Kneissl, Putin, tanzend
Unter einem neuen Blickwinkel erscheint der Tanz der damaligen Außenministerin Karin Kneissl mit ihrem Hochzeitsgast, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Foto: AP / Kreml / Alexei Druzhinin

Vor ein paar Wochen erklärte Herbert Kickl im Rahmen einer Pressekonferenz, dass Unterstützung für die Ukraine "ein Selbstmordanschlag auf die europäische Bevölkerung" sei. In Polen, Moldau und den baltischen Staaten könnte diese Aussage wohl eher als angedachter Mordanschlag auf die eigene Bevölkerung interpretiert werden. Aber der FPÖ-Parteichef hatte an diesem Tag eine noch beunruhigendere Aussage auf Lager: "Wir müssen unser Verhältnis zu Russland normalisieren."

Was Kickl und seine Partei unter einem normalen Verhältnis zu Russland verstehen, kann man in einem vom Falter in Auszügen veröffentlichten Dossier nachlesen. In dem von Whistleblowern aus der russischen Botschaft verfassten Dokument werden nicht nur in Österreich noch immer aktive russische Spione namentlich aufgezählt, es gibt auch eine Auflistung von FPÖ-Politikern, die besonders gute Beziehungen zum Putin-Regime hätten. Genannt werden der ehemalige Linzer FPÖ-Vizebürgermeister Detlef Wimmer, die für parlamentarische Anträge zur Aufhebung von Russland-Sanktionen zuständigen Johannes Hübner und Axel Kassegger sowie – etwas überraschend – Manfred Haimbuchner, bei dem man ja rein optisch eher eine Nähe zu Nordkorea vermutet hätte. Kickl selbst hätte laut dem Dossier in Erwägung gezogen, den russischen Inlandsgeheimdienst FSB als Vorbild für eine Reform des österreichischen Verfassungsschutzes zu nehmen. Angesichts der in jüngster Zeit enttarnten russischen Spione im BVT ein naheliegender Gedanke, dessen Umsetzung Egisto Ott und Martin Weiss vielleicht das oft mühsame Täuschen und Tarnen beim Führen eines Doppellebens erspart hätte.

Moskauer Maulwurf-Brigade

Zweifelsohne hätten sie sich auch leichter getan bei der tatsächlich geplanten Gründung eines eigenen Geheimdienstes. Dieser sollte im Jahr 2018 unter dem Namen "Sicherheitsabteilung" im Außenministerium installiert werden. Neben Ott und Weiss wäre auch der designierte Generalsekretär des Ministeriums Johannes Peterlik dabei gewesen, der schon damals den Russland-Spion und Wirecard-Milliarden-Betrüger Jan Marsalek mit Geheiminformationen, unter anderem zur Herstellung des Nervengiftes Nowitschok, versorgt haben soll. Als Chefin der Moskauer Maulwurf-Brigade war Karin Kneissl vorgesehen. Theoretisch ist es nicht ausgeschlossen, dass sie dabei selbst als Doppelagentin mit hehren Absichten aktiv werden wollte. Ihr berühmter Hochzeits-Knicks erschiene dann unter einem völlig neuen Blickwinkel, wenn sich herausgestellt hätte, dass Karin Kneissl auf Wladimir Putin angesetzt war. Quasi als eine Art Venus-Falle.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Kneissl für ihre spätere, von vielen belächelte Flucht nach Russland, für die sie, wegen der durch Putins Überfall auf die Ukraine zeitgleich ausgelösten Massenflucht aus dem Osten, von mir als "Geisterflüchtling" verhöhnt wurde, handfeste Gründe hatte. Statt als Mata Hari des Hochzeitstanzes zu agieren, wollte sie einfach die nun stattfindende Aufarbeitung des größten Spionageskandals der Zweiten Republik nicht aus nächster Nähe erleben müssen und gleichzeitig – um es mit Kickl zu sagen – ihr Verhältnis zu Russland endlich normalisieren. (Florian Scheuba, 11.4.2024)