Die Resolution im Wortlaut
"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zählt zu den Errungenschaften der Demokratie – das anzuerkennen, müsste auch für Konkurrenten selbstverständlich sein. Dennoch hat die Debatte um das neue ORF-Gesetz in den vergangenen Tagen absurde Züge angenommen und Grenzen überschritten: Private Medien berichten über das neue ORF-Gesetz, als würde damit der Niedergang von Meinungsfreiheit und Demokratie einhergehen. Völlig unangebrachte, falsche Zuschreibungen, von "Monopolsender", über "hypertropher Staatsfunk", bis hin zu "Massenvernichtungswaffe" waren über den ORF zu lesen.
Wir haben Verständnis für die wirtschaftlichen Probleme der privaten Medienbetreiber. Es liegt aber nicht in der Verantwortung des ORF, dass internationale Online-Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon ohne nennenswerte programmliche Leistungen in Österreich mehr als die Hälfte der Werbegelder abziehen. Die heimische Medienlandschaft wäre ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk als verlässliches und öffentlich finanziertes Qualitätsangebot dramatisch schlechter aufgestellt.
Kein anderes Medium in Österreich bietet dieses umfassende Informationsangebot mit niederschwelligem und barrierefreiem Zugang zur Berichterstattung – mit Untertitelung, Audio-Deskription und Gebärdensprache. Würde den Forderungen von kommerziell betriebenen Medien nachgegeben – der ORF solle nur produzieren, was für die privaten Medien zu teuer ist und nur Inhalte, für die es wenig Publikum gibt – dann wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk sehr bald ein elitäres Nischenprogramm und für die breite Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher uninteressant. Damit würde das Argument der solidarischen Finanzierung – "Programm für alle, finanziert von allen" – nicht mehr gelten.
Aktuell erreicht der ORF täglich 6,4 Millionen Menschen; 95 % der Bevölkerung nutzen unsere Programme und Inhalte. Von den 2.000 meistgesehenen TV-Sendungen im vergangenen Jahr waren 1.970 im ORF zu sehen. Das Publikum kann auf verlässliche, schnelle, ausführliche und korrekte Information vertrauen. Wir haben strenge Regulative und Kriterien für unsere Berichterstattung in Radio, TV, Teletext, Online und den Sozialen Medien – vom Redaktionsstatut, den Programmrichtlinien bis zum ORF-Gesetz. Kein anderes Medium berichtet mit einem großen Korrespondenten-Netz aus aller Welt die österreichische Perspektive. Und mit den neun Landesstudios bieten wir regionale Informationen – von Vorarlberg bis ins Burgenland. Und – wie schon oft bewiesen – bietet der ORF im Fall von Katastrophen und anderen Großereignissen, die direkt das Leben vieler Menschen betreffen, verlässliche und schnelle Informationen für die Bevölkerung.
Wir sichern Pluralität und eine ausgewogene, unabhängige und objektive Berichterstattung. Information, Kultur, Sport, Unterhaltung – dafür hat der ORF einen gesetzlich klar definierten öffentlichen Auftrag an den wir uns halten müssen.
Die ORF-Redaktionen wehren sich gegen jede Form der Einflussnahme. Werbekunden bekommen bei uns keine Bevorzugung in der Berichterstattung. Eine Vielzahl von Dokumentationen im Programm erfüllt den Bildungsauftrag. Wir sichern die österreichische Sprachenvielfalt, gestalten für die Volksgruppen-Minderheiten im Land eigene Programme und wir zeigen die kulturelle Vielfalt Österreichs.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk garantiert für alle einen Zugang zu Information und Unterhaltung. Auch wer wenig Geld hat, ist jetzt und in Zukunft von der ORF-Gebühr befreit. Damit wird rund 300.000 Haushalten ermöglicht, kostenlos auf ein breites Programmangebot zurückzugreifen. Für alle anderen wird die bisherige GIS-Gebühr für Radio und TV deutlich gesenkt – der ORF bekommt statt bisher 18,59 Euro in Zukunft 15,30 Euro pro Monat. In der Werbung gibt es für den ORF weitere Beschränkungen im Bereich Online und Radio – in der Größenordnung von bis zu 30 Millionen Euro.
