"Ich hab gerade zum Zeugen gesagt, dass ich hoffe, dass er nicht beleidigt ist wegen der Krawatte", sagt der Laienrichter und deutet auf seinen lila Halsschmuck. Die Richterin schaut ihn verständnislos an. "Na weil er doch Rapid-Präsident ist!", ruft der Laienrichter und sorgt in einer Pause an einem langen Gerichtstag für einen dringend benötigten Schmunzler. Er hat recht – im Zeugenstand sitzt am Freitag am Arbeits- und Sozialgericht Wien Alexander Wrabetz. Allerdings nicht in seiner Rolle als Präsident des grün-weißen Sportklubs, sondern als ehemaliger ORF-Generaldirektor.

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Alexander Wrabetz, Rapid-Präsident und ehemaliger ORF-Generaldirektor, hier im Parlament.
APA/Roland Schlager

Verhandelt wird die Klage einer ORF-Managerin wegen Benachteiligung und sexueller Belästigung. Beim letzten Termin sah es noch aus, als könnte ein Vergleich doch noch glücken. Heute ist davon keine Rede mehr. Im Gegenteil – ab Dezember wird zusätzlich ein Verfahren vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission eröffnet. Die Rechtsvertretung des ORF bittet gleich eingangs, dieses auszusetzen; um nicht zweigleisig zu verhandeln, doch die Medienmanagerin lehnt ab. Der Ton zwischen den Parteien ist eindeutig: Freundschaftsspiel wird das keines.

Komplexe Ausgangslage

Kurz zusammengefasst, worum es aber nun vor dem Arbeits- und Sozialgericht geht: Die Klägerin fordert vom ORF rund 160.000 Euro Schadenersatz. Ihr ehemaliger Vorgesetzter soll über Jahre Grenzen überschritten haben. Die Rede ist von anzüglichen Kommentaren und Sexfantasien, die er ihr gegenüber geäußert habe. Dieses Fehlverhalten gab der Vorgesetzte vor Gericht auch zu. Nachdem sie ihn aufgefordert gehabt habe, das zu unterlassen, habe er sie im Unternehmen und auch außerhalb schlechtgeredet und strukturell benachteiligt. Nun geht es im Verfahren um die Frage, ob im ORF angemessen auf die Belästigung am Arbeitsplatz und den angeblichen Machtmissbrauch reagiert wurde.

Die Richterin setzt am Freitagvormittag erst die Befragung der Klägerin fort. Die ORF-Managerin führt aus, wie sie ab 2019 über ein Jahr lang an unterschiedlichen Stellen um Hilfe gebeten habe, um gegen das Verhalten ihres Vorgesetzten vorzugehen. Sowohl die interne Gleichbehandlungskommission des ORF als auch Generaldirektor Wrabetz und die Gleichbehandlungsanwaltschaft seien eingeschaltet worden. Trotzdem habe es bis in den Februar 2021 gebraucht, bis sie aus dem Einflussbereich des mutmaßlichen Belästigers versetzt wurde. Zum Vergleich, den sie dafür unterzeichnete, sei sie während eines Krankenstands gedrängt worden. Ihr sei der Vergleich als "letzte Möglichkeit" verkauft worden, der Situation zu entkommen. Vor Gericht beklagt sie nun, dass die Versetzung für sie mit einer beruflichen Schlechterstellung verbunden gewesen sei. "Ich bin mit dem Rücken zur Wand gestanden nach einem Jahr des Bossings", erzählt die Klägerin von den Mobbingerfahrungen durch den Vorgesetzten. "Alle haben nur zugesehen, während es mir schlechter und schlechter ging". Die Befragung der Klägerin wird zu Mittag unterbrochen und soll beim nächsten Termin fortgesetzt werden.

Kein Hinhalten

Ex-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wird nun als Zeuge befragt, um Einblicke in die Anfänge der Causa liefern. Er habe im Frühling 2020 davon erfahren, sein Fokus sei in dieser Zeit aber stark auf der Corona-Krise gelegen. Wrabetz betont allerdings, dass der ORF nicht untätig zugesehen habe. Es habe eine Untersuchung der internen Kommission gegeben, die nicht eindeutig ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten habe feststellen können. Trotzdem habe er den Vorgesetzten ermahnt und erkannt, dass die beiden Parteien nicht weiter zusammenarbeiten könnten. Er habe sich selbst eingebracht und versucht, eine Lösung zu finden. Die Managerin sei von ihm auch nicht wie von ihr empfunden hingehalten worden: "Ich kenne die Klägerin gut genug, um zu wissen, dass sie eine zu meinungsstarke Persönlichkeit ist, um sich mit netten Worten abspeisen zu lassen."

Schließlich habe er die Causa aber an eine andere Führungsperson im Haus abgegeben, da die Trennung der Medienmanagerin und ihres Vorgesetzten so wie deren Agenden immer komplizierter geworden sei. "Es wurde über einzelne Mitarbeiterinnen diskutiert", erzählt er. Außerdem ist an diesem Verhandlungstag noch die Bürogröße der Klägerin sowie die Frage, wer wen zu seinem Geburtstag eingeladen habe, Thema. Von einem Urteil ist man dagegen noch weit entfernt. Der nächste Verhandlungstermin ist für 15. Jänner angesetzt. Die Liste der Zeugen – auf der unter anderem noch der amtierende Generaldirektor Roland Weißmann steht – wird unterdessen länger und länger. (Antonia Rauth, 17.11.2023)