Es war im Herbst 1983. Da flossen in heimischen Wohnzimmern ganze Sturzbäche von Tränen. Tanten, Omas, Mütter und Töchter – ja, in der Erinnerung waren es vor allem die Frauen – hatten ein gemeinsames Gesprächsthema: die tragische Liebesgeschichte zwischen dem Gottesmann Ralph de Bricassart und der Farmerstochter Meggie in Die Dornenvögel. Den Inhalt fasst Pater Ralph mit diesem Satz theatralisch zusammen: "Ich liebe dich, aber Gott liebe ich mehr."

Himmlische Quote

Für den ORF sollte diese vierteilige Verfilmung des Romans der australischen Schriftstellerin Colleen McCullough einer der bisher meistgesehenen TV-Events werden. Der ORF erhielt als erster deutschsprachiger Sender die Rechte, im Schnitt waren im Herbst 1983 rund 3,4 Millionen Zuseherinnen und Zuseher dabei. Eine Traumquote – freilich noch in Zeiten ohne Streaming. Deutschland zog erst zwei Jahre später nach. Taugen Die Dornenvögel heute noch als harmlos-sentimentales Schnulzen-TV zur Entspannung? Eines vorweg: Harmlos ist hier nichts, kitschig, überladen und auch teils problematisch hingegen viel.

Lieben sich und können sich doch nicht haben: Rachel Ward als Meggie und Richard Chamberlain als Pater Ralph.
Lieben sich und können sich doch nicht haben: Rachel Ward als Meggie und Richard Chamberlain als Pater Ralph.
Foto: imago, united archives

Wie sich der um einiges ältere Pater Ralph (gespielt vom damals knapp 50-jährigen Richard Chamberlain) in das Leben der beim Kennenlernen erst neunjährigen (!) Meggie Clearly einschleicht, immer wieder ihre Nähe sucht, ist aus heutiger Sicht eine echte Grenzüberschreitung.

Freilich meint er es vordergründig gut mit ihr, gibt dem Kind Trost und Halt, die es von den strengen Eltern nicht zu erwarten hat. "Die Söhne sind es, auf die eine Mutter stolz ist", sagte einmal Meggies Mutter Fee (Jean Simmons). Doch diese Zuneigung wird immer intensiver. Ralph nährt damit Meggies (als Erwachsene gespielt von Rachel Ward) Hoffnungen auf eine spätere Beziehung. Mit all seinen Gesten, seinen Blicken, manchmal auch seinen Worten gibt er ihr zu verstehen, dass vielleicht doch einmal ein Liebespaar aus ihnen werden könnte.

Höhere Weihen

Dieses ewige Hin und Her nervt auf Dauer gewaltig. Und ist egoistisch vor dem Hintergrund, dass er sich für höhere Weihen bestimmt sieht und ihn sein Ehrgeiz bis in den Vatikan führen sollte. Dort erklimmt er – mit traurigem Blick und wässrigen Augen – einen Karriereschritt nach dem anderen, tauscht unter der Obhut seines väterlichen Freunds (Christopher Plummer als Erzbischof Vittorio, der einer der wenigen ist, der Ralph durchschaut) das schwarze Priestergewand gegen die rote Kardinalsrobe und versucht Meggie zu vergessen. Funktioniert natürlich nicht. Umgekehrt ebenso wenig, auch wenn Meggie derweil den Ungustl Luke (Bryan Brown, oft mit nacktem Oberkörper gemeinsam mit anderen nackten männlichen Oberkörpern bei der Zuckerrohrernte) heiratet und von ihm eine Tochter bekommt.

Richard Chamberlain als Ralph mit seinem väterlichen Freund Vittorio (Christopher Plummer).
Richard Chamberlain als Ralph mit seinem väterlichen Freund Vittorio (Christopher Plummer).
Foto: imago/United Archives

In Folge drei wird es dann kurz kuschelig. Ralph lässt ein paar Tage das Zölibat totes Kirchengelübde sein und hat – endlich – ein Gspusi mit Meggie. Aber freilich ist ihm der Schoß der Kirche dann doch näher als der ihre. Ach Gott! Sie nimmt es sportlich, "die wenigen Tage mit Ralph haben mir alles gegeben". Zumindest einen Sohn. Dass sie seine Unentschlossenheit als gottgegeben hinnimmt, macht wütend. Ihre viel zu seltenen Auszucker („Ich bin nicht deine Meggie“) zählen noch zu den besseren Szenen dieser langen rund 460 Minuten. Nach all dem Schmachten gibt es aber Hoffnung. Die neue Generation macht es besser, die Zeiten ändern sich. Mit Meggies Tochter Justine (Mare Winningham) betritt eine selbstständige junge Frau die Bühne, und viel zu spät wird auch Ralph gescheiter.

Schuld, Reue, Trauer

Am Ende bleibt viel Schuld, viel Reue, viel Trauer und ein Gott, der alles nimmt, was einem lieb ist. Muss das sein? Nein. Die Dornenvögel können getrost in den Archiven bleiben. Aufnahmen der australischen Weiten, die opulent gefilmten Szenen im Vatikan und teils spannende Nebenfiguren (etwa Barbara Stanwyck als steinreiche Mary Carson, die böse ihre geschickten Fäden zieht) machen die unglaubwürdige Handlung nicht wett.

Da hilft auch das übertrieben engagierte Schauspiel von Chamberlain und Ward nichts. Ihre Darstellung wirkt heute – rund 40 Jahre nach der Erstausstrahlung – wie unfreiwillige Satire. (Astrid Ebenführer, 9.3.2024)