Auf einem weißen Teller ein Schnitzel, dekoriert mit Zitronenscheibe und Petersilie
Tierisch? Pflanzlich?
Foto: Getty Images / Tatiana Volgutova

Gut für die Tiere, gut für das Klima, gut für die Gesundheit – die Argumente, mit denen Veganerinnen und Veganer ihre Ernährungsweise im öffentlichen Diskurs untermauern und gegen diskussionsfreudige Fleischesserinnen und Fleischesser aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis verteidigen (müssen), sind längst ein Evergreen. Auch die erbosten Gegenstimmen, die verstärkt auf der politischen Bühne, in Internetforen oder am Wirtshausstammtisch ertönen, sind eine alte Platte. Die Positionen sind bezogen, die Gräben gezogen, und selbst die Studien, die Kontrahentinnen und Kontrahenten einander an den Kopf werfen, bringen selten neuen Wind in die Debatte.

In dieser nimmt die Lebensmittelindustrie per se eine wertfreie, nachfrageorientierte Position ein und kommt spätestens bei jenem Streitthema ins Spiel, über das sich sprichwörtlich nicht streiten lässt: dem (guten) Geschmack. Diesen abzuliefern, bei gleichzeitig hoher Qualität, dazu noch rentabel und in einem für die Kundschaft reizvollen Preis-Leistungs-Verhältnis – darin muss der Anspruch der Lebensmittelindustrie liegen. Ob aber pflanzliche oder tierische Produkte hergestellt werden und auf welcher dieser Produktsparten der Fokus liegt, ist im Grunde Nebensache, solange der Bedarf vonseiten der Kundinnen und Kunden gegeben ist.

Mehr als "Ersatz"

Die Frage nach dem Klima- und Gesundheitsaspekt von veganen Produkten beantworten viele Lebensmittelhersteller – und so auch ich – diplomatisch: Das hängt von den Inhaltsstoffen ab, den Anbaubedingungen, der Verarbeitung, den Transportwegen. Eines ist aber unbestreitbar: Die Nachfrage nach veganen Produkten ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gestiegen, und die Trendkurve zeigt weiter steil nach oben. Menschen, die sich zur Gänze oder großteils pflanzlich ernähren, sind zu einer zugkräftigen Zielgruppe geworden. Der flexitarische Trend verdeutlicht, welches Potenzial diese Zielgruppe birgt – nämlich mit Erzeugnissen ohne tierische Inhaltsstoffe sämtliche Konsumentinnen und Konsumenten, inklusive der Vegetarierinnen und Vegetarier sowie der Fleischesserinnen und Fleischesser, abzuholen.

Die aktuelle Dynamik deutet auf genau diese Entwicklung hin. Dass mehr vegane Produkte konsumiert werden, schlägt sich in einem Zuwachs an Herstellern nieder und trägt durch den resultierenden Wettbewerb zur Vielfalt und Qualität der Produkte bei. Somit zeigt sich nun ein konträres Bild zur Situation vor knapp zwanzig Jahren. Verkauften sich damals – aufgrund der geringen Auswahl – auch minderwertige pflanzliche Erzeugnisse, ist heute ein "plant-based" Produkt gefragt, das qualitativ in der Oberliga spielt und auch sonst keine Wünsche offenlässt. Die sogenannten Ersatzprodukte sehen den tierischen Originalen nicht nur immer ähnlicher, sondern reichen mitunter auch schon in puncto Konsistenz und Geschmack an diese heran.

Eine Variante für alle

Dass fleischaffine Gäste im Wirtshaus nicht mehr erkennen oder erschmecken können, ob sie nun ein pflanzliches Schnitzel vor sich haben oder ein "echtes", mag derzeit noch Zukunftsmusik sein. Weit entfernt scheint diese Zukunft aber nicht mehr. Das Beispiel mit dem Wirtshaus ist im Übrigen bewusst gewählt, denn schon jetzt legt die Gastronomie eine gewisse Ermüdung an den Tag, wenn es darum geht, Speisen in mehreren Grundausführungen (vegan, vegetarisch, mit Tierprodukten) anzubieten.

Für die Wirtin oder den Wirt ist das mit einem beachtlichen Aufwand verbunden, der selbst ohne den aktuellen Fachkräftemangel schwer zu stemmen sein kann. Können Auge und Gaumen nicht mehr zwischen "Vorlage" und "Ersatz" unterscheiden, werden sich viele Gastronominnen und Gastronomen wohl für die Variante entscheiden, die sie allen Gästen servieren können – die pflanzliche.

"Das Argument 'Vegan schmeckt mir einfach nicht' wird nicht mehr lange ziehen."

Wenn es nicht gerade um Schnitzel oder Steak geht, sehen wir diesen Trend zur Vereinheitlichung schon jetzt. Pflanzliche Mayonnaise ist auch in der Gastro immer mehr gefragt. Dass sie das Original langfristig ganz ablösen könnte, ist absolut denkbar.

Was bedeutet das für die Debatte über sowie die Verbreitung des veganen Lifestyles? Das Argument "Vegan schmeckt mir einfach nicht" wird nicht mehr lange ziehen; vegane Produkte werden sich immer öfter auch auf der Speisekarte von Vegetarierinnen und Vegetariern und Fleischesserinnen und Fleischessern finden. Zieht man dann noch in Betracht, dass Klimafreundlichkeit und gesundheitsfördernde Wirkung nicht pauschalisiert werden, sondern an der individuellen Ernährung festgemacht werden sollten – wozu überhaupt noch debattieren? (Peter Spak, 31.1.2024)

Video: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD