Lehrer Georg Platzer schlägt in seinem Gastkommentar vor, in den Schulen mehr über die Arbeitsweise von Forscherinnen und Forschern zu lehren. Das sei wichtig, weil "ein beträchtlicher Teil der Menschen hierzulande der Wissenschaft nichts abgewinnen kann".

Dass der Wissenschaft und ihren Institutionen in Österreich gehörig Skepsis entgegengebracht wird, ist kein Geheimnis. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie offenbarte eindrücklich, was entsprechende Untersuchungen schon länger zeigen: Ein beträchtlicher Teil der Menschen hierzulande kann der Wissenschaft nichts abgewinnen. Im besten Fall mangelt es nur an Wertschätzung, im wahrscheinlicheren Fall wird die Wissenschaft als ausschließlich kommerziellen Interessen folgend verstanden, oder sie wird als ein weiteres von vielen Glaubenssystemen abgetan. Auf der anderen Seite steht das, was die Wissenschaft tatsächlich zu leisten vermag und sich in der Beförderung von Wohlstand, Sicherheit und Gesundheit niederschlägt.

Transhumaner Impfzombie? Die Corona-Demos haben auch sehr viele Seltsamkeiten hervorgebracht.
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Eigentlich dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass die Wissenschaft, deren Errungenschaften und der damit verbundene Fortschritt die Basis unseres modernen Lebens bilden. Auch nicht daran, dass globale Probleme wie eine Pandemie oder die menschengemachte Klimakrise nur im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen bewältigbar erscheinen. Dass trotzdem üppiges Misstrauen besteht, sollte alarmieren und zu zeitnahen Reaktionen anregen – etwa an den Schulen.

Komplexe Welt

Vorweg: Die Schule kann nicht für alle ungünstigen Entwicklungen die lösende Antwort bieten, das versteht sich von selbst. Der Ruf nach Bildungsreformen ist laut und immerwährend – zu vieles wird den Lernstätten dabei zugemutet. Auf einen grundlegenden Gedanken aber werden sich die Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Bildungsvorstellungen wohl verständigen können: Schule soll dabei helfen, die Welt zu verstehen – vor allem eine solch komplexe Welt wie die, in der wir leben. An genau diesem Punkt könnte nun ansetzen, was sich als zeitgemäße Wissenschaftsbildung in den Schulen etablieren ließe: die Möglichkeit der inhaltlichen Annäherung an die Grundlagen, Methoden und Ziele der modernen Wissenschaften. Ausgehend von Anwendungen des Alltags wie der Computertechnik, der Wettervorhersage, der praktischen Medizin oder der Pandemiebewältigung ließe sich – altersadäquat angepasst – das Zugrundeliegende erschließen.

Dabei könnte etwa der Frage nachgegangen werden, mit welchen Methoden Forscherinnen und Forscher zu ihren Ergebnissen gelangen und wie sich ebendiese Methoden über die Zeit verändern. Zu erörtern wäre weiters, inwiefern in der wissenschaftlichen Praxis allgemeine Aussagen getroffen werden dürfen – so wie das bei Befragungen, Untersuchungen oder Experimenten der Fall ist.

"Dass solche Begegnungen mit der Wissenschaft selbst in jungen Jahren bereits fruchtbar sind, zeigt übrigens das Projekt der Kinder-Uni, bei dem Sieben- bis Zwölfjährige spielerisch den Forschungsbetrieb kennenlernen dürfen."

Es könnte thematisiert werden, woran man die Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen festmachen kann und wie entsprechende Studien aufgebaut sein müssen. In diesem Zusammenhang würde es sich auch lohnen, die Grenzen der Wissenschaft abzustecken und zu klären, warum wissenschaftliche Erkenntnis immer nur als vorläufiges Wissen verstanden werden darf. Nicht zuletzt könnte der Blick dafür geschärft werden, dass die Forschung nicht immer mit praktischem Nutzen verbunden sein muss, sondern dass der Mensch von Natur aus eine zweckfreie Neugierde für die Welt mitbringt.

Schon dieser Minimalabriss an denkbaren Inhalten zeigt, welch lohnenswertes Potenzial in einer so verstandenen Wissenschaftsbildung läge.

Umgesetzt werden könnte ein solches Vorhaben an den Schulen mittelfristig etwa per Verankerung als Unterrichtsprinzip – so wie das schon bei der Politischen Bildung oder der Gesundheitsförderung der Fall ist. Die entsprechenden Lerninhalte und Fachkompetenzen würden dann keinem speziellen Unterrichtsgegenstand zugeordnet, sondern in verschiedenen Schulfächern und Jahrgangsstufen ihre Abbildung finden. Lehrerinnen und Lehrer würden dann in ihrem jeweiligen Fach eben auch eine elementare Wissenschaftsbildung realisieren.

Punktuelle Akzente

Auf kurze Sicht erscheint es zumindest sinnvoll, punktuelle Akzente zu setzen – etwa durch Workshops, fächerübergreifende Projekte oder die Anpassung konkreter Unterrichtsinhalte. Auf lange Sicht wird sich vielleicht auch von einem eigenen Unterrichtsgegenstand träumen lassen, der dem Anspruch einer modernen Wissenschaftsvermittlung gerecht wird. Dass solche Begegnungen mit der Wissenschaft selbst in jungen Jahren bereits fruchtbar sind, zeigt übrigens das Projekt der Kinder-Uni, bei dem Sieben- bis Zwölfjährige spielerisch den Forschungsbetrieb kennenlernen dürfen. In welcher Form auch immer – in jedem Fall muss es gelingen, in der Breite einen offenen und wirklichkeitsnahen Blick auf die Welt zu fördern – und die Schule kann dabei ihren Beitrag leisten. (Georg Platzer, 1.9.2022)