Anton Pototschnig, diplomierter Sozialarbeiter, Familiencoach und Obmann der Plattform Doppelresidenz sowie von "Wir Väter", fordert in seinem Gastkommentar, auch die Seite der Väter ernst zu nehmen.

Nach der Trennung halbe-halbe bei der Kinderbetreuung – das ist ein Konfliktstoff auf mehreren Ebenen.
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Junge Frauen und Männer leben immer öfter Gleichberechtigung. Mit beginnender Elternschaft kommt es allerdings oft zu einem Rückfall in die traditionelle Rollenverteilung. Solange Väter die gemeinsamen Kinder bei den Müttern in guten Händen sehen, und Mütter sich auf das Einkommen der Väter verlassen können – alles kein Problem. Mit einer Trennung jedoch werden die Defizite dieser impliziten Vereinbarung sichtbar. Väter haben das "Kapital" der finanziellen Ressourcen, vermissen aber die Beziehung zu ihren Kindern. Mütter haben das "Kapital" der Beziehung zu ihren Kindern, stoßen aber auf finanzielle Engpässe.

Gesellschaftliche Verwerfungen müssen nun auf privater Ebene gelöst werden. Beziehungsverlust hier, Doppelbelastung dort und finanzielle Unsicherheiten auf beiden Seiten – eine Trennung oder eine Scheidung ist eine Sollbruchstelle gesellschaftspolitischer Unzulänglichkeiten. Der Streit um die zu kleine Bettdecke beginnt. Zieht der eine, friert der andere und umgekehrt.

Ideologisch gefärbter Diskurs

Eltern werden alleingelassen – und das nicht nur von der Politik: zu heiß das Thema. Gibt es einen Diskurs, spiegelt sich darin das Hickhack privater Niederungen wider, nur mit ideologischen Färbungen. Aber wie umgehen mit diesen Widersprüchlichkeiten?

Väter, die im Kontakt mit ihren Kindern unbegründet eingeschränkt werden und auch von behördlicher Seite keine entsprechende Hilfe bekommen, haben sich zusammengetan, um darauf aufmerksam zu machen. Frauenorganisationen etikettierten sie abwertend als "Väterrechtler", als politisch rechts, rückwärtsgewandt und frauenfeindlich. Motto: nur nicht anstreifen.

Vätern wird vorgeworfen, sich erst mit der Scheidung ums Kind zu kümmern. Ist aber die Entscheidung der Eltern – die Mutter bleibt beim Kind, der Vater im Job – keine konsensuale? Wenn doch und wenn beide sich um das Wohlergehen des Kindes sorgen, warum wird das dann Vätern zum Vorwurf gemacht und dient als Legitimation, sie im Kontakt zum Kind auf vier Tage pro Monat zu beschränken?

Mütterliches "Gatekeeping"

Studien bestätigen, dass beide Geschlechter im Allgemeinen eine Annäherung betreffend Erwerbsarbeit und Familienarbeit wünschen, paradoxerweise nicht aber für sich selbst. Warum wird ausschließlich Männern vorgeworfen, verhaltensstarr zu sein? Forschungen zeigen auch, dass Frauen Kinder als "ihr Revier" sehen und "Gatekeeping" ein verbreitetes mütterliches Phänomen ist. Warum taucht dieser Aspekt im öffentlichen Diskurs kaum auf, während Vätern ständig verallgemeinernd vorgeworfen wird, ihnen ginge es nur um Macht und Geld, aber nie ums Kind?

Frauen haben 1997 über ein Volksbegehren das Recht auf Teilzeitarbeit eingefordert und bekommen. Ist es vermessen anzunehmen, dass die Zeit mit Kind für viele einfach eine schönere und bereicherndere ist als die im Vollerwerbsleben?

Halbe-halbe für Eltern

Das Modell der Doppelresidenz würde halbe-halbe für jeden Elternteil bedeuten. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder in der Regel davon profitieren. Warum aber lehnen viele Frauen dieses vor dem Hintergrund der Doppelbelastung ab? Kann es sein, dass Frauen sich schwertun, loszulassen?

Es scheint, dass heute beide Geschlechter Veränderungen wollen, aber gleichzeitig Angst davor haben, neues Terrain zu betreten. Nehmen wir also beide Standpunkte in der Debatte gleich ernst. Polarisierung hilft hier nicht weiter. (Anton Pototschnig, 10.4.2023)