verfassungswidrigkeit bei Gericht dagegen vor. Fraglich ist, ob es bis zur gerichtlichen Klärung zu einer Aussetzung der Veröffentlichung kommt.

Aufgabe des Stiftungsrats ist es auch, einen genauen Blick auf die finanzielle Situation des ORF zu werfen. "Insgesamt gibt es in Österreich noch immer eine schwierige wirtschaftliche Situation. Wir haben früh Maßnahmen auf der Kostenseite gesetzt und haben gesicherte Einnahmen. Der ORF ist gut aufgestellt", meinte Zach, der dem Finanzausschuss im Stiftungsrat vorsitzt. Er verwies darauf, dass es mit der Umstellung auf den ORF-Beitrag "für die große Mehrheit günstiger" geworden sei. Es wäre daher komisch, wenn bisherige Beitragszahler nun unzufriedener wären als früher. "Das wäre ein wirtschaftliches Paradoxon", so Zach.

"Negative politische Kommentare"

Pilz sieht mit dem ORF-Beitrag eine zukunftstaugliche Finanzierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die gerecht sei, weil sie alle - mit Ausnahme von Gebührenbefreiten - gleich belaste. "Die Implementierung wird aber leider durch negative politische Kommentare einzelner Parteien in der Öffentlichkeit erschwert", so Pilz wohl mit Blick auf die FPÖ, die wiederholt gegen den ORF-Beitrag wetterte und dessen Abschaffung ankündigte, sollte sie in Regierungsverantwortung kommen.

Auch der auf einem FPÖ-Ticket frisch in den Stiftungsrat entsandte Peter Westenthaler steht dem ORF-Beitrag kritisch gegenüber. Er fände eine Finanzierung aus dem Bundesbudget sinnvoller. Der frühere FPÖ- und BZÖ-Politiker fiel darüber hinaus mit Aussagen auf, die nicht zuletzt den ORF-Redaktionsrat irritierten. So sprach er vom ORF als "Propagandamaschinerie", die nur zur FPÖ Distanz wahre, und von Diskussionssendungen sowie Expertenauswahl als "Propagandawerkzeuge". Er wolle eine lange Liste an Missständen im Rahmen der Sitzung vorlegen, kündigte Westenthaler, der regelmäßig beim Privatsender oe24.tv als Diskutant auftritt, an.

"Eine lange Sitzungsdauer des Stiftungsrats, hervorgerufen durch interessierte Fragen oder sachdienliche Beiträge, stört mich nicht", meinte Pilz, die davon ausgeht, dass Westenthaler die Gremienregeln kenne. "Dazu gehört, dass man dem Unternehmen durch sein eigenes Verhalten keinen Schaden zufügen darf", so die Stiftungsrätin. "Was aufzuklären ist, muss aufgeklärt werden", so Lederer, der aber davor warnte, grundlos Abläufe zu verlängern. "Ich habe schon viele Stiftungsratssitzungen erlebt. Am Schluss war eines immer sicher: Es gibt ein Ende der Sitzung", so Zach.

"Rechtsunsicherer Raum"

Wie lange es den ORF-Stiftungsrat in dieser Form noch gibt, hängt davon ab, wann die Bundesregierung ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof (VfGH) umsetzt. Das Höchstgericht hatte im Vorjahr festgestellt, dass die Regierung bei der Besetzung der ORF-Gremien zu viel Gewicht hat. Die Bestellregeln müssen folglich adaptiert werden.

Lederer will sich bei ORF-Chef Weißmann nach einem Zwischenstand erkundigen, befinde man sich im Stiftungsrat nun ja doch in einem "rechtsunsicheren Raum". Er plädiert auf eine Reduktion der Stiftungsratssitze, wobei speziell die Regierung weniger Räte entsenden solle. Derzeit kommen der ÖVP und den Grünen nahestehende Stiftungsräte auf eine deutliche Mehrheit. So eine Regierungsmehrheit dürfe es künftig nicht mehr geben, meinte SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Lederer, der sich bei Weißmann auch zum Stand einer "großen Reform" im Infobereich erkundigen wolle. Es benötige nicht zuletzt aufgrund schwacher Quoten so mancher Diskussionssendung "rasch Veränderung". "Wir sind bei diesen Formaten echt verstaubt", meinte er. (APA, 6.3.2024)