Autorin Theresa Prammer.
Theresa Prammer traut sich nicht zu, den Strudelteig selbst zu machen.
Foto: Janine Guldener

"Das emotionalste Gericht für mich ist der Apfelstrudel von Wawi. Sie war das Kindermädchen meiner Mutter und meiner Tante. Dann starb mein Großvater, und es war kein Geld mehr da, um sie zu bezahlen. Doch Wawi ist geblieben. Sie wurde ein Familienmitglied. Sie kümmerte sich um alle in der Familie.

Woher Wawi ihren Spitznamen hat, weiß ich nicht. Aber sie war die unangefochtene Apfelstrudelkönigin. Die Herstellung wurde regelrecht zum Event hochstilisiert. Als ich sieben oder acht Jahre alt war, durfte ich assistieren. Sie hat den großen Esstisch auf seine maximale Größe ausgezogen. Zehn Personen hätten daran Platz gefunden. Sie legte ein Leintuch auf den Tisch. Darauf zog sie dann den Teig hauchdünn aus. Akribisch suchten wir ihn nach etwaigen Löchern ab und stopften sie minutiös. CSI Apfelstrudel könnte man sagen. Danach legte sie auf den Teig Äpfel, Butter und viele Bröseln. Sie rollte den Teig mithilfe des Leintuchs sehr vorsichtig ein, und der Strudel wurde gebacken.

Es war ein besonderes Ereignis, für das die gesamte Familie zusammenkam. Gemeinsam genossen wir diese köstliche Mehlspeise. Ich selbst trau mich über die Zubereitung nicht drüber. Wenn, dann kaufe ich fertigen Strudelteig. Eine Blasphemie! Wenn das die Wawi wüsste." (RONDO, Michael Steingruber, 30.11.2023)