Der größte bekannte Meteorit hat beeindruckende Ausmaße: Der Eisenmeteorit Hoba hat annähernd die Form einer quadratischen Platte mit 2,7 Meter Seitenlänge und rund 90 Zentimeter Dicke, seine Masse wird auf bis zu sechzig Tonnen geschätzt. Er liegt noch immer an seinem Fundort in Namibia, wo er 1920 von einem Bauern beim Pflügen entdeckt wurde.

Doch Hoba ist ein Zwerg im Vergleich mit dem mythischen Chinguetti-Meteoriten. Im Jahr 1916 will der französische Konsulatsbeamte Gaston Ripert einen gigantischen Hügel aus Eisen mitten in der Wüste Mauretaniens entdeckt haben: Vierzig Meter hoch und hundert Meter lang soll sich die metallische Masse zwischen den Dünen der Region Adrar erhoben haben. Eine Flanke des monolithischen Gebildes sei vom Wind spiegelglatt poliert worden, und an der Basis seien tiefe Spuren von Winderosion zu sehen gewesen, während die Oberfläche von dicken metallenen Nadeln überzogen sei, die nicht abzubrechen waren. Seit Riperts Besuch wurde der Berg aus dem All jedoch nie wieder gesehen: Erst 1924 wurde die Wissenschaft auf den außergewöhnlichen Bericht aufmerksam, doch alle späteren Lokalisierungsversuche schlugen fehl. Ein aktuelles Paper skizziert nun die Möglichkeiten, den Meteoriten doch noch zu finden.

Die Altstadt von Chinguetti ist seit 1996 eine Unesco-Welterbestätte. Von hier aus startete im Jahr 1916 Gaston Ripert mit seinem einheimischen Führer den mehrstündigen Kamelritt zu dem Riesenmeteoriten.
APA/AFP/MARCO LONGARI

Unerforschtes Gebiet

Die französische Kolonialbestrebungen hatten Mauretanien im 19. Jahrhundert Schritt für Schritt mit verschiedenen Expeditionen vom Senegal aus erreicht, doch dies waren lebensgefährliche Unternehmungen. 1903 wurde ein Protektorat eingerichtet und die französische Oberhoheit gesichert, wobei die Region Adrar ein Widerstandsnest war, das erst 1912 unter Kontrolle gebracht werden konnte. Erforscht war das Gebiet bei weitem nicht.

Wenn Riperts Erzählung nicht wahr sein sollte, so ist sie gut erfunden. Der Hauptmann der Legion wurde von seinem arabischen Führer Sidi Ahmed Zein zu dem Ort gebracht, der angeblich von einheimischen Schmieden als Quelle für Eisen genutzt wurde. Er brachte ein rund viereinhalb Kilogramm schweres Fragment als Beleg mit, bei dem es sich tatsächlich um einen Vertreter einer extrem seltenen Klasse der Stein-Eisen-Meteoriten handelt. Doch über die exakte Position des riesigen Meteoritenhügels konnte Ripert keine Angaben machen: Er hatte keinen Plan, Kompass oder einen Maßstab bei sich, denn dies hatte ihm Zein untersagt. Und so konnte der Hauptmann über den Ort lediglich angeben, dass sich dieser in der Distanz eines zehnstündigen Kamelritts südwestlich der Stadt Chinguetti befinde – was er später auf südöstlich in den Dünen von Ouarane korrigierte.

Südlich von Chinguetti erstrecken sich ausgedehnte Dünenlandschaften. Hier könnte theoretisch der Riesenmeteorit unter Sand begraben sein.

Zein wollte Ripert ohnehin zunächst nicht zu der Stelle führen und leugnete sogar die Existenz, aus Angst, wie der Franzose vermutete. Dieser hatte zuvor mitgehört, wie sich zwei Kameltreiber des Kamelkorps von Adrar über den Ort unterhielten. Zein ließ sich schließlich doch überreden, ihn in einer nächtlichen Geheimaktion zu dem Meteoriten zu führen. Ripert zufolge wurde Sidi Ahmed Zein bald darauf vergiftet und starb.

