20 Jahre mag nach einem langen Zeitraum klingen, für die Entwicklung neuer Kampfpanzer sind zwei Jahrzehnte allerdings eher die Norm als die Ausnahme. Abrams, Challenger 2 und Leopard 2 können alle auf eine sehr lange Entwicklungszeit zurückblicken. Am ukrainischen Kampfpanzer BM Oplot wäre wohl auch noch einige Jahre getüftelt worden, aber die russische Invasion zwang die Verteidiger zur Eile. Jetzt soll der Oplot-M in größeren Stückzahlen produziert werden und die westlichen Panzer in der Ukraine ergänzen.

Der ukrainische BM Oplot auf der Arms and Security 2021.
SERGEY DOLZHENKO, EPA

Ein sowjetisches Erbe und eine lange Ahnengalerie

Als die Sowjetunion zerfiel, erbte die Ukraine ein gewaltiges Waffenarsenal. Darunter befanden sich hunderte Rümpfe von niemals fertig gebauten Kampfpanzern des Typs T-80. Verkaufen konnte man die Wannen nicht, die potenziellen Käufer befanden sich alle im politischen Umbruch und das Interesse an leeren Panzerwannen war enden wollend. Im Charkower Konstruktionsbüro für Maschinenbau kam man deshalb auf die Idee, die Grundlage des T-80, der wiederum auf dem T-64 basiert, für eine Eigenentwicklung zu nutzen. Heraus kam der T-84: ein Panzer, dessen Hülle aus der Sowjetunion stammt, dessen interne Komponenten aber alle in der Ukraine produziert wurden. Der T-84 wurde in den 90er-Jahren erstmals getestet. Darauf basiert die aktuelle Weiterentwicklung des BM Oplot, was so viel wie "Festung" bedeutet. Damit kann der ukrainische Panzer auf eine 29-jährige Entwicklungsgeschichte zurückblicken.

Bislang war laut Euromaidan Press nur eine Handvoll dieser Panzer im Einsatz. So soll die Ukraine aktuell nur über sechs T-84 verfügen, wie viele davon vom Typ BM Oplot sind, ist nicht klar. Die Ukraine ist durchaus in der Lage, den Oplot in größeren Stückzahlen zu produzieren. Thailand nutzt die Exportversion des ukrainischen Kampfpanzers namens Oplot-T und hat 49 Stück bestellt. Die für 2014 angekündigte Lieferung verzögerte sich aber durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und wurde erst 2018 abgeschlossen. Nun sei der Panzer in Charkiw erfolgreich getestet worden, weshalb Verteidigungsminister Oleksij Resnikow die Bestellung einer nicht näher genannten Zahl des BM Oplot beim Rüstungskonglomerat Ukroboronprom bekanntgegeben hat.

Oleksij Resnikow.

Der Gummipanzer

Der offensichtlichste Unterschied zum T-80 ist der Turm. Anders als beim Vorgänger aus Sowjetzeiten ist dieser beim Oplot nicht gegossen, sondern geschweißt. Das soll den Schutz an der Front und den Turmseiten erhöhen und gleichzeitig einen modularen Aufbau ermöglichen. Die Gasturbine des T-80 wurde beim Oplot gegen einen 1.200 PS starken Dieselmotor ausgetauscht, der nötigenfalls auch mit Kerosin betrieben werden kann. Das Getriebe verfügt über sieben Vorwärts- und fünf Rückwärtsgänge. Der Oplot kann mit seinen 51 Tonnen Einsatzgewicht eine Höchstgeschwindigkeit von rund 70 km/h erreichen, er kann also mit dem Leopard 2 mithalten.

AP

Anders als die westlichen Panzer – vom französischen Leclerc einmal abgesehen – wird der BM Oplot von einer dreiköpfigen Besatzung aus Kommandant, Richtschütze und Fahrer gesteuert. Der Fahrer sitzt in der Mitte der Wanne, der Kommandant rechts im Turm und der Schütze links. Auf einen Ladeschützen wird verzichtet, weil das automatische Ladesystem des T-80 zum Einsatz kommt. Dieses wurde aber so modifiziert, dass die Munition nicht mehr im Wannenboden gelagert werden muss – was potenziell tödliche Konsequenzen haben kann. Anders als beim Vorfahren ist die Munition aber in einem Munitionsbunker im neu designten Turm untergebracht. Der Panzer soll laut "Army Technology" einer Explosion von bis zu zehn Kilogramm TNT unter der Kette und bis zu vier Kilogramm TNT unter der Fahrerkabine standhalten.

