Bei sommerlicher Hitze, Fußballweltmeisterschaften oder nach der Arbeit: Eigentlich gibt es immer einen triftigen Grund, um Bier zu trinken. Anderes würde man in einem Biertrinkerland wie Österreich auch nicht erwarten. Auch wenn zuletzt die Brauereien eine leicht rückläufige Nachfrage vermeldeten: Der Verbrauch bleibt mit gut 100 Litern pro Kopf und Jahr auf konstant hohem Niveau. So weit, so normal. Ein Trend zeichnet sich dennoch ab: Immer mehr Biertrinker und Biertrinkerinnen greifen zur alkoholfreien Variante.

Auch ohne Alkohol kann das kühle Blonde erfrischen.
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Plötzlich salonfähig

Sie haben auch eine größere Auswahl. In den Supermarktregalen und in der Gastronomie werden immer mehr Sorten angeboten: Luftikus, Freibier, Nullerl, Zisch und viele weitere. Große Konzerne, aber auch kleinere Brauerei wenden sich dem einst verpönten Getränk zu: "Der Absatz von alkoholfreiem Bier war über Jahrzehnte auf gleichbleibendem Niveau. Erst in den vergangenen drei bis fünf Jahren ist die Nachfrage deutlich gestiegen", erzählt Hubert Stöhr, Obmann des Vereins unabhängiger Privatbrauereien und Geschäftsführer der Brauerei Schloss Eggenberg. Die Brauerei stellte in den 1970er-Jahren eines der ersten alkoholfreien Biere in Österreich her – damals noch unter der Lizenz der Schweizer Marke "Birell".

Mit drei Prozent vom Gesamtumsatz ist der Anteil zwar überschaubar, die Zeiten, in denen Wirtshausgäste die Nase rümpften, wenn ihr Gegenüber von Clausthaler oder Null Komma Joseph nippte, scheinen aber endgültig vorbei zu sein. In den letzten fünf Jahren fuhren die heimischen Brauereien ihre Produktion um 20 Prozent hoch. Warum der Trend gerade jetzt einsetzt, hat mehrere Gründe. Hubert Stöhr beobachtet in seinem eigenen Umfeld, dass der Umgang mit Alkohol heute viel bewusster sei: "In Maßen genossen, ist herkömmliches Bier sicher nicht ungesund, aber ich sehe schon, dass sich Konsumenten mehr Gedanken machen, was sie ihrem Körper zuführen, vor allem auch die Jüngeren."

Branchenvertreter Karl Schwarz, der selbst die Geschicke der Zwettler Brauerei leitet, teilt diese Einschätzung. Zudem sehe er, dass alkoholfreies Bier immer öfter anlassbezogen getrunken werde: "Ich trinke zum Beispiel alkoholfreies Bier lieber als Limonade – mittags oder wenn ich danach mit dem Auto fahren muss", so Schwarz. Das "Handbuch Alkohol", herausgegeben vom österreichischen Gesundheitsministerium, zeigt, dass der Alkoholkonsum in den vergangenen Jahren tatsächlich leicht rückläufig ist, unter Schülerinnen und Schülern seit Beginn der 2000er-Jahre sogar deutlich.

Besserer Geschmack

Der Hauptgrund, weshalb alkoholfreies Bier boomt, sei allerdings der merkliche Qualitätssprung in der Herstellung. Da ist sich die Branche einig. Seit Jahrzehnten produziert Schloss Eggenberg nun schon das eigene alkoholfreie Bier. Geschmacklich habe sich aufgrund verbesserter Technologien einiges getan. Bier müsse gut schmecken, sonst hätte es langfristig keinen Erfolg, ist Hubert Stöhr überzeugt, der sein Bier als sehr rund und harmonisch beschreibt.

Zur Herstellung von alkoholfreiem Bier kommen in Brauereien zwei Verfahren zum Einsatz. Zum einen die gestoppte Gärung, bei der im Brauprozess mit speziellen Hefesorten und niedrigen Temperaturen verhindert wird, dass sich Alkohol bildet. Zum anderen die Entalkoholisierung bereits fertiggebrauter Biere mittels Umkehrosmose oder Vakuumdestillation. Liegt der Alkoholgehalt unter 0,5 Prozent, darf das Bier in Österreich als alkoholfrei bezeichnet werden. Das entspricht in etwas dem Alkoholgehalt von Fruchtsäften.

Original als Vorbild

Die wirkliche Herausforderung liegt darin, dem Bier das richtige Aroma zu geben, denn Alkohol ist ein Geschmacksträger: "Ohne Alkohol schmeckt das Bier leer. Aromen rücken in den Vordergrund, die man nicht unbedingt haben möchte. Sehr gut kann man da mit einer Extrahopfung entgegenwirken", erklärt Josef Sigl, Chef der Trumer-Brauerei in Salzburg, die seit kurzem ein alkoholfreies Bier in ihrem Sortiment hat. Die Versuche dauerten drei Jahre, bis der Pils-Charakter des Bieres in die Nähe des Originals kam.

"Wenn alkoholfreies Bier von herkömmlichem Bier nicht zu unterscheiden ist, dann hat der Braumeister gut gearbeitet", ist Karl Schwarz überzeugt. Durch Kalthopfung, könne man dem Bier im Lagertank eine interessante Aromenvielfalt verleihen: von Zitrone über Ananas bis hin zu Minze. In Blindverkostungen fällt es laut Schwarz auch Bierkennern immer schwerer, alkoholfrei von alkoholisch zu unterscheiden.

Wohin der Weg geht, ist für die Brauereien klar: Ein Blick nach Deutschland zeigt, welches Potenzial in dem Segment liegt. Dort ist alkoholfreies Bier mit einem Anteil von sieben Prozent in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Brauereien etwa in Bayern sprechen nicht mehr von einem Trend: Die Nachfrage explodiere förmlich. Auch große Getränkekonzerne rechnen mit steigenden Absätzen und erweitern ihr Sortiment: Anheuser Busch etwa, das größte Brauereiunternehmen der Welt, führte Anfang Mai das alkoholfreie Corona Cero im österreichischen Markt ein.

Corona Cero
Auch große Getränkekonzerne erweitern ihr Sortiment: Anheuser Busch führte das alkoholfreie Corona Cero heuer in Österreich ein.
Anheuser Busch InBev

Aber auch kleinere Privatbrauereien hätten die Chance, sich in der Nische zu profilieren, erklärt Hubert Stöhr. Technologisch gebe es zwar die eine oder andere Hürde wie etwa kostspielige Investitionen in Entalkoholisierungsanlagen. Diese Hürden könne man aber durch Kollaborationen zwischen einzelnen Brauereien überwinden. (Gerald Zagler, 13.8.2023)