Zeitlebens hielt Ripert an seiner Schilderung fest. Noch 1934 stand er im Austausch mit dem französischen Zoologen und Afrikaforscher Théodore Monod, der zu einem der führenden Experten für den Fall des verschollenen Meteoriten wurde. Ripert erklärte, es sei ihm klar, dass er für einen Aufschneider oder Einfaltspinsel gehalten werde, doch er wisse, was er gesehen habe.

Theoretische Überlegungen

Schon im Jahr 1975 beschäftigte sich eine Forschungsarbeit mit der Frage, ob es überhaupt theoretisch möglich sei, dass ein Meteorit dieser Größe auf der Erde existieren könnte. Robert Fudali und Dean Chapman berechneten die Masse des gesuchten Meteoriten auf mindestens 500.000, wahrscheinlich aber mehr als eine Million Tonnen. Dazu ergänzten sie die zwei von Ripert angebenen Maße von hundert und vierzig Metern mit der fehlenden dritten Dimension, die sie anhand dynamischer Überlegungen auf mindestens zwanzig, vermutlich aber mehr als vierzig Meter ansetzten.

Der Impaktor, der vor rund 50.000 Jahren den 1.200 Meter großen Barringerkrater in Arizona schlug, hatte dagegen gerade einmal höchstens fünfzig Meter im Durchmesser. Von ihm blieben immerhin rund dreißig Tonnen Schrapnellstücke übrig, von denen das größte über 600 Kilogramm wiegt. Die meisten Bruchstücke des Canyon Diablo genannten Meteoriten messen aber nur wenige Zentimeter. Der Großteil jedoch verdampfte beim Einschlag.

Wie könnte also ein hundert Meter großer Meteorit überhaupt existieren? Im Falle des Hoba-Meteoriten wird angenommen, seine flache Form habe begünstigt, dass er quasi zur Erdoberfläche gesurft ist, statt beim Eindringen in die Atmosphäre zu desintegrieren. Fudali und Chapman kamen in ihren Berechnungen zum Ergebnis, dass es rein theoretisch gesehen möglich wäre, dass ein Hundert-Meter-Meteorit existiert, die Wahrscheinlichkeit dafür aber aus statistischen Gründen so gut wie ausgeschlossen werden kann.

Extrem seltener Meteorit

Zu dem von Ripert geborgenen Meteoritenfragment wurde in einer Untersuchung festgestellt, dass der etwas mehr als vier Kilo schwere Brocken von einem Ursprungskörper abstammt, der kaum über einen Meter groß gewesen sein kann – also unmöglich zu dem gesuchten Giganten gehören kann. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine Rarität, nämlich um einen Mesosideriten der Klasse B1. Bei Mesosideriten handelt es sich um Stein-Eisenmeteorite, die in etwa zu gleichen Teilen aus metallischem Nickel-Eisen und Silikaten bestehen. Die Gruppe ist generell nicht häufig, nur etwas mehr als 350 verschiedene Mesosiderite sind bekannt. Doch zur Untergruppe B gehören nur 26 verschiedene Stücke, mit dem Typus B1 sind gar nur vier Meteorite klassifiziert, von denen drei aus gezielten Suchen in der Antarktis stammen.

Ripert hat von seinem nächtlichen Kamelritt also ein Objekt von höchstem wissenschaftlichem Wert mitgebracht, der nun den wissenschaftlichen Namen Chinguetti trägt. Doch auch wegen der Materialeigenschaften der Mesosiderite kann ausgeschlossen werden, dass Chinguetti Teil von Riperts Riese war: Er wäre beim Eintritt in die Atmosphäre zweifellos zerbrochen. Bei den größten Meteoriten, die über fünf Tonnen wiegen, handelt es sich ausnahmslos um Vertreter der Eisenmeteoriten.