Grundsätzlich begrüßen wir den vorliegenden Entwurf zur Novelle des ORF-Gesetzes. Weil damit eine staatsferne Finanzierung sichergestellt ist – also nicht aus dem Bundesbudget, über das die jeweiligen Regierungsparteien entscheiden. Eine Finanzierung aus dem Budget würde der Unabhängigkeit von Staats- und Parteieneinfluss widersprechen. Mit der jetzigen Lösung wird der Forderung des Verfassungsgerichtshofes entsprochen.
Weiters begrüßen wir den Entwurf, weil im digitalen Bereich anachronistische Regelungen fallen. Wie etwa die Verpflichtung, dass nach sieben Tagen unsere Inhalte wieder vom Netz genommen werden müssen. Redaktionelle Inhalte "online-first" und "online-only" anbieten zu können, war schon längst überfällig, auch wenn die vielen Einschränkungen und Auflagen im Vergleich zu den Möglichkeiten von ARD und ZDF unverständlich sind.
Allerdings sind Teile des Gesetzesentwurfes aus unserer Sicht auch besorgniserregend: "Alles billiger, aber besser", wie es der Wunsch von Medienministerin Susanne Raab ist, wird in der Praxis nicht umsetzbar sein. Die ORF-Geschäftsführung hat Einsparungen in der Höhe von 325 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren zugesagt. Es soll keine Valorisierung des ORF-Beitrages in den nächsten drei Jahren geben. Das bedeutet bei der aktuell hohen Inflation für den ORF jedes Jahr netto deutlich weniger finanzielle Mittel. Und das nach zahlreichen Sparprogrammen. In den vergangenen Jahren wurden bereits 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut, rund ein Viertel der Belegschaft – bei gleichzeitig deutlich gestiegener Programmleistung. Der Gesetzesentwurf verlangt nun – bei zusätzlichen Aufgaben – eine weitere Reduktion der Personalkosten. Mit einem Gehalts-Abschluss von 2,1 % waren die ORF-Beschäftigten in ihren KV-Verhandlungen weit unter allen anderen Branchen in Österreich. 500 Kolleginnen und Kollegen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, sollen zu einem großen Teil nicht nachbesetzt werden. Das macht die journalistische Arbeit noch einmal schwieriger. Schon jetzt sind die Redaktionen personell ausgedünnt.
Die gesetzliche Einschränkung von Textinformation auf ORF.at – der wichtigsten Nachrichtenseite Österreichs – halten wir für äußerst problematisch. Nicht nur, weil damit das Angebot eingeschränkt wird – viele User und Userinnen sehen in einem Mehr an Videos keinen Ersatz für weniger Text – sondern auch, weil es den gesetzlichen Informationsauftrag untergräbt und den niederschwelligen Zugang zu öffentlich-rechtlicher Berichterstattung schwächt. Ob diese Einschränkungen dem Geschäftsmodell von privaten Medien nützen, daran gibt es massive Zweifel von Expertinnen und Experten.
Extrem bedauerlich finden wir, dass sich in der Novelle keine Reform und Entpolitisierung der Aufsichtsgremien findet, obwohl das von zahlreichen Expertinnen und Experten seit vielen Jahren verlangt wird. Das Bundesverfassungsgesetz über die "Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks" sieht die "Unabhängigkeit der Personen und Organe" vor. Auch wenn einzelne Mitglieder des Stiftungsrates versuchen, gute Arbeit zu leisten und sich für das Wohl des Unternehmens einsetzen, in Summe lässt die Organisation in partei-politischen "Freundeskreisen" schwere Zweifel an deren Unabhängigkeit aufkommen. Es muss sichergestellt werden, dass der ORF via Aufsichtsgremien demokratisch kontrolliert wird, dass aber die Regierungsparteien nicht automatisch über die Mehrheit in den Gremien verfügen und so partei-politischer Einfluss auf die Bestellung von Managementpositionen im ORF ausgeübt werden kann.
Im neuen ORF-Gesetz unverändert bleibt auch das Anhörungsrecht der Länder bei der Besetzung von Landesdirektor:innen für die ORF-Landesstudios. Obwohl mehrere Landeshauptleute sich öffentlich für eine Abschaffung ausgesprochen haben, soll offenbar diese anachronistische Form der politischen Mitbestimmung von ORF-Führungsfunktionen weiter bestehen bleiben."
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Der Gesetzesentwurf
Der Begutachtungsentwurf zum ORF-Gesetz und zum ORF-Beitrags-Gesetz finden Sie hier auf der Website des Parlaments.