Udo Landbauer wirft ÖVP-Landesparteiobfrau Johanna Mikl-Leitner (hier im Bild) vor, durch "strukturelle Korruption, eiskalte Manipulation und skrupellosen Machtmissbrauch" zu versuchen, den politischen Mitbewerber "dem Erdboden gleichzumachen".

Foto: screenshot, ORF-tvthek

St. Pölten / Wien – Rund um Vorwürfe gegen ORF-Niederösterreich-Landesdirektor Robert Ziegler aus seiner Zeit als Chefredakteur sind vor der Landtagswahl am 29. Jänner Mails aufgetaucht, wonach Ziegler 2018 die ÖVP in der NS-Liederbuch-Affäre beraten haben soll. Ziegler soll Landeshauptfrau und ÖVP-Chefin Johanna Mikl-Leitner zudem "volle TV-Präsenz" zur Verfügung gestellt haben, berichtete die "Presse" am Donnerstag. FPÖ-Landeschef Udo Landbauer, der wegen der Causa vorübergehend zurückgetreten war, fordert nun den Rücktritt Mikl-Leitners.

Mikl-Leitner habe sich ihren Sessel als Landeshauptfrau 2018 "durch Korruption, Manipulation und Machtmissbrauch erschlichen", sagte der freiheitliche Spitzenkandidat in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Donnerstag. Der ORF sei 2018 "massiv vom System ÖVP missbraucht" worden. Der ÖVP hatte bei der Landtagswahl vor fünf Jahren der Verlust der absoluten Mehrheit gedroht. "Daher griff das ÖVP-System zu Dirty-Campaigning-Methoden, mit anderen Worten: Es folgte eine niederträchtige Schmutzkübelkampagne", so Landbauer. Die Volkspartei verteidigte 2018 die absolute Mandatsmehrheit.

"Sofortiger Rücktritt" gefordert

Mikl-Leitner habe "das Vertrauen jeder einzelnen Wählerin und jedes einzelnen Wählers eiskalt missbraucht", sagte Landbauer. "Wer einen solchen Charakter hat, der hat nichts an der Spitze eines Landes verloren." Aus seiner Sicht habe diese Person "nicht einmal etwas in der Politik verloren", so Landbauer: "Wir Freiheitlichen in Niederösterreich fordern den sofortigen Rücktritt von Johanna Mikl-Leitner als Landeshauptfrau." SPÖ-Landesparteichef und -Spitzenkandidat Franz Schnabl hatte bereits nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Dezember Mikl-Leitners Rücktritt verlangt.

Landbauer warf Mikl-Leitner vor, durch "strukturelle Korruption, eiskalte Manipulation und skrupellosen Machtmissbrauch" zu versuchen, den politischen Mitbewerber "dem Erdboden gleichzumachen". "Wir werden Johanna Mikl-Leitner nicht zur Landeshauptfrau wählen", betonte er. "Der tiefe schwarze Staat zieht sich von der Gemeinde über das Land bis tief hinein in die Regierungsbüros", so Landbauer. Mikl-Leitner sei "die Drahtzieherin dieses Systems".

Laut internen Mails von Ziegler an Mitarbeiter dürfte der damalige ORF-NÖ-Chefredakteur den innersten Kreis um Mikl-Leitner 2018 beraten haben, wie sie auf die Vorwürfe gegen FPÖ-Spitzenkandidat Landbauer medial reagieren solle, hieß es in der "Presse". Zwei Tage vor der Wahl soll Ziegler eine Nachricht an mehrere Mitarbeiter geschickt haben: "Vlt (vielleicht, Anm.) geschieht ja doch was. Der Druck ist jedenfalls wichtig. Lgro." Gemeint sei damit Mikl-Leitners "Druck", am Abend vor der Landtagswahl 2018 sei die Landeshauptfrau im ORF-Radio, in "Niederösterreich heute" und in der "ZiB 1" zu Wort gekommen und hatte erklärt, dass es mit Landbauer "keine Basis für eine Zusammenarbeit" gebe, berichtete die Tageszeitung.

ORF: Kein "Leck"

Der ORF und die von Generaldirektor Roland Weißmann eingesetzte Evaluierungskommission zur Klärung der Vorwürfe gegen Ziegler wiesen indes in einer Aussendung zurück, dass die Kommission ein "Leck" habe und vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit spiele. Man arbeite unter "strengsten Verschwiegenheitsvorgaben", sagte der Vorsitzende Gerhard Draxler. "Wenn nun anonym Papiere oder Aussagen von MitarbeiterInnen in anderen Medien landen, ist das nicht hilfreich für die Arbeit des Gremiums, sondern schädlich", hielt Weißmann fest.

Die Affäre um ein NS-Liederbuch in der Burschenschaft Germania in Wiener Neustadt, der Landbauer angehörte, war wenige Tage vor der Landtagswahl am 28. Jänner 2018 bekannt geworden und kostete die FPÖ Stimmen. Mit 14,8 Prozent und acht Sitzen wurde ein Rekordergebnis verfehlt. Der FPÖ-Spitzenkandidat wurde in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt als Zeuge geführt. Er stellte seine Parteimitgliedschaft ruhend und legte vier Tage nach der Landtagswahl alle politischen Funktionen zurück. Im August 2018 wurde das Verfahren gegen die für die Zusammenstellung und Illustration der Liederbuchausgabe Verantwortlichen eingestellt. Landbauer gab daraufhin sein Comeback, er wurde FPÖ-Klubobmann und -Landesparteiobmann.

Vorwürfe gegen Ziegler waren im Dezember öffentlich geworden, als mehrere Medien aus internen E-Mails und Chats zitierten. Der frühere ORF-NÖ-Chefredakteur soll sich immer wieder massiv für TV-Präsenz von Mikl-Leitner eingesetzt und eine Art Message-Control zugunsten der ÖVP betrieben haben. Er bestreitet die Vorwürfe. Ergebnisse der internen Evaluierungskommission sollen erst nach der Landtagswahl vorliegen. Weißmann kam der Forderung des ORF-Redaktionsrats nach einer Suspendierung Zieglers nicht nach. Ziegler gab lediglich seine Zuständigkeit für die aktuelle Berichterstattung ab, die aber ohnehin in der Hauptverantwortung des Chefredakteurs liegt.

Update: Reaktion von ÖVP-Landesgeschäftsführer Ebner

"Es wird immer klarer, was Landbauer-Schnabl vorhaben: Sie wollen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner weghaben. Sie wollen sich zusammentun, sie wollen Blau-Rot statt Blau-Gelb", reagierte ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Landbauer und Schnabl würden "nicht mehr und nicht weniger als einen Umsturz" planen, teilte Ebner mit. (APA, 19.1.2023)