Das Smithsonian National Museum of Natural History besitzt diese 370 Gramm schwere Scheibe des Chinguetti-Meteoriten. Deutlich ist die Zusammensetzung aus Metallen und Silikaten zu erkennen.
Foto: NMNH / Chip Clark

Der österreichische Impaktforscher Christian Köberl besuchte im Jahr 1989 die Gegend in Begleitung des damals bereits 86-jährigen Monod. Köberls Interesse galt damals vor allem dem rund drei Millionen Jahre alten Aouelloul-Krater, wo er Proben nahm. Bei der Gelegenheit nahm er auch ein nahegelegenes Kliff in Augenschein, das einer der möglichen Kandidaten für den Ripertschen Meteoritenhügel sein könnte – dieser wäre demnach einer optischen Täuschung unterlegen.

Köberl kann sich zwar nicht wirklich vorstellen, dass eine solche Verwechslung möglich wäre, allerdings hatte Ripert keinen fachlichen Hintergrund. Allerdings sieht Köberl aber auch keine realistische Möglichkeit, dass ein derart großes metallisches Objekt bei vergangenen Expeditionen übersehen wurde. Dieses müsste auch schon aufgrund unterschiedlicher Temperatureigenschaften zur Umgebung aufzufinden sein und auch auf Luft- und Satellitenbildern auffallen, sagt der Geochemiker.

Schwarz erhebt sich ein Kliff über die mauretanische Sandwüste. Möglicherweise ließ sich Ripert von solchen Formationen täuschen .
Foto: Christian Köberl
Der Impaktforscher Christian Köberl besuchte die Region im Jahr 1989.
Foto: Christian Köberl
Der Aouelloul-Krater befindet sich ebenfalls in der Wüste Mauretaniens.

Neue Suchansätze

Dennoch glaubt nun ein Team britischer Forscher, dem verschollenen Meteoriten auf die Spur kommen zu können, wie sie in einer auf der Plattform Arxiv veröffentlichten Studie darlegen. Sie haben mit Höhenprofilen die Sanddünen und ihre Bewegungsgeschwindigkeiten in der Region vermessen, um die Plätze einschränken zu können, wo sich der Gesuchte unter dem Sand verbergen könnte. Zugängliche Satellitenbilder wurden freilich auch geprüft, lieferten jedoch kein Ergebnis. Beim mauretanischen Bergbaumuseum wurde um Zugang zu den Daten einer hochauflösenden aeromagnetischen Untersuchung der Region angesucht, die Daten wurden bisher jedoch nicht freigegeben.

Aufgrund praktischer Überlegungen über die Fortbewegungsgeschwindigkeit auf einem Kamel gehen die Forscher jedoch davon aus, dass der Fundort viel näher an der Stadt Chinguetti liegen muss, als bisher angenommen wurde. So richten sie ihre Aufmerksamkeit auf eine Dünenformation, die "Les Boucles" genannt wird. Während sie weiterhin auf den Erhalt der Daten durch die Regierung hoffen, sehen sie als alternative Möglichkeit die Prüfung von allen infrage kommenden Dünen mithilfe eines Magnetometers vom Boden aus.

In der Suchregion südlich von Chinguetti wurden Sanddünen identifiziert, die eine entsprechende Höhe haben, um den Meteoriten zu verbergen.
Robert Warren, Stephen Warren, Ekaterini Protopapa

Den Ansatz der britischen Forscher beurteilt Köberl jedenfalls zurückhaltend. Die Auffindung des Meteoriten sei mehr als unwahrscheinlich, ein Beweis seiner Nichtexistenz jedoch schlicht nicht möglich. Das Rätsel wird also wohl auch nach hundert Jahren weiterhin ungelöst bleiben müssen. (Michael Vosatka, 12.3.2024)