Die Panzerung ist ähnlich dick wie beim T-80 und wird mit 600 Millimetern an der Frontplatte angegeben. Der Aufbau unterscheidet sich aber vom sowjetischen Vorbild. Kamen beim T-80 Polycarbonat-Platten im Sandwich-Verbund mit Panzerstahl zum Einsatz, sind im Oplot-M ein besonderer Gummi, Stahl und "andere Legierungen" verbaut. Dies soll dazu führen, dass sich die Metallplatten bei einem Treffer ausdehnen und zusammenziehen, um die Wucht des Geschosses zu mindern. Wie im Ukrainekrieg üblich, kommt auch Reaktivpanzerung zum Einsatz. Diese markanten Metallboxen oder Kacheln werden außen an der Panzerung angebracht und sind mit einer kleinen Sprengstoffladung gefüllt. Diese soll im Fall eines Treffers explodieren und das Geschoss wegdrücken, bevor es die eigentliche Panzerung durchschlagen kann. Der Nutzen dieser Kacheln vom Typ "Kontakt" oder "Relikt" ist umstritten. So bieten sie zwar gegen Hohlladungsgeschosse einen guten Schutz, sind gegen moderne Penetratorgeschosse jedoch weitgehend wirkungslos.

Alte Bewaffnung, neue Elektronik

Der Oplot-M ist mit einer 125-Millimeter-Glattrohrkanone KBA-3 bewaffnet, die auf der russischen 2A46 basiert, wie sie auch im T-72 und T-80 zum Einsatz kommen. Dazu kommt ein koaxiales Maschinengewehr KT-7.62, also ein modifizierte sowjetische PKT. Ebenfalls noch aus der Zeit des Warschauer Pakts stammt das Flugabwehr-Maschinengewehr KT-12.7. 

Ein Oplot-M auf einem Schießplatz in der Ukraine.
imago/ZUMA Press

Die Munition umfasst hochexplosive Splittergeschosse (HE-FRAG), panzerbrechende, flügelstabilisierte Wuchtgeschosse (APFSDS) und hochexplosive Panzerabwehrgeschosse (HEAT). Mit der Kanone können auch Anti-Panzer-Lenkwaffen vom Typ "Kombat" abgefeuert werden. Diese sind zur Bekämpfung von Kampfpanzern, gepanzerten Fahrzeugen oder schwebenden Hubschraubern innerhalb von fünf Kilometern gedacht und können mit einem Tandem-Gefechtskopf die oben bereits erwähnte reaktive Panzerung durchschlagen. Diese Lenkwaffe basiert wie fast alle Komponenten des BM Oplot ebenfalls auf einem russischen Design – der "Refleks".

Deutlich moderner dürfte die Elektronik des Oplot-M ausfallen: So verfügt die "Festung" über optronisches Gegenmaßnahmensystem von Varta zur Täuschung ankommender Raketen und Panzerabwehrlenkwaffen. Das System umfasst Laserwarnsensoren, einen Infrarot-Störsender und ein System zur Verlegung von Rauch- und Aerosolschirmen. Das Feuerleitsystem umfasst ein Tagessichtgerät für den Richtschützen, ein Panoramazielgerät für den Kommandanten, ein Wärmebildgerät, ein Flugabwehrvisier und ein digitales Steuersystem für das Luftabwehr-Maschinengewehr. Der Panzer ist außerdem mit einem ballistischen Computer  und Waffenstabilisierung ausgestattet. Dies macht es Kommandant und Richtschütze möglich, Ziele während der Fahrt zu erfassen und zu beschießen. Außerdem wurde der Oplot mit einer Klimaanlage ausgestattet, die einen Einsatz des Panzers auch unter Extremtemperaturen von minus 40 bis plus 55 Grad Celsius möglich machen sollen.

Nachfolger nach Nato-Standards

Aber auch wenn er erst jetzt wirklich in den Dienst gestellt wird, wird schon am Nachfolger des BM Oplot gearbeitet. Sollte die Ukraine nach dem Krieg der Nato beitreten, wird sie voraussichtlich die 125-Millimeter-Kanone nicht mehr nutzen können, da die Panzergranaten der Nato ein Kaliber von 120 Millimetern haben. Ein Prototyp, der den einheitlichen Standards des Militärbündnisses entspricht, wurde bereits entwickelt und trägt den Namen "Yatagan" nach einem türkischen Schwert. (Peter Zellinger, 16.5.2023)