Der neue ÖBB-Schnellzug Railjet bei seiner Premiere auf dem Wiener Hauptbahnhof.
Im farblichen Erscheinungsbild unterscheidet sich der neue ÖBB-Railjet nicht von seinen Vorgängermodellen. Aber vor allem innen ist vieles anders. Niederflur war sowieso hoch an der Zeit
HO / ÖBB / Harald Eisenbeger

Wien – Betont optimistisch gab sich die ÖBB zu Beginn des Osterreiseverkehrs. 15.000 zusätzliche Sitzplätze und 30 außertourliche Zugverbindungen an den Feiertagen wurden angepriesen und natürlich die Bestellung 19 neuer Schnellzüge des Typs Railjet, die allerdings erst 2028 auf Schiene kommen. Abgesehen davon, dass die Meldung von der Zugbestellung bei Siemens bereits vor Weihnachten die Runde machte: Gefeiert wurde insbesondere der neue Railjet, von dem – notabene mit zwei Jahren Verspätung – die erste Tranche in Dienst gestellt wurde.

Die neue Generation Railjet, die zu Ostern auf der Weststrecke zwischen Wien und Feldkirch für zusätzliche Kapazitäten sorgen soll und danach im Italien-Verkehr auf der Brennerroute zum Einsatz kommt, muss sich erst bewähren. Mit breiteren Sitzen und engeren Gängen sorgt sie jedenfalls nicht für ungeteilte Freude. Die Umgestaltung des Wagentyps auf Niederflureinstieg vermochte den Ärger mancher Fahrgäste über zu wenige Ein- und Ausstiege und Treppen innerhalb der Wagen nicht aufzuwiegen.

Nur eine Tür pro Wagen

Pro Wagen gibt es nur mehr eine Eingangstür, die allerdings breiter ist und somit komfortabler sein sollte für mit Reisegepäck beladene Passagiere. Die Treppen sind – ähnlich wie bei den Schnellbahnzügen des Typs DesiroML – den Radkästen geschuldet, die bei Niederflurgarnituren überbrückt werden müssen. Beides, sowohl engere Gänge als auch die Reduktion von Einstiegen auf einen pro Wagen, seien aus sicherheitstechnischer Sicht unbedenklich und zulässig, betonte ein ÖBB-Sprecher in Reaktion auf einen Bericht des "Kurier", wonach dadurch eine Evakuierung im Fall eines Notfalls erschwert würde. Die Fahrzeuge und das Türkonzept seien im Zulassungsverfahren streng geprüft und genehmigt worden. Die Fahrgäste hätten sehr positiv auf die Neuerungen reagiert, betonte der Sprecher.

Vergeblich sucht man in den neuen Railjet-Zügen übrigens Mülleimer. Sie wurden bei den Sitzplätzen ersatzlos gestrichen beziehungsweise ans Wagenende verbannt, stattdessen gibt es Papiersackerl für den Müll, die bei längeren Fahrten durch das Bordpersonal entsorgt würden.

Nicht minder spannend als die Zufriedenheit mit dem Railjet ist freilich, ob die ÖBB den Nah- und Regionalverkehr in der Ostregion nach Ostern wieder in den angestammten Takt zurückführen kann. In Österreichs größter Pendlerregion waren im März mangels verfügbarer Triebfahrzeuge 50 Zugverbindungen aus dem erst im Dezember erweiterten Fahrplanangebot herausgenommen worden, um den teilweise entgleisten Taktfahrplan wieder auf Schiene zu bringen. Während dieses Notfahrplans wurde ein Bündel an Maßnahmen ergriffen, um fehlendes Rollmaterial herbeizuschaffen und den ausgedünnten Fahrplan nach den Ferien wieder aufzufüllen. Zu den Eckpunkten gehören:

So dreht sich das Rad langsam wieder zurück in den Normalfahrplan. Züge der Linie S3 fahren ab 2. April wieder im 15-Minuten-Takt, allerdings nur in Einfachtraktion, also nicht als Langzug, was in Stoßzeiten zu Gedränge und Überfüllung führen kann. Die Züge fahren bis auf Weiteres in Einfachtraktion, also als Kurzzug. Mit einer raschen Rückführung der Doppelstockzüge auf ihre angestammte Linie zwischen Wien - Wiener Neustadt - Deutschkreutz beziehungsweise auf der Franz-Josefs-Bahn Richtung Gmünd bleiben voraussichtlich bis Ende des Jahres aufrecht, teilt die Bahn mit. Ein Blick in die ÖBB Fahrplanauskunft vor Fahrtantritt empfiehlt sich also unverändert.

Stuttgart statt Vorarlberg

Die Auftragsvergabe an Alstom entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Denn der um Bombardier angereicherte französische Zugausrüster befindet sich in einem tiefen Konflikt mit der ÖBB. Anlass sind die Schnellbahnzüge für Tirol und Vorarlberg, die 2019 hätten kommen sollen. Sie bekamen in Österreich vom Verkehrsministerium mangels Zugsicherungssystems ETCS allerdings nie eine Zulassung, obwohl die Strecke in Vorarlberg noch gar nicht mit ETCS aufgerüstet ist. Die 25 Elektrotriebzüge kurven nun in Stuttgart herum. In Österreich hingen läuft ein Schiedsverfahren zwischen ÖBB und Alstom.

Die von Siemens mit Lieferengpässen begründete verspätete Ankunft der neuen Niederflur-Railjets hat übrigens ein Nachspiel: Siemens Mobility wurde zu Pönalezahlungen verdonnert. ÖBB-Insider berichten von zehn bis 15 Railjet-Zügen, die der deutsche Elektromulti quasi gratis liefern müsse. Was das konkret in Euro bedeutet, darüber schweigen sich beide Vertragspartner aus. Auf Preisbasis 2018 wären das gemäß Rahmenvertrag mit Siemens für die Railjet-Anschaffung pro neunteiligen RJ-Zug (ohne Lok) in etwa 19 Millionen Euro, für einen siebenteiligen RJ-Zug circa 17,5 Millionen Euro. Das wäre dann als Pönalezahlung eine Größenordnung von mindestens 170 bis 190 Millionen Euro. Grundsätzlich sind bei ÖBB-Vergaben bis zu zehn Prozent des Auftragsvolumens als Pönale angedroht. Man habe mit der ÖBB im November ein Gesamtpaket geschnürt, darin sei auch die Thematik Lieferverzögerung inkludiert, hieß es seitens Siemens Mobility knapp. Die überwiegend öffentlich finanzierte ÖBB verweist auf vertragliche Geheimhaltungspflichten und bestätigte nichts, dementierte aber auch nicht. (Luise Ungerboeck, 27.3.